Warmlaufen für den April

Pressebericht Junge Welt, 9. Februar 2009
Tausende protestierten in München gegen sogenannte Sicherheitskonferenz. Polizisten verwandelten Demonstration in Wanderkessel. Auch Bundeswehr im Einsatz
Von Nick Brauns und Frank Brendle

Die Friedensdemonstration gegen die 45. Münchner Sicherheitskonferenz am Samstag in München war ein erfolgreicher Auftakt für die geplanten Proteste gegen den NATO-Gipfel Anfang April in Baden-Baden und Strasbourg. Rund 6000 Demonstranten – die Polizei zählte lediglich 3500 – ließen sich weder von der Charmeoffensive der neuen US-Administration unter Barack Obama noch von scheinheiligen Dialogangeboten des neuen Veranstalters Wolfgang Ischinger täuschen. Sie verurteilten wie schon in der Vergangenheit das Treffen von rund 450 hohen Militärs, Politikern und Rüstungslobbyisten im Luxushotel Bayerischer Hof als »Kriegskonferenz«.

Zahlreiche rote Fahnen von DKP und der Partei Die Linke, trotzkistischen Organisationen und türkisch-kurdischen Maoisten dominierten neben einem schwarzen Block mit rund 500 Teilnehmern das Bild der Demonstration. Arabische Gruppen forderten »Freiheit für Palästina«; Pazifisten warben auf einer meterlangen Papprakete für eine Abwrackprämie für Atomwaffen; Antimilitaristen bekundeten ihr »brennendes Interesse« an Kriegsgerät und forderten die Einstellung des Berliner »mg«-Verfahrens wegen angeblicher Brandanschläge auf Bundeswehr-LKW; Gewerkschafter protestierten in Streikwesten gegen das sogenannte Militanzverbot im neuen bayerischen Versammlungsgesetz. Ver.di war erstmals mit einem eigenen Block vertreten.

Die NATO gehöre abgeschafft, erklärte Tobias Pflüger, Europaabgeordneter der Linkspartei, auf der Schlußkundgebung. Doch da Kapitalismus und Krieg zwei Seiten einer Medaille sind, müßten sich die Antikriegsproteste auch gegen das System richten. Pflüger muß sich am Mittwoch vor dem Amtsgericht München wegen einer angeblichen Polizistenbeleidigung im Anschluß an die Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz 2005 verantworten.

Im Vergleich zu den Vorjahren hielten sich die Beamten am Samstag mit Übergriffen auf die Demonstration zurück. Allerdings verwandelten bis zu fünf Reihen Polizisten, die den Zug eskortierten, die Demonstration über weite Teile in einem Wanderkessel. Bei Polizeiübergriffen auf den schwarzen Block wurden Pfeffersprays eingesetzt und Seitentransparente beschlagnahmt. Während der Schlußkundgebung auf dem Odeonsplatz richteten Polizeischarfschützen, die auf dem Dach der Residenz postiert waren, ihre Gewehre sichtbar auf die Kundgebungsteilnehmer – ein selbst für Münchner Verhältnisse neuer Höhepunkt der Einschüchterung. 17 Demonstranten wurden laut Polizei festgenommen.

Neben mindestens 3700 Polizeibeamten war auch die Bundeswehr mit 340 Soldaten im Einsatz. So lag die Vorbereitung von Presseterminen ebenso wie die Medienauswertung in militärischer Hand. Hinzu kamen Dienste in den Bereichen »Transport, Dolmetscherdienst sowie durch die Wahrnehmung von Empfangs- und Einweisungsfunktionen im Konferenzbereich«. Das teilte die Bundesregierung auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke) mit. In den vergangenen Jahren hatten Feldjäger sogar das Hausrecht im Bayerischen Hof. Gewerkschafter und Oppositionsparteien hatten diesen verfassungswidrigen Inlandseinsatz der Bundeswehr wiederholt scharf kritisiert. In diesem Jahr wurde auf den Einsatz bewaffneter Soldaten verzichtet.

Zu den Kosten für den Bundeswehreinsatz von deutlich über 300000 Euro kommt noch ein Sponsoring der Kriegskonferenz durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Im Vorjahr waren das stolze 341000 Euro. Auf die Rechnung für dieses Jahr wartet man noch. Aber schon jetzt ist klar, daß der Steuerzahler dafür aufkommt: »Da die Veranstaltung im überwiegenden Interesse der Bundesregierung liegt, wird von einer Inanspruchnahme des Veranstalters abgesehen«, heißt es in der Antwort auf Jelpkes Anfrage.

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