Abflug ins Krisengebiet

«Abflug ins Krisengebiet»

Pressebericht in: Leipziger Volkszeitung,Samstag, 19. November 2005

Schkeuditz/Berlin. Die Antonow gilt als größtes Transportflugzeug der Welt. Schon heute machen die Riesenflieger hin und wieder Station auf dem Flughafen Leipzig/Halle. Immer dann, wenn besonders sperrige Güter oder Frachten von bis zu 100 Tonnen transportiert werden sollen. Ab kommendem Jahr sollen mit der Antonow von Schkeuditz aus auch Nato-Transporte in Krisengebiete starten.

"Die Sache ist so gut wie über die Bühne. In Deutschland muss nur noch der parlamentarische Haushaltsausschuss zustimmen", sagt Elmar Rauch. Der Berliner Rechtsanwalt und langjährige Mitarbeiter im Verteidigungsministerium berät die in Leipzig ansässige Ruslan Salis GmbH, die als deutscher Ableger der Volga-Dnepr-Gruppe den Auftrag der Nato an Land ziehen konnte.

"Wenn man so will ist der Vorvertrag perfekt. Von den Verteidigungsressorts der Nato-Staaten kam bereits grünes Licht, dass Salis von Leipzig aus für uns fliegen kann", bestätigt ein Sprecher im Bundesverteidigungsministerium dieser Zeitung. Neben Deutschland müssten allerdings noch andere Nato-Länder das Projekt finanziell absegnen. Spätestens im ersten Quartal kommenden Jahres sei das Vertragswerk dann ratifiziert, so der Sprecher.

Anfang 2006 werden zwei Antonows in Schkeuditz stationiert, ist sich Rauch sicher. Weitere vier stünden auf Flughäfen in der Ukraine und in Russland zur Verfügung und seien binnen 72 Stunden einsatzbereit. Grundlage der Stationierung ist das auf dem Nato-Gipfel 2002 in Tschechien beschlossene Projekt Strategic Airlift Interim Solution (Salis). Das Militärbündnis braucht nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums die russischen Transporter für eine Übergangszeit bis 2012. Dann soll der Airbus-Militärtransporter A 400M einsatzfähig sein. Der jetzt ausgehandelte Vertrag bezieht sich auf die Laufzeit von drei Jahren. Rauch beziffert die Kosten auf 800 Millionen Euro. Das Berliner Ministerium spricht für die ersten drei Jahre von jährlich 20 Millionen Euro, die Deutschland zahlen muss. Der Vertrag sieht ein Volumen von jährlich 2000 Flugstunden vor. Da allein die Bundeswehr für sich 750 Stunden beanspruche, trage sie ein Drittel der Gesamtkosten.

"Der Leipziger Flughafen mausert sich zu einem der bedeutendsten europäischen Umschlagplätze für Großwaffen und damit zur Nato-Drehscheibe für künftige Kriege", kritisiert Tobias Pflüger, der für die Linkspartei im Auswärtigen Ausschuss und im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung des Europäischen Parla-ments sitzt. Neben dem militärischen Aspekt stelle insbesondere der enorme Lärm der Antonows eine zusätzliche Belastung für die Region dar. Er wolle auf EU-Ebene gegen das Vorhaben protestieren.

Die Militarisierung des Flughafens passe nicht zu einer Stadt, die die friedliche Revolution in Deutschland eingeleitet habe, sagt Pfarrerin Dorothea Arndt aus Rackwitz-Podelwitz, die sich für die Bürgerinitiative Nachtflugverbot stark macht. "Mit der DHL-Ansiedlung, die wir begrüßen, weil damit Arbeitsplätze in die Region kommen, haben wir als Anwohner des Flughafens wirklich einiges zu ertragen. Und jetzt auch noch die lauten Antonows."

Die Befürchtungen seien überzogen, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Bei zwei stationierten Maschinen könne nicht von einem bedeutenden Nato-Umschlagplatz gesprochen werden. Bei Einsätzen würde nicht ausschließlich von Schkeuditz aus geflogen. "Die Maschinen fliegen von hier etwa nach Frankreich oder Spanien und transportieren von dort schweres Gerät in Krisengebiete, bringen etwa Hubschrauber wie vor kurzem zu Erdbebenopfern nach Pakistan", heißt es im Berliner Ministerium. Die Antonow-Betreiber bieten seit 1989 ihre Dienste westlicher Kundschaft an. So fliegen die Maschinen auch Fracht für die deutschen Truppen in Afghanistan.

Flughafensprecher Uwe Schuhart verweist darauf, dass das Projekt bis zum Jahr 2012 befristet sei. Dann soll der Airbus AF400 der Nato zur
Frachteinsätzen zur Verfügung stehen. Laut Bürgerinitiative spekuliert der Flughafen darauf, dass aus dem Interimsgeschäft eine Dauerlösung
über 2012 hinaus wird. Aus Flughafenkreisen wird das indes nicht bestätigt. Um den Nato-Auftrag habe man sich bemüht, als DHL noch nicht
in trockenen Tüchern gewesen sei.

Andreas Dunte

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