Alle Hemmungen beim Waffenexport abgelegt - Öffentliches Hearing linker EU-Parlamentarier in Strasbourg. Alternatives Sicherheitssystem gefordert

Pressebericht in: junge Welt - 01.07.05 - Rainer Rupp

Mit »Waffenexporten in der Europäischen Union« beschäftigten sich europäische Linke am Mittwoch in Strasbourg. Die Fakten stellte EU-Abgeordneter Tobias Pflüger vor. Demnach tätigten Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Schweden als die wichtigsten Waffenexporteure in der EU in den Jahren 1994–2001 ein Drittel aller weltweit abgeschlossenen Rüstungsgeschäfte. Mit der EU-Erweiterung sei inzwischen auch der Anteil am globalen Rüstungsexportmarkt gestiegen. Mittlerweile exportiere die EU mehr Waffen als die USA.

Während des öffentlichen Hearings, zu dem die Linksfraktion (GUE/NGL) im Europäischen Parlament eingeladen hatte, verwies Lühr Henken vom Kasseler Friedensratschlag auf die besondere deutsche Rolle beim Rüstungsexport. Zwar hätte dieser schon unter der Kohl-Regierung einen kräftigen Anschub bekommen, aber erst mit SPD und Grünen seien »alle Hemmungen« gefallen, besonders beim Export von Kleinwaffen, der sich seither fast verdoppelt habe. Einen Beitrag dazu leistet das deutsche Haushaltsgesetz. Demnach ist dem Staat »die Verschrottung von ausgemusterten Waffen« verboten. Zugleich sei vorgeschrieben, daß Waffen ebenso wie zivile Güter bei Ausmusterung vom Bund zum Verkauf angeboten werden müssen. Darauf wies Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) hin. Eine Revision des Haushaltsgesetzes wegen der »tödlichen Langzeitwirkung« von Waffenexporten sei also dringend geboten, schlußfolgerte Nassauer.

Nach Einschätzung des ehemaligen schwedischen EP-Abgeordneten Prof. Herman Schmid sind Waffenexporte in der EU heute weitgehend kommerzialisiert und kein Bestandteil der »traditionellen Sicherheitspolitik« mehr. Ausnahme sei Frankreich, weil dort die Rüstungsindustrie noch weitgehend unter Kontrolle des Staates steht. In allen übrigen Ländern würde die Förderung von Waffenexporten als ganz normale Industrieförderung gesehen. Der spanische Abgeordnete Willy Meyer fand, daß die Europäer mit den USA kaum noch durch »gemeinsame Werte« verbunden seien. Deswegen müßten die Europäer schleunigst ein »alternatives, entmilitarisiertes Sicherheitssystem« entwickeln und Schluß machen mit der »grenzenlose Aufrüstung«.

Das Hearing beschäftigte sich zudem insbesondere mit der Rolle der neuen europäischen Rüstungsagentur und der Formulierung eines gemeinsamen EU-Verhaltenskodexes für die Zukunft der EU-Waffenexporte. Christopher Steinmetz (BITS) ging dabei davon aus, daß der strukturelle Einfluß der Agentur auf die EU-Rüstungsindustrie »stark und nachhaltig« sein wird. Derweil verwies Pflüger darauf, daß die EU-Rüstungsagentur derzeit in einem »halb-rechtsfreien Raum« operiert. Der Chef der Agentur, Nick Witney, sei bisher allen Fragen nach der Rechtsgrundlage der Agentur ausgewichen.

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