Transatlantisches Kriegsbündnis - Militaristische Zweckallianz: Die Intensivierung der Zusammenarbeit ­zwischen NATO und EU

Artikel in: Junge Welt, 26.2.2009

Der als erster »außenpolitischer Aufschlag« der neuen US-Regierung angekündigte Auftritt von Vizepräsident Joseph Biden bei der Münchner »Sicherheitskonferenz« Anfang Februar hatte es in sich. In seiner Grundsatzrede schlug er nicht weniger als eine Runderneuerung der Beziehungen innerhalb der NATO zwischen den USA und den EU-Staaten vor. Bei der demonstrativ zur Schau gestellten transatlantischen Aufbruchsstimmung handelte es sich jedoch keineswegs um ein reines Wohlfühlprogramm, sondern um knallharte Interessenpolitik. Denn angesichts ihrer schweren wirtschaftlichen Probleme sind die USA bestrebt, die Kosten der Weltordnungskriege stärker auf die EU-Staaten abzuwälzen. Im Austausch hierfür bietet die US-Regierung an, künftig EU-Interessen in deutlich größerem Umfang als in den Jahren unter George W. Bush zu berücksichtigen. Im Kern lautet der »Transatlantische New Deal« folgendermaßen: Wenn die Europäer künftig adäquat mitkämpfen, dürfen sie auch substantiell mitreden.

Auch für die EU-Seite ist dieses Angebot überaus attraktiv, verspricht sie sich hiervon doch eine lange angestrebte machtpolitische Aufwertung. Vieles deutet deshalb gegenwärtig darauf hin, daß dieser Kurswechsel, dessen Tragweite kaum unterschätzt werden kann, in die Praxis umgesetzt wird: Die NATO-EU-Kooperation soll so massiv intensiviert werden, daß zwischen beide Organisationen künftig kaum mehr ein Blatt Papier passen dürfte. Ferner wird nicht nur eine deutliche Stärkung der NATO anvisiert, auch eine weitere Forcierung der EU-Militarisierung wird angestrebt. Am deutlichsten zeigt sich jedoch die grundlegende Wende in den transatlantischen Beziehungen hinsichtlich der konkreten Einsatzpraxis. Sowohl was Afghanistan, den Irak, aber auch Kosovo anbelangt, signalisieren die EU-Staaten ihre Bereitschaft, den USA künftig deutlich stärker als bisher unter die Arme zu greifen. Die oft hervorgehobene verbale Abgrenzung der Europäischen Union von der militaristischen US- und NATO-Politik erweist sich somit zunehmend als Farce.


Mehr mitkämpfen, mehr mitreden

Die Phase uneingeschränkter US-amerikanischer Vorherrschaft ist vorüber. Der Versuch der Neokonservativen in den acht Jahren unter George W. Bush, diese nicht nur gegenüber Rußland und China, sondern auch gegen die Europäische Union militärisch zu zementieren, ist grandios gescheitert. Im Ergebnis sind die Vereinigten Staaten gegenwärtig finanziell, politisch und militärisch erheblich geschwächt. Neue Akteure oder: »Rivalen«, vor allem Rußland und China, verzeichnen deutliche Positionsgewinne, während die USA gleichzeitig nicht mehr in der Lage sind, die (militärische) Aufrechterhaltung der neoliberalen Weltwirtschaftsordnung im Alleingang zu gewährleisten. Auch den US-Eliten ist vor diesem Hintergrund klar, daß ein Kurswechsel zwingend erforderlich ist – nicht zuletzt hierin dürfte ein wichtiger Grund dafür liegen, daß maßgebliche Akteure Barack Obama im Wahlkampf unterstützten, der diesen Neuanfang glaubhaft verkörpern kann.

Ein Begriff zieht sich durch nahezu sämtliche Dokumente aus dem Umfeld der neuen US-Administration: »Burden sharing« (Lastenteilung). Es geht also darum, die Kosten für die Aufrechterhaltung der westlichen Weltordnung auf mehr Schultern zu verteilen, wofür die EU-Staaten der naheliegendste Adressat sind. Denn auch sie haben ein großes Interesse daran, die Ausbeutungs- und Hierarchiestrukturen des vorherrschenden globalen kapitalistischen Wirtschaftssystems zu erhalten. Damit es jedoch gelingt, die EU-Verbündeten wieder stärker ins Boot zu holen, müssen die Ursachen für die transatlantischen Konflikte aus dem Weg geräumt werden. Im Kern drehten sich die Auseinandersetzungen darum, daß die EU-Staaten eine Partnerschaft auf Augenhöhe einforderten, während die US-Regierung teils recht rüde auf ihrer Dominanz innerhalb der NATO beharrte. Insbesondere, als die USA nach dem Amtsantritt von George W. Bush zunehmend unilateral und teils sogar offen antieuropäisch agierten, spitzten sich die transatlantischen Konflikte zwischenzeitlich derart zu, daß der Fortbestand der NATO ernsthaft in Frage stand.

Genau diese Partnerschaft auf Augenhöhe ist das Lockangebot, mit dem die US-Regierung nun eine größere militärische Unterstützung durch die EU-Staaten erreichen will. Mit blumigen Worten reichte Joseph Biden auf der Münchner »Sicherheitskonferenz« den EU-Verbündeten die Hand. Die neue US-Regierung stehe für ein »neues Zeitalter«, sie sei »entschlossen, einen neuen Ton anzuschlagen«, so Biden, um anschließend die Bedingungen für den transatlantischen New Deal zu konkretisieren: »Die USA werden mehr tun, aber die USA werden auch mehr von ihren Partnern verlangen. (...) Wir bitten unsere Verbündeten, ihre eigenen Ansätze zu überdenken – einschließlich ihrer Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, wenn alles andere fehlschlägt.«

Noch präziser äußerte sich NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer, indem auch er eine größere Lastenteilung im Bündnis einforderte. Wenn die USA zu mehr Engagement bereit seien, die EU-Verbündeten jedoch nicht, mache »das die Aufforderung, daß die Europäer mehr gehört werden wollen in Washington, doch etwas hohl«. Wer mehr mitreden will, der muß auch mitkämpfen, so der NATO-Generalsekretär, schließlich sei die NATO eine »Zweibahnstraße«.

Dieser Ball wurde von den EU-Staaten bereitwillig aufgegriffen – nicht ohne jedoch klar die Bedingungen für das Zustandekommen des transatlantischen New Deals zu benennen. Was hier derzeit geschieht, ist also im Grunde ein im öffentlichen Raum ausgehandelter mündlicher Vertrag über die Zukunft der transatlantischen Macht- und Arbeitsteilung.


EU stellt Bedingungen

Für die EU-Staaten ist eine Erneuerung des Bündnisses mit den USA kaum weniger zwingend als für die USA. Auch ihre Machtposition ist in den letzten Jahren erheblich erodiert, wie ein im September 2008 veröffentlichter Bericht des einflußreichen Think-tanks »European Council on Foreign Relations« (ECFR) alarmiert feststellte.1 Die jetzige Annäherung an die Vereinigten Staaten basiert deshalb auf einem nüchternen Interessenkalkül, das der neokonservative US-Publizist Robert Kagan folgendermaßen beschreibt: »Auch in Europa besteht ein unverkennbarer Trend zu engeren strategischen Beziehungen mit den USA. (...) Dies geschieht allerdings nicht aus neu erwachter Zuneigung zu den Vereinigten Staaten, sondern wegen der sich ändernden internationalen Lage und der Lehren aus der Vergangenheit. Die amerikafreundlichere Außenpolitik von Nicolas Sarkozy und Angela Merkel hat nicht nur mit ihren jeweiligen Persönlichkeiten zu tun, sondern verdankt sich einer Neubewertung der französischen, deutschen und europäischen Interessen. Enge (...) Beziehungen zu den USA, so ihrer beider Überzeugung, verleihen der Macht und dem weltweiten Einfluß Europas einen Auftrieb, den Europa aus eigener Kraft nicht zustande brächte.«2

Allerdings wird die Erneuerung der Partnerschaft mit den USA unmißverständlich an folgende von Angela Merkel auf der »Sicherheitskonferenz« formulierte Bedingung geknüpft: »Konflikte sind von keinem Land mehr allein zu lösen, sondern wir brauchen einander (…). Das heißt, der kooperative Ansatz muß die Grundlage unseres Handelns sein.« In klares Deutsch übersetzte Spiegel on­line (7.2.2009) Merkels Botschaft mit folgenden Worten: »Die Kanzlerin fordert von Washington, künftig nie mehr Alleingänge bei internationalen Konflikten zu unternehmen – die NATO sei dafür das zentrale Instrument.« Das ist die konkrete Ansage, künftig gemeinsam Kriege zu führen.


Hemmschuh Zypern

Nachdem die Obama-Administration mehr als deutlich ihre Bereitschaft signalisiert hat, die machtpolitische Aufwertung der EU-Staaten zu befürworten, steht einer Intensivierung der ­NATO-EU-Zusammenarbeit nichts mehr im Wege.

Die tschechische Regierung, die bis Mitte 2009 die EU-Ratspräsidentschaft innehat, kündigte bereits an, daß die Verbesserung der Kooperation mit der NATO eines ihrer Hauptanliegen darstelle. Das Europäische Parlament verabschiedete vergangene Woche – wenn auch knapp mit 293 zu 283 Stimmen – einen Bericht des Konservativen, in Frankreich zum EU-Abgeordneten gewählten Finnen Ari Vatanen »über die Rolle der NATO im Rahmen der Sicherheitsarchitektur der EU«.3 Kern des Berichtes ist die Forderung, »daß die Beziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten gestärkt werden sollten«. Hierfür soll »die Synergie zwischen der EU und der ­NATO in bestimmten militärischen Bereichen durch gemeinsame Pilotvorhaben gestärkt werden«.

Besonders delikat ist, daß und wie der Bericht versucht, ein großes Hindernis für die Intensivierung der NATO-EU-Zusammenarbeit aus dem Weg zu räumen. Für den Austausch sensibler Informationen bei strategischen Treffen ist die Teilnahme am NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden« (PfP) die Mindestanforderung. Da Zypern als einziges EU-Land weder NATO-Mitglied ist noch an PfP teilnimmt, wird dem Land der Zutritt zu diesen Treffen verweigert. Hinzu kommt noch, daß der Vatanen-Bericht darauf insistiert, daß die »Berlin-Plus-Vereinbarungen (...) verbessert werden müssen«. Dabei handelt es sich um ein im März 2003 verabschiedetes Abkommen, mit dem geregelt wurde, daß die Europäische Union für Militäreinsätze auf Kapazitäten der NATO zurückgreifen kann, wie dies etwa in Bosnien geschieht. Aufgrund der Nichtteilnahme Zyperns an PfP muß bislang die gesamte östliche Ägäis aus Berlin-Plus ausgeklammert bleiben. Auch deshalb legt der Vatanen-Bericht »Zypern als einem EU-Mitgliedstaat nahe, seine politische Haltung zu seiner Mitgliedschaft in der Partnerschaft für den Frieden zu überdenken«. Generell ist man bestrebt, das Abkommen auf breiter Front auszubauen, u. a. indem ein umgekehrtes Verfahren etabliert wird, bei dem die NATO für ihre Kriege künftig grundsätzlich Zugriff auf zivile Fähigkeiten der EU erhalten soll (»Berlin-Plus-Reverse«).

Schließlich fordert der Vatanen-Bericht noch, man solle bei der »Erarbeitung der neuen europäischen Sicherheitsstrategie und des neuen strategischen Konzepts der NATO« Hand in Hand arbeiten und spricht sich dabei sowohl für eine Stärkung der NATO als auch für eine weitere Militarisierung der Europäischen Union aus.


Runderneuerung und Stärkung

Ein wesentlicher Teil des neuen transatlantischen Schulterschlusses ist die symbolträchtige Ankündigung Frankreichs, sich nach mehr als 40 Jahren wieder vollständig in die NATO-Militärstrukturen einzugliedern: »Daß Frankreich nun rechtzeitig vor dem historischen Gipfel im April in die NATO-Strukturen zurückkehrt, ist ein Beleg dafür, daß der Westen sich zusammenreißen will. Die französisch-amerikanischen Eifersüchteleien kann er sich angesichts der weltweiten Herausforderungen ebensowenig leisten wie das ewige Hickhack zwischen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und der ­NATO.« (Die Welt online, 8.2.2008).

Umgekehrt scheint die US-Regierung nun bereit zu sein, diesen Schritt angemessen zu honorieren und Einfluß im Bündnis abzugeben. So scheinen die USA gewillt zu sein, Frankreich den Oberbefehl über das »Allied Command Transformation« (ACT) im englischen Norfolk zu überlassen, eines der beiden strategischen NATO-Kommandos, das bislang stets von einem US-Amerikaner geleitet wurde. Eine solche Abgabe von Macht seitens der Vereinigten Staaten wäre bis vor kurzem noch undenkbar gewesen – nun ist sie Bestandteil des Verhandlungspakets. Gleichzeitig wittert die der Bundesregierung zuarbeitende »Stiftung Wissenschaft und Politik« hierin eine große Chance, Deutschlands Position innerhalb der NATO massiv zu verbessern: »Die Bundesregierung (sollte) das Gewicht, über das Frankreich nach seiner Rückkehr in die integrierten Bündnisstrukturen verfügen wird, nutzen, um die bestehenden Kräfteverhältnisse in der NATO zugunsten beider Länder zu korrigieren.«4

Außerdem soll bis spätestens 2010 das Strategische Konzept der NATO überarbeitet werden. Barack Obamas neuer Sicherheitsberater James Jones gab die Richtung vor, als er in einem Interview forderte, die NATO müsse eine »bewegliche Allianz« werden, die auf die neuen Bedrohungen in der Welt »proaktiv« reagiert, »um Konflikte vor ihrer Entstehung zu stoppen«. (Zeit online, 7.2.2009) Um hierfür die NATO künftig schlagkräftiger zu machen, kristallisiert sich allmählich heraus, auf welche Weise die bündnisinternen Strukturen und Entscheidungsprozesse »reformiert« werden sollen. Sowohl ein einflußreiches Papier fünf ehemaliger NATO-Generäle als auch Aussagen von Jones und eine gemeinsame Studie von vier der wichtigsten amerikanischen Denkfabriken nennen unisono folgende Punkte: Abschaffung des Konsensprinzips (zumindest auf allen Ebenen unterhalb des NATO-Rats); Abschaffung der sogenannten caveats (engl., Einschränkungen, Vorbehalte), mit denen NATO-Länder ihren Truppen Vorgaben für ihr Verhalten bei Einsätzen der NATO machen können (z. B. indem Deutschland seinen Truppen – noch – verbietet, im Süden Afghanistan zu kämpfen); keine Mitspracherechte an NATO-Kriegen für jene Mitgliedsländer, die sich nicht an ihnen beteiligen; Übernahme der Einsatzkosten durch sämtliche NATO-Staaten und nicht nur durch diejenigen, die sich an einem Krieg beteiligen; Aufbau zivil-militärischer »Stabilisierungstruppen« zur Effektivierung künftiger Besatzungseinsätze.5


Forcierte EU-Aufrüstung

Bei ihrer Rede auf der Münchner »Sicherheitskonferenz« zeigte sich Kanzlerin Angela Merkel begeistert von der »rasanten Entwicklung« der EU-Militarisierung, mahnte zugleich aber deren weitere Forcierung an – hierfür sei die Verabschiedung des Vertrags von Lissabon eine wesentliche Bedingung, so Merkel. Beispielhaft fordert auch der Vatanen-Bericht, daß »die militärische Kapazität der EU sich zu einer glaubwürdigen Kraft entwickeln wird«. Hierfür wird vorgeschlagen, »ein operationelles EU-Hauptquartier (...) zu schaffen«. Außerdem wird gefordert, »daß auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten unbedingt mehr in die Verteidigung investiert werden muß«.

In diesem Zusammenhang wird von der US-Regierung klar und deutlich erwartet, daß sie ihre bisherige Blockadehaltung gegenüber eigenen EU-Militärkapazitäten beendet – auch das ist Teil des neuen Handels. Schon unter Clinton und noch mehr unter Bush wurde die EU-Militärpolitik auch als Bedrohung empfunden und nach Kräften torpediert. Noch vor wenigen Jahren hatte Bush-Intimus John Bolton die EU-Militarisierung als »Dolch in den Rücken der NATO« bezeichnet. Seither hat sich einiges verändert, wie Joseph Bidens jüngste Aussagen in München verdeutlichen: »Wir unterstützen ebenfalls die Stärkung der europäischen Verteidigungskapazitäten, eine größere Rolle der Europäischen Union hinsichtlich des Erhalts von Frieden und Sicherheit (sowie) eine substantiell stärkere NATO-EU-Partnerschaft.«

So zeichnet sich der allgemeine Rahmen der neuen transatlantischen Partnerschaft ab: mehr von allem, mehr NATO, mehr EU-Militarisierung und vor allem: mehr Kriege!


Irak, Kosovo, Afghanistan

Entgegen der weit verbreiteten Annahme, ­Obama beabsichtige einen Abzug aus dem Irak, hat dieser stets betont, eine Kerntruppe (»residual force«) dauerhaft im Land zu belassen. Nachdem der alte und neue Verteidigungsminister Robert Gates in einem Interview präzisierte, 40000 US-Soldaten könnten noch »für Jahrzehnte« dort verbleiben (Washington Post, 11.12.2008), ist klar, daß die Besatzung noch sehr lange andauern wird. Umso gravierender ist deshalb, daß der Europäische Rat nicht einmal eine Woche nach Obamas Wahl beschlossen hat, daß die EU-Ausbildungsmission EUJUST LEX für Richter, Polizisten und wahrscheinlich auch Militärs ab Mitte 2009 erstmals auch innerhalb des Irak tätig werden und damit den USA bei der Besatzung direkter unter die Arme greifen soll. Nach den schweren Konflikten um die direkte Beteiligung am Irak-Krieg ist dies ein Schritt mit erheblicher Symbolwirkung – sowohl gegenüber den USA als auch gegenüber dem Rest der Welt. Eine ähnliche Entscheidung fällte der Nordatlantikrat im Dezember 2008. Danach soll die »NATO Training Mission in Iraq« künftig innerhalb des Landes agieren, um die »Absicherung der Grenzen«, eine »Verteidigungsreform« und den Aufbau von »Verteidigungsinstitutionen« zu unterstützen.

Auch im Kosovo arbeiten NATO und EU bei der Absicherung der völkerrechtswidrigen Abspaltung von Serbien Hand in Hand. Schon im Herbst 2008 haben die USA und die EU ein Abkommen geschlossen, mit dem sich die USA an der EU-Mission EULEX im Kosovo beteiligt. Dieses Abkommen ist bisher einmalig, in seiner Tendenz aber richtungsweisend: Erstmals nehmen die Vereinigten Staaten an einer »zivilen« EU-Mission der teil. Im Januar 2009 haben darüber hinaus die NATO-Truppe KFOR und die EU-Mission EULEX ihr erstes gemeinsames Manöver zur Aufstandsbekämpfung im Kosovo abgehalten.

Der eigentliche Knackpunkt wird jedoch der Krieg in Afghanistan sein, denn nicht nur für Kanzlerin Merkel ist er der »Lackmustest für ein erfolgreiches Krisenmanagement und für eine handlungsfähige NATO«.6 Schon bei seiner Rede in Berlin im Sommer 2008 hatte Barack Oba­ma eine massive Aufstockung der US-Truppen angekündigt und gleichzeitig unterstrichen, er wolle »diese Verpflichtung dazu nutzen, um von den NATO-Verbündeten größere Beiträge – mit weniger Einschränkungen (caveats) – einzufordern.« (New York Times, 15.7.2008) So kam die US-Entscheidung im Vorfeld des Treffens der ­NATO-Verteidigungsminister in Krakow am 19./20. Februar wenig überraschend, 17000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu entsenden (weitere 13000 sollen wohl noch folgen).

Italien, Frankreich und Deutschland erhöhten ihre Kontingente kurz darauf ebenfalls. Von deutscher Seite wurden 600 weitere Bundeswehrsoldaten zugesagt. 400 von ihnen sind für die Schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force) vorgesehen, die im Norden Afghanistans für die Aufstandsbekämpfung zuständig ist. Die zentrale Debatte dürfte jedoch – nach der Bundestagswahl – darum gehen, ob der wichtigsten US-Forderung, daß Bundeswehrsoldaten auch im heftig umkämpften Süden eingesetzt werden, nachgekommen wird. Leider steht genau dies zu befürchten, denn auf keinen Fall möchte man das Zustandekommen des transatlantischen New Deals an einem mangelnden Kriegswillen in Afghanistan scheitern lassen – dafür ist die Angelegenheit zu wichtig. So betont der »European Council on Foreign Relations«: »Die Frage wird wohl in Washington als Lackmustest angesehen werden, ob die Europäer als strategische Partner ernst genommen werden sollten. Somit dürfte die europäische Reaktion die trans­atlantischen Sicherheitsbeziehungen auf lange Sicht, also die nächsten vier oder acht Jahre, beeinflussen.«7


Im selben Boot

Letztlich wähnen sich die USA und die Europäi­sche Union im selben Boot. Das beiderseitige Interesse am Erhalt und der Absicherung bestehender Ausbeutungsstrukturen sorgt dafür, daß die – zweifellos vorhandenen – Interessenkonflikte zumindest vorläufig in den Hintergrund treten und die transatlantischen Reihen wieder geschlossen werden. Exemplarisch für diese neue Sichtweise ist das bereits erwähnte Dokument der fünf ehemaligen NATO-Generäle, die ihre militaristische Wunschliste folgendermaßen begründen: »Womit sich die westlichen Verbündeten konfrontiert sehen, ist eine langanhaltende, proaktive Verteidigung ihrer Gesellschaften und ihrer Lebensart. Hierfür müssen sie die Risiken auf Distanz halten und gleichzeitig ihr Heimatland (homeland) beschützen.«8

1 Gowan, Richard/Brantner, Franziska: A Global Force for Human Rights?, ECFR, September 2008, S. 5
2 Kagan, Robert: Die Demokratie und ihre Feinde, Bonn 2008, S. 96 f.
3 der Entwurf des Vatanen-Berichts, der nur in Details von der im EU-Parlament verabschiedeten Fassung abweicht, ist im Internet nachzulesen unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+COMPARL+PE-414.153+01+DOC+WORD+V0//DE&language=DE
4 SWP-Studie, Februar 2009, S. 6
5 Vgl. The Washington NATO Project: Alliance Reborn, Februar 2009; Naumann, Klaus u. a.: Towards a Grand Strategy for an Uncertain World, tinyurl.com/5bujl9; An interview with General James L. Jones, NATO Defense College, Research Paper, Januar 2008
6 Merkel, Angela: Handlungsfähigkeit der NATO stärken, 25.10.2006, URL: tinyurl.com/58kwyf
7 Korski, Daniel: Enhancing the EU’s role in Afghanistan, ECFR, 5.11.2008
8 Naumann u. a. 2008, S. 42 f.

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