Ein Jobangebot für den Irak und die Folgen

Badische Zeitung vom Mittwoch, 22. September 2004

Eine Woche lang suchte die Arbeitsvermittlung Sicherheitskräfte für Mossul - dabei gibt es seit 2003 eine Reisewarnung

Von unserem Mitarbeiter Christian Mörsch

FREIBURG/LAHR. Endlich hatte das Arbeitsamt, genauer die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV), eine Stelle für Magrit W. aus Lahr. Als sie jedoch hörte, wo der Arbeitsplatz liegt, erschrak sie: Einen Flughafen bei Mossul im Norden des Irak solle sie bewachen. Ein Irrtum? Tatsächlich suchte die ZAV im Auftrag einer deutschen Sicherheitsfirma über eine Woche lang "Sicherheitsdienstleistungsfachkräfte" für den Flughafen Mossul. Die Stellenanzeige stand seit 13. August im Internet und in der ZAV-Zeitschrift Markt + Chance. Reizvoll klangen die Konditionen: "Überdurchschnittliches Gehalt" - wohl bis zu 2000 Dollar pro Tag - Flug, Unterkunft und Lebensversicherung gratis. Man suchte Bewerber mit gutem Englisch, körperlicher Fitness und Erfahrung mit Waffen.

Sicherheitsbedenken spielten offenbar keine große Rolle. Dabei ist seit März 2003 eine Reisewarnung für den Irak in Kraft. Bei der ZAV will man die erst am 24. August 2004 bemerkt haben, weil das Bundeswirtschaftsministerium darauf hingewiesen habe. "Wir sind ein großes Haus, da passiert so etwas", sagt ZAV-Sprecherin Sabine Seidler. Das Ministerium habe die ZAV außerdem "gebeten", das Stellenangebot zu streichen. Das sei noch am selben Tag geschehen. Ein Sprecher des Ministeriums bestätigt die Bitte. Angesichts der Sicherheitslage im Irak sei es nicht sinnvoll, deutsche Arbeitnehmer dorthin zu vermitteln. "Wir gehen davon aus, dass die ZAV das auch in Zukunft nicht tut." Yvonne Nikolay von der ZAV sagt, auf keinen Fall hätte jemand um sein Arbeitslosengeld bangen müssen, wenn er die Stelle abgelehnt hätte. "Da sollten nur Überzeugte hin. Leute, die vor nichts zurückschrecken."

Magrit W. war nicht überzeugt. Sie habe die Stelle sofort abgelehnt, sagt sie. "In ein Krisengebiet gehe ich nicht." Sicherheitskraft sei sie zwar, habe aber bisher nur Einrichtungen in Deutschland bewacht. Dennoch habe die Beraterin sie mit allen Mitteln überreden wollen, sich zu bewerben: Sie sei doch arbeitslos, da sei das doch eine Chance für sie. Oder wolle sie am Ende gar nicht arbeiten? Über eine halbe Stunde habe das Gespräch gedauert. W. fühlte sich zunehmend unter Druck gesetzt. "Dann kürzen Sie doch mein Arbeitslosengeld", habe sie schließlich gesagt. Das könne man dann doch nicht tun, so die angebliche Antwort der Beraterin. An deren Namen erinnert sich W. nur vage - sie glaube, er laute Jasper. "Das ist Blödsinn", sagt Tanja Jasper von der ZAV, "wir haben gar nicht die Möglichkeit, Druck auszuüben." Sie habe solch ein Gespräch nicht geführt und könne sich auch nicht vorstellen, dass einer ihrer Kollegen das getan haben soll.

Tobias Pflüger, Mitglied bei Attac und parteiloser Abgeordneter im EU-Parlament, sieht das Irak-Angebot der ZAV im Zusammenhang mit Hartz IV. Man dränge die Menschen zunehmend zu Jobs, die sie nicht wollen. "Offenbar sind in diesem Fall alle Hemmungen gefallen."

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