Von Brüssel nach Berlin

Von Brüssel nach Berlin
Schwäbisches Tagblatt, 07.05.2008
Den Tübinger Europaabgeordneten Tobias Pflüger zieht es in den Bundestag

Der parteilose Europaabgeordnete der Linken Tobias Pflüger strebt eine Bundestags-Kandidatur im Herbst 2009 an. Er will der Tübinger Abgeordneten Heike Hänsel aber keine Konkurrenz machen.

„Meine Arbeit ist im Bundestag effektiver“, begründet der Außen- und Militärpolitiker Tobias Pflüger seine Neuorientierung. Archivbild: Hantke

Tübingen. Der 43-jährige Politologe ist auf der Suche nach einem Wahlkreis. Er wolle nach Möglichkeit in Baden-Württemberg antreten, notfalls aber auch in einem anderen Bundesland, sagte uns Tobias Pflüger. Gegen die Tübingerin Heike Hänsel zu kandidieren, stehe für ihn jedoch nicht zur Debatte. Da er auch die Arbeit der beiden anderen Abgeordneten der Linken aus dem Land Ulrich Maurer und Karin Binder schätze, strebt er Platz vier auf der Landesliste an.

Pflüger geht davon aus, dass die Linke das Bundestags-Wahlergebnis der PDS von 2005 verbessern kann und künftig mehr Abgeordnete in den Bundestag entsendet als bisher. Sollte sein Versuch scheitern, wäre dem in Stuttgart geborenen Pfarrersohn nicht bang: „Ich bin jemand, der auch ohne Mandat Politik machen kann.“

Der Europaabgeordnete hat sich in Straßburg und Brüssel vor allem dagegen gewandt, dass die EU zu einer Militärmacht ausgebaut und in der Europäischen Verfassung Aufrüstungsverpflichtung, Kampfeinsätze, die Zusammenarbeit mit der Nato und ein neoliberales Wirtschaftsmodell festgeschrieben werden. Pflüger kritisiert, dass der vom Bundestag bereits verabschiedete Lissaboner Vertrag kaum Änderungen gegenüber dem Verfassungsentwurf enthält, der in Frankreich und den Niederlanden bei Volksabstimmungen abgelehnt wurde. Nur in Irland steht jedoch erneut ein Referendum an. „Das ist die letzte Möglichkeit, dass sich eine Bevölkerung direkt äußert. Wenn die Iren nein sagen, ist der Vertrag eigentlich abgelehnt“, sagt Pflüger. Anderswo werde er „mit der Brechstange“ durchgesetzt. Man umgeht einfach alle Bevölkerungen.“ Selbst in Frankreich gebe es kaum mehr eine Debatte: „Der EU-Vertrag ist dort nur ein weiterer Punkt, in dem man genervt ist von Sarkozy.“

Trotz dieser Entwicklung zieht Pflüger ein positives Resümee seiner Arbeit. Er habe daran mitgewirkt, dass die Militarisierung der EU zum Thema wurde. Selbst ihre Befürworter im auswärtigen Ausschuss teilten etwa heute seine Auffassung, dass das EU-Parlament ein Kontrollrecht über den Militärhaushalt braucht.

Mit Inkrafttreten des Vertrags hält Pflüger seine Mission im Europäischen Parlament allerdings weitgehend für beendet. „Mein zentrales Arbeitsfeld verändert sich, weil Militär-Entscheidungen auf einzelstaatlicher Ebene fallen. Ich glaube, in meinem für die Linke zentralen Themenbereich eher in Berlin ansetzen zu können.“ Der Abgeordnete denkt inzwischen auch über einen Parteieintritt nach. „In die PDS zu gehen, wäre für mich nie in Frage kommen. Aber die Linke ist ein offener Prozess.“ Die Partei bestehe nicht nur aus der WASG und PDS, sondern habe auch viele Neumitglieder.

Zu Pflügers Grundverständnis gehört ein „bewegungsorientierter Ansatz“. Deshalb hält der Tübinger eine Regierungsbeteiligung der Linken im Bund für „völlig ausgeschlossen. Denn da muss man für die Nato, für Auslandseinsätze und die Militarisierung der EU sein“. Diese Haltung unterscheide ihn auch vom Großteil der anderen deutschen Europa-Abgeordneten seiner Fraktion. „Ich habe ein grundsätzlich oppositionelles Verständnis. Das haben diejenigen, die in der früheren DDR politisch sozialisiert wurden, nicht.“

online

Bei www.tagblatt.de findet sich ein Interview mit Tobias Pflüger.
Friedens-Aktivist im Europa-Parlament
2004 kandidierte Tobias Pflüger als Parteiloser auf Platz 4 der PDS-Liste für das Europaparlament, wo er dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten angehört. Der gebürtige Stuttgarter hat in Tübingen Politik und Empirische Kulturwissenschaft studiert. Seit den achtziger Jahren war er in der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung aktiv. Er ist seit deren Gründung 1996 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Tübinger Informationsstelle Militarisierung.

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