Alte Krieger, neue Kappen

Pressebericht Junge Welt, 6. Februar2009
Bündnis plant Großdemo gegen sogenannte Münchner Sicherheitskonferenz. Grüne diffamieren Kriegsgegner als Antisemiten
Von Nick Brauns

Zur mittlerweile 45. Münchner »Sicherheitskonferenz« verwandelt sich die Münchner Innenstadt am heutigen Freitag in eine Polizeifestung. 3 700 Beamte sind im Einsatz, um rund um das Tagungshotel Bayerischer Hof eine Sperrzone zu errichten. Dazu kommt eine noch unbekannte Zahl von Bundeswehrsoldaten, die bereits in den vergangenen Jahren das Hausrecht auf der offiziell als Privatveranstaltung organisierten Konferenz von NATO-Militärs, hochrangigen Politikern und Rüstungslobbyisten ausübten.

Neuer Leiter der vom Bund hochsubventionierten Konferenz ist Wolfgang Ischinger. Als »Generalbevollmächtigter für Regierungsbeziehungen« des Allianz-Versicherungskonzerns personifiziert der ehemalige Botschafter in Washington und frühere Kosovo-Beauftragte der EU die Verbindung von Kriegspolitik und Finanzkapital.

In der Presse wird die diesjährige sogenannnte Sicherheitskonferenz bereits jetzt als eine Art Friedensgipfel »auf der Suche nach einer neuen Weltordnung« (Spiegel online) hochgejubelt. Unter den rund 300 Konferenzteilnehmern aus über 50 Ländern befinden sich neben Militärs auch NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sowie 13 Staats- und Regierungschefs und 50 Minister. Erwartet werden US-Vizepräsident Joe Biden, der französische Staatschef Nicolas Sarkozy, Polens Ministerpräsident Donald Tusk, Bundeskanzlerin Angela Merkel, der afghanische Präsident Hamid Karsai und Rußlands Vizeministerpräsident Sergej Iwanow. Konferenzleiter Ischinger wertet es als »bedeutsames Signal«, daß sich die neue amerikanische Regierung dazu entschieden hat, ihren ersten Auftritt in außen- und sicherheitspolitischen Fragen außerhalb Amerikas, durch ihren Vizepräsidenten in München durchzuführen.

Dabei könnten die hohen Erwartungen in die neue US-Administration schnell enttäuscht werden. So setzt US-Präsident Barack Obama trotz eines angekündigten Verzichts auf den vorgelagerten Raketenschirm weiterhin auf die NATO-Osterweiterung, während die Westeuropäer wie im jüngsten Gasstreit die Folgen dieser gegen Rußland gerichteten Einkreisungspolitik tragen müssen.

Thema wird auch Afghanistan sein. Aufgrund der zunehmenden Stärke des afghanischen Widerstands will US-Präsident Obama die NATO-geführte ISAF-Truppe von derzeit 55000 auf 70000 Soldaten aufstocken und fordert von den europäischen NATO-Staaten zumindest mehr Hilfe beim Aufbau der zivilen Kolonialverwaltung am Hindukusch.

Spekuliert wird darüber, ob es am Rande der Konferenz zu einem ersten Treffen zwischen US-Vertretern und Iranern kommen könnte, die mit Außenminister Manouchehr Mottaki und dem ehemaligen Atomunterhändler und jetzigen Parlamentspräsidenten Ali Laridschani eine hochrangige Delegation stellen. Ein Treffen mit US-Vizepräsident Joe Biden in München schloß Mottaki gegenüber der iranischen Nachrichtenagentur IRNA zwar offiziell aus, doch zugleich betonte er die Wichtigkeit einer Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA.

Ein von mehreren Bundestagsabgeordneten sowie dem Europaabgeordneten der Linken Tobias Pflüger unterstütztes »Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz« aus rund 80 Organisationen, von Autonomen über DKP und Linkspartei bis zur Deutschen Friedensgesellschaft DFG/VK sowie türkischen und kurdischen Organisationen, ruft zu Protesten »gegen die NATO-Kriegspolitik« auf. Ischinger sei der »Weißwäscher der NATO«, widerspricht Demo-Organisator Claus ­Schreer (DKP) dessen Behauptungen, die »Sicherheitskonferenz« diene der Kriegsprävention. Es gehe lediglich darum, »wie die NATO ihre Kriege betreibt.«

Zur Großdemonstration am Samstag werden rund 5 000 Teilnehmer erwartet. Erstmals fordert auch die Gewerkschaft ver.di ihre Mitglieder zur Bildung eines Gewerkschaftsblocks auf.

Unterdessen diffamierten die bayerischen Grünen in einem offenen Brief an das Münchner Friedensbündnis die geplanten Proteste. Weil auch Israels Krieg gegen Gaza thematisiert und palästinensische Gruppen erwartet werden, befürchten der Landesvorsitzende der Grünen Dieter Janecek und der Münchner Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe Jerzy Montag, »daß bei den Protestaktionen Antisemitismus laut wird und zu Gewalt gegen Jüdinnen und Juden aufgerufen wird.«

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