Für eine strikte Trennung von EU und NATO

Argumentationspapier zum Vatanen-Bericht und darüber hinaus, 06. März 2009
Von Tobias Pflüger

1. Das Minderheitenvotum zum Vatanenbericht fordert eine strikte Trennung von NATO und EU, warum?
Die NATO ist ein Militärbündnis, definitionsgemäß liegt ihr Fokus demnach darauf, wie sie ihre Militärmacht nutzen kann, um für die Interessen ihrer Mitgliedsländer zu kämpfen. Des Weiteren sind Militärallianzen wie die NATO ihrer Natur nach ausschließende Organisationen, welche dadurch Fronten zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern schaffen. Das gilt umso mehr, als die NATO immer häufiger ihre Militärmacht in so genannten „out-of-area“ - Einsätzen rund um den Globus nutzt.

Wenngleich im Namen des Friedens und der Sicherheit durchgeführt, haben diese aggressiven Einsätze desaströse Auswirkungen für die angegriffenen Staaten – siehe Afghanistan, das momentan offensichtlichste Beispiel. Obwohl die alleinige Entscheidungsmacht zur Autorisierung von Militäreinsätzen in den Verantwortungsbereich des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen fällt, macht die NATO den Anspruch geltend, das „Recht“ zu haben, ohne UN-Mandat zu intervenieren (wie dies 1999 der Fall war, als die NATO Jugoslawien angriff). Mit ihrem „Might-makes-Right“ - Ansatz unterminiert und verletzt die NATO massiv internationales Recht.

In diesem Sinn erhöht jedes Bestreben, die Beziehungen zwischen NATO und EU auszubauen, das Potenzial für internationale Konflikte. Es würde auch zu einer weiteren Militarisierung der Außenpolitik der Europäischen Union führen, sowie die Tendenz forcieren, militärische Macht zur „Konfliktlösung“ und zur Durchsetzung der Interessen jener, die die Interessen der Staaten beeinflussen, anzuwenden – all das auf Kosten der großen Mehrheit der Bevölkerung der Europäischen Union und auf der Welt.

2. Was sollte, ihrer Meinung nach, die Rolle der EU in Sicherheitsfragen sein?
Zurzeit unterstützt die Mehrheit der Eliten eine weitere Militarisierung der Europäischen Union. Als Rechtfertigung argumentieren die einen offen, dass die Europäische Union ihre strategischen, politischen und wirtschaftlichen Interessen durch militärische Macht durchsetzen müsste. Andere Argumentationen wie die von Ari Vatanen, scheinen auf Hobbes’scher Weltsicht zu basieren, in der sich die Europäische Union für einen immerwährenden Krieg „Alle gegen Alle“ vorbereiten muss. Wie Vatanen in der Begründung zu seinem Bericht schreibt: “Wir würden uns selbst betrügen, wenn wir der Auffassung wären, dass die menschliche Natur sich in den letzten paar 1 000 Jahren zum Besseren gewendet hat. Der Mensch möchte immer noch Macht über seinen Nachbarn ausüben, sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene, was oft zu katastrophalen Folgen für das Wohl aller führt.“

Auf Weltansichten wie dieser basierend, plädieren Vatanen und viele andere für eine weitere Militarisierung der Außenpolitik der Europäischen Union. Sie fordern mehr militärische Kapazitäten, ein ständiges Hauptquartier, mehr militärische Interventionen und so fort, wodurch die Zunahme der Konflikte zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird. Die Europäische Union entsendet schon jetzt immer öfters ihre Truppen im Rahmen der so genannten Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu Missionen ins Ausland (bislang mehr als 20). Dieser Prozess wird voraussichtlich beschleunigt, wenn wir nicht zu einem fundamentalen Bruch mit dem wachsenden Militarismus innerhalb der Europäischen Union kommen.

Zu diesem Zweck plädiere ich für eine europäische Außenpolitik, welche auf den Prinzipien der Gewaltfreiheit, Nicht-Intervention, der friedvollen Lösung von Konflikten und der strikten Einhaltung des internationalen Rechts basiert. Ich argumentiere für eine zivile Europäische Union, welche ihr Geld für zivile und soziale Zwecke anstatt für militärische Mittel verwendet – wodurch ihr ermöglicht wird, die Ursachen der Konflikte zu bekämpfen – vor allem die Armut. Dieser politische Ansatz erfordert eine weitestmögliche Distanzierung von den militärischen Ansätzen der NATO, und das ist der Grund dafür, warum ich gegen den Ausbau der ohnehin schon intensiven Kooperation dieser Organisationen bin.

3. Wie wird sich eine engere EU-NATO Kooperation auf jene EU-Mitgliedstaaten auswirken, die keine NATO Mitglieder sind?
Nun, all jene, die für eine engere EU-NATO Zusammenarbeit sind, argumentieren gleichzeitig unter der Bedingung, dass die existierenden militärischen Kapazitäten weiter entwickelt werden und die Ressourcen welche für militärische Kapazitäten massiv aufstockt werden müssen. So wären alle EU-Staaten, NATO-Mitglied oder nicht, einem enormen Druck ausgesetzt ihr Militärbudget zu erhöhen und schließlich NATO-kompatible Rüstungsgüter bei den großen Waffenunternehmen zu kaufen. Darüberhinaus würde der Druck wachsen, der NATO oder ihrer light version, ironischer weise „Partnerschaft für den Frieden“ (PfP) genannt, beizutreten. Die ehemals neutralen Staaten nehmen bereits daran teil – das letzte EU-Mitglied - Zypern - das keinerlei Verbindung zur NATO hat, sieht sich zur Zeit mit einer vom Europäischen Parlament unterstützten Kampagne konfrontiert, welche den Beitritt zu diesem Instrument des NATO- Einflusses fordert.

Zusätzlich besteht das reale Risiko, dass EU-Mitgliedsstaaten welche keine Mitglieder der NATO sind, zukünftig keine Mitspracherechte mehr hätten, wie, wann und unter welchen Umständen EU-Kapazitäten bei der Unterstützung von NATO-Kriegen eingesetzt werden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Zurzeit wird ein Berlin-Plus-Reverse Abkommen diskutiert, welche einen permanenten Mechanismus für die NATO schaffen würde, zivile Kapazitäten der Europäischen Union zur Unterstützung von NATO-Missionen (sprich: Kriege) zu nutzen. Obwohl die konkreten Details solch eines Abkommens noch nicht geklärt sind – dennoch: im schlimmsten Fall hätten die EU-Mitgliedsstaaten keine Mitsprache ob Kapazitäten der Europäischen Union zur Unterstützung der NATO bereitgestellt werden.

Die NATO ist eine der ernsthaftesten Bedrohungen für Frieden und Sicherheit weltweit. Sie steht im Widerspruch zum Ziel Konflikte friedvoll zu lösen und gehört aus diesem Grund so schnell wie möglich abgeschafft. Die Europäische Union, welche bereits unglücklicherweise dem NATO-Ansatz im Bereich Frieden und Sicherheit nacheifert, sollte sich von diesem misslungenen Ansatz distanzieren.

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