Strafe für politisches Handeln?
Interview in: Neues Deutschland, 18. Mai 2006
Tobias Pflüger, parteiloser Abgeordneter der Linkspartei.PDS im Europäischen Parlament, über den Entzug seiner parlamentarischen Immunität
Am Dienstag hat das Europäische Parlament Ihre Immunität aufgehoben. Warum?
Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren der Münchener Staatsanwaltschaft. Im Jahr 2005 hatte in der Stadt wie üblich eine Demonstration gegen die NATO-Sicherheitskonferenz stattgefunden, an der sich etwa 8000 Menschen beteiligten. Am Ende der Protestveranstaltung hatte die Polizei offenbar ihr Quorum an Verhaftungen noch nicht erfüllt und deshalb wahllos Teilnehmer und Teilnehmerinnen herausgegriffen. Unter anderem wurde einer der Sänger, die zuvor aufgetreten waren, unglaublich brutal festgenommen. Ich habe mich dann bei der Polizei als Europaabgeordneter ausgewiesen und um Auskunft gebeten, wer, warum und weshalb in dieser Form festgenommen wurde. Gegen die übliche Praxis erhielt ich diese Informationen aber nicht. Ich habe dann die Namen der Polizisten oder zumindest die der entsprechenden Einheit verlangt, damit ich mich beschweren kann.
Und dies rechtfertigt ein Ermittlungsverfahren?
Meine Vermutung ist, dass die betroffenen zwei Polizisten damit gerechnet haben, ein Verfahren zu bekommen. Vor diesem Hintergrund haben sie sich offensichtlich eine Geschichte ausgedacht. So hätte ich mich nicht ausgewiesen - eine Behauptung, die durch Zeugen widerlegt werden kann. Außerdem soll ich die Polizeiangehörigen beleidigt haben. Besonders absurd ist der Vorwurf der Körperverletzung. Die soll darin bestanden haben, dass ich die Hand eines Polizisten von meiner Schulter gestoßen hätte. Eine Berührung zwischen uns fand jedoch nie statt.
Trägt die Staatsanwaltschaft eine persönliche Fehde aus?
Es ist relativ eindeutig, dass es eine so genannte fortgesetzte Verfolgung meiner Person gibt. 1999 hatte ich ein Verfahren wegen des Aufrufs zur Desertion im Zusammenhang mit dem Jugoslawien-Krieg bekommen. Auch 2003 und 2004 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen mich. Alle Verfahren wurden eingestellt oder endeten mit Freisprüchen. Interessant ist, dass es im EU-Parlament die Regelung gibt, gegen fortgesetzte Verfolgung das Instrument der Immunität einzusetzen.
Gegen diese Regel hat die Parlamentsmehrheit aber verstoßen.
Die Abgeordneten, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unserer Fraktion haben vor den entsprechenden Abstimmungen zahlreiche Gespräche geführt. Dafür im übrigen mein ausdrücklicher Dank an alle in meiner Fraktion, alle haben sehr gut für mich gekämpft. Wir hatten Zusagen von Sozialdemokraten und Grünen zur Unterstützung der Rücküberweisung des Vorgangs in den Rechtsausschuss. Diese Zusage wurde jedoch vom sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden Martin Schulz nicht eingehalten. Hintergrund scheint zu sein, dass einige konservative Abgeordnete den "Fall" vor Gericht sehen und mir politisch "eins auswischen" wollen. Aber gerade so etwas sollte ja mit der Immunitätsregelung verhindert werden.
Gab es bereits vergleichbare Fälle des Immunitätsentzugs?
Nein. Selbstverständlich wurde bei kriminellen Vergehen oder bei selbst verursachten Autounfällen die Immunität aufgehoben, aber immer mit Zustimmung der Betroffenen. Bei mir wurde erstmals ein politisches Agieren mit der Aufhebung der Immunität beantwortet.
Wie gehen Sie jetzt weiter vor?
Wir warten erst einmal auf die "Beweise" der Staatsanwaltschaft. Bisher hat sie ja nur Behauptungen aufgestellt. Gegen die Verleumdungen werde ich mich zur Wehr setzen.
Fragen: Uwe Sattler
Tobias Pflüger, parteiloser Abgeordneter der Linkspartei.PDS im Europäischen Parlament, über den Entzug seiner parlamentarischen Immunität
Am Dienstag hat das Europäische Parlament Ihre Immunität aufgehoben. Warum?
Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren der Münchener Staatsanwaltschaft. Im Jahr 2005 hatte in der Stadt wie üblich eine Demonstration gegen die NATO-Sicherheitskonferenz stattgefunden, an der sich etwa 8000 Menschen beteiligten. Am Ende der Protestveranstaltung hatte die Polizei offenbar ihr Quorum an Verhaftungen noch nicht erfüllt und deshalb wahllos Teilnehmer und Teilnehmerinnen herausgegriffen. Unter anderem wurde einer der Sänger, die zuvor aufgetreten waren, unglaublich brutal festgenommen. Ich habe mich dann bei der Polizei als Europaabgeordneter ausgewiesen und um Auskunft gebeten, wer, warum und weshalb in dieser Form festgenommen wurde. Gegen die übliche Praxis erhielt ich diese Informationen aber nicht. Ich habe dann die Namen der Polizisten oder zumindest die der entsprechenden Einheit verlangt, damit ich mich beschweren kann.
Und dies rechtfertigt ein Ermittlungsverfahren?
Meine Vermutung ist, dass die betroffenen zwei Polizisten damit gerechnet haben, ein Verfahren zu bekommen. Vor diesem Hintergrund haben sie sich offensichtlich eine Geschichte ausgedacht. So hätte ich mich nicht ausgewiesen - eine Behauptung, die durch Zeugen widerlegt werden kann. Außerdem soll ich die Polizeiangehörigen beleidigt haben. Besonders absurd ist der Vorwurf der Körperverletzung. Die soll darin bestanden haben, dass ich die Hand eines Polizisten von meiner Schulter gestoßen hätte. Eine Berührung zwischen uns fand jedoch nie statt.
Trägt die Staatsanwaltschaft eine persönliche Fehde aus?
Es ist relativ eindeutig, dass es eine so genannte fortgesetzte Verfolgung meiner Person gibt. 1999 hatte ich ein Verfahren wegen des Aufrufs zur Desertion im Zusammenhang mit dem Jugoslawien-Krieg bekommen. Auch 2003 und 2004 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen mich. Alle Verfahren wurden eingestellt oder endeten mit Freisprüchen. Interessant ist, dass es im EU-Parlament die Regelung gibt, gegen fortgesetzte Verfolgung das Instrument der Immunität einzusetzen.
Gegen diese Regel hat die Parlamentsmehrheit aber verstoßen.
Die Abgeordneten, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unserer Fraktion haben vor den entsprechenden Abstimmungen zahlreiche Gespräche geführt. Dafür im übrigen mein ausdrücklicher Dank an alle in meiner Fraktion, alle haben sehr gut für mich gekämpft. Wir hatten Zusagen von Sozialdemokraten und Grünen zur Unterstützung der Rücküberweisung des Vorgangs in den Rechtsausschuss. Diese Zusage wurde jedoch vom sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden Martin Schulz nicht eingehalten. Hintergrund scheint zu sein, dass einige konservative Abgeordnete den "Fall" vor Gericht sehen und mir politisch "eins auswischen" wollen. Aber gerade so etwas sollte ja mit der Immunitätsregelung verhindert werden.
Gab es bereits vergleichbare Fälle des Immunitätsentzugs?
Nein. Selbstverständlich wurde bei kriminellen Vergehen oder bei selbst verursachten Autounfällen die Immunität aufgehoben, aber immer mit Zustimmung der Betroffenen. Bei mir wurde erstmals ein politisches Agieren mit der Aufhebung der Immunität beantwortet.
Wie gehen Sie jetzt weiter vor?
Wir warten erst einmal auf die "Beweise" der Staatsanwaltschaft. Bisher hat sie ja nur Behauptungen aufgestellt. Gegen die Verleumdungen werde ich mich zur Wehr setzen.
Fragen: Uwe Sattler
Tobias Pflüger - 2006/05/18 14:26
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