Öffentliche Anhörung
Ausmaß, Folgen, Gefahren und Risiken der militärischen Nutzung des
Flughafens Leipzig/Halle als zentrales ‚Drehkreuz für US-Militär’
Öffentliche Anhörung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE
Sächsischer Landtag, Drs. 4/14663
Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Peter Becker, Marburg, Vorsitzender der International
Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA), Deutsche Sektion
Ich äußere mich insbesondere zu den Fragen 1, 4 und 7 des Antrags und den Auskünften
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 13.03.2009.
Zur Frage 1:
Hier geht es insbesondere um die Nutzung des Flughafens Leipzig-Halle durch USStreitkräfte
für Truppentransporte aus den USA. Die Landesregierung sagt dazu, es fänden
ausschließlich Flüge „ziviler amerikanischer Fluggesellschaften statt, die Soldaten beim Hinflug
zu Einsatzgebieten und Rückflügen in die USA nutzen“.
Das Bundesverwaltungsgericht teilt in seinem Urteil vom 24.07.2008 zum Planfeststellungsbeschluss
für den Nachtflugbetrieb mit, dass der Planfeststellungsbeschluss Regelungen
trifft für
• „Flüge aufgrund polizeilicher oder militärischer Anforderungen zur
Erfüllung innerstaatlicher Aufgaben oder zur Erfüllung von Bündnisverpflichtungen
der Bundesrepublik Deutschland (4.7.3.6)
• Flüge aufgrund militärischer Anforderung zur Erfüllung internationaler
Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland oder von
Aufgaben aufgrund von Initiativen oder Mandaten der Europäischen
Union, der Vereinten Nationen oder der NATO (4.7.3.7)
• Sonstige Flüge aufgrund militärischer Anforderung, für die eine
Einflugerlaubnis der jeweils zuständigen deutschen Behörde vorliegt.“
„Aufgrund militärischer Anforderung …“! In den Gründen wird ergänzend mitgeteilt, dass der
Flughafen Leipzig-Halle besonders geeignet sei, derartige Verkehre abzuwickeln. Er sei sicher,
die Start- und Landebahnen seien für Flugzeuge von der Größe der MD11 ausreichend
lang. Es bestehe ein Nachtflugbedarf:
„Seit dem 23. Mai 2006 finden An- und Abflüge ziviler USamerikanischer
Fluggesellschaften statt, die US-Militärpersonal
hauptsächlich zwischen verschiedenen zivilen und militärischen Flughäfen
der USA und dem Nahen bzw. Mittleren Osten befördern.
Hauptdestination in Asien ist der Verkehrsflughafen Kuwait. Der Flughafen
Leipzig/Halle wird für technische Zwischenlandungen genutzt.“
Die Regelungen im Planfeststellungsbeschluss und die Ausführungen in den Gründen legen
nahe, dass jeweils in großem Umfang Soldaten über Leipzig/Halle befördert werden.
Aus alledem ergibt sich die Frage, welche Kenntnisse das zuständige Luftfahrtbundesamt
über diese Flüge hat; welche konkreten Anträge gestellt und welche Erlaubnisse erteilt wurden.
Im Urteil heißt es, es seien
„Einflugerlaubnisse nach § 2 Abs. 7 LuftVG erforderlich, die laut Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss
jeweils vom Luftfahrtbundesamt
als zuständiger Behörde erteilt werden“ (ETFB S. 74, Urteil Rz. 81).
Es kommt also darauf an, in welchem Umfang dem Sächsischen Innenministerium konkrete
Auskünfte erteilt wurden. Ich bin überdies der Auffassung, dass ein Abgeordneter des Sächsischen
Landtags einen eigenständigen Auskunftsanspruch gegenüber dem Luftfahrt-
Bundesamt hat.
Zur Frage 4:
Die Fragesteller problematisieren die Vereinbarkeit der Flugbewegungen aufgrund militärischer
Anforderung mit den Vorschriften des Zwei-Plus-Vier-Vertrages von 1990. Das ist sicher
richtig. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht insbesondere
das völkergewohnheitsrechtliche Gewaltverbot, das nach Art. 25 GG als innerstaatliches
Recht gilt, als maßgebliche Rechtsgrundlage sieht:
„Die Erlaubnis ist jedenfalls zu versagen, wenn die Benutzung des
deutschen Luftraums die öffentliche Sicherheit, zu der auch die allgemeinen
Regeln des Völkerrechts gehören, gefährden würde. Gemäß
§ 96a Abs. 1 S. 1 LuftVZO kann die Erlaubnisbehörde auch bei
erlaubnisfreien Flügen den Einflug in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik
Deutschland untersagen, u. a. wenn der Verdacht besteht,
dass der Verkehr die öffentliche Sicherheit stört oder geeignet ist,
Handlungen zu dienen, die verfassungswidrig i. S. d. Art. 26 Abs. 1
GG sind. Luftfahrzeuge, die an einem gegen das völkergewohnheitsrechtliche
Gewaltverbot verstoßenden militärischen Einsatz bestimmend
mitwirken, darf die Benutzung des deutschen Luftraums nicht
gestattet werden.“ (Rz. 86)
Das Bundesverwaltungsgericht hält es für nötig, die Nutzung des deutschen Flugraums zu
untersagen, wenn „Luftfahrzeuge bestimmend mitwirken“ in einem rechtswidrigen Angriffskrieg.
Gilt das für Militärflugzeuge oder auch für zivile Flugzeuge entsprechend ihrem bestimmungsgemäßen
Zweck? Ich würde eher zu einer weiteren Auslegung neigen, weil unter
dem Blickwinkel des Gewaltverbots die logistische Bewegung maßgeblich ist. Es kommt
nicht darauf an, ob es sich um ein Zivil- oder ein Militärflugzeug handelt. Gerade wenn ein
Krieg wie vom Umfang des Irak-Kriegs geführt wird, ergeben sich sehr hohe Transportanforderungen,
die die US-Luftwaffe, um die es hier geht, sicherlich nicht mit eigenem Gerät befriedigen
kann.
Mithin sind auch zivile Flüge grundsätzlich erfasst. Das Luftfahrt-Bundesamt muss also bei
solchen Flügen zusätzlich fragen, für welche Zwecke die Flugbewegungen benötigt werden.
Zur Frage 7:
Die nächste Frage ist, welche Flugbewegungen des US-Militärs in der Vergangenheit und
aktuell betroffen sind.
In der Vergangenheit waren es sicherlich Flüge im Zusammenhang mit der Kriegführung im
Irak, die das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 21. Juni 2005 (NJW 2006, 77 ff.) als
völkerrechtswidrig eingestuft hat. Aktuell muss man diese und die Flüge im Rahmen der
Operation Enduring Freedom (OEF) näher betrachten:
Der Irak-Krieg ist zwar nach Auffassung der Amerikaner beendet. Jedoch hält sich die USArmee
als Besatzungsmacht im Lande weiter auf. Dieses Besatzungsregime nimmt m. E. an
der rechtswidrigen Kriegführung teil. Ob es eine völkerrechtlich bindende Ablösung des Besatzungsregimes
durch die Regierung Maliki und eine Art „Legalisierung“ gibt, müsste m. E.
weiter untersucht werden.
Die völkerrechtliche Legitimation der Kriegführung nach dem 11. September 2001 in Afghanistan
kann sich allein aus dem Selbstverteidigungsrecht gemäß Art. 51 der UN-Charta ergeben.
Zwar hat auch die NATO festgestellt, dass der Bündnisfall vorliegt. Die USA haben
sich aber entschlossen, den Krieg alleine zu führen. Festzuhalten bleibt, dass es auch keine
Ermächtigung des Sicherheitsrats gab.
Sehr fraglich war von Anfang an, ob ein Angriff gegen die USA vom Staat Afghanistan ausging.
Außerdem setzt die Inanspruchnahme des Selbstverteidigungsrechts voraus, dass der
Angriff gegenwärtig sein muss. Wenn keine weiteren Angriffe drohen, braucht man auch keine
Selbstverteidigung. Jedenfalls ist das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 ausdrücklich
auf die Zeit beschränkt, „bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und
der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat“. Derartige
Schritte hat der Sicherheitsrat in seiner Sitzung vom 28. September mit der Resolution 1373
beschlossen und konkrete Maßnahmen gegen die finanzielle Basis und logistische Unterstützung
von Terroristen eingeleitet. Damit war das Selbstverteidigungsrecht erloschen. Die
alleinige Kompetenz für militärische Maßnahmen lag beim Sicherheitsrat. Also war OEF in
Afghanistan rechtswidrig.
Die Kriegführung im Rahmen von OEF der USA hält allerdings an. Geprüft werden müsste,
inwieweit die Staaten Afghanistan und Pakistan, auf deren Territorium die Kriegführung stattfindet,
diese völkerrechtlich bindend genehmigt hat. Bezüglich Afghanistan bestehen insoweit
Zweifel, weil die Regierung erst Jahre nach dem Beginn der Kriegführung an die Macht
kam und den Krieg seither wohl einfach hinnimmt.
Für die deutschen Behörden bedeutet diese Unsicherheit, dass die völkerrechtliche Zulässigkeit
der Kriegführung im Rahmen von OEF in Afghanistan belastbar festgestellt sein
muss. Mir ist eine solche Feststellung nicht bekannt.
Damit stellt sich die Frage nach dem weiteren Vorgehen:
Sicherlich richtig ist es, dass zunächst der Sachverhalt aufgeklärt wird. Dafür kommen Auskunftsansprüche
von Abgeordneten im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit in Betracht. Fraglich
ist darüber hinaus, ob nicht auch Bürger einen Anspruch gegen die Bundesrepublik
Deutschland haben, jegliche logistische Unterstützung für eine fragwürdige Kriegführung zu
unterlassen.
Als Rechtsgrundlage für einen solchen Unterlassungsanspruch kommen insbesondere Art.
25 GG in Betracht, wo geregelt ist, dass die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts bindendes
innerstaatliches Recht sind, und Art. 26 Abs. 1 GG mit seinem Verbot, einen Angriffskrieg
zu führen. Diese Regeln sollten sich, wie insbesondere der Abgeordnete Carlo
Schmid im Parlamentarischen Rat ausgeführt hat, „unmittelbar an den einzelnen Deutschen
wenden, ihn berechtigend und verpflichtend“. Die Einzelheiten hat Prof. Dr. Andreas Fischer-
Lescano in einem Rechtsgutachten über „Militärbasen und militärisch genutzte Flughafen in
Deutschland“ untersucht, erstattet für die Fraktion DIE LINKE im Bundestag. Das bedeutet,
dass jeder Bürger einen solchen Unterlassungsanspruch geltend machen kann.
Allerdings muss man zuvor wissen, was zu unterlassen ist. Gibt es also einen entsprechenden
Auskunftsanspruch gegen das Luftfahrt-Bundesamt? Die Frage ist zu bejahen. Im Verwaltungsrecht
bestimmt sich die Rechtsstellung des einzelnen insbesondere nach § 24
VwVfG, wonach die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln muss. Der Bürger
hat einen Auskunftsanspruch über seine Rechte im Verwaltungsverfahren (§ 25). Er hat ein
Akteneinsichtsrecht. Daraus ergibt sich, dass das Luftfahrt-Bundesamt verpflichtet ist, den
Sachverhalt umfassend zu ermitteln und dem Bürger hierüber Auskunft zu geben. Eine solche
Auskunft wäre zu erstrecken auf die völkerrechtliche Qualifizierung der Flugbewegungen
in der Vergangenheit und die aktuellen sowie darüber, wie die Behörde vorzugehen gedenkt.
Flughafens Leipzig/Halle als zentrales ‚Drehkreuz für US-Militär’
Öffentliche Anhörung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE
Sächsischer Landtag, Drs. 4/14663
Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Peter Becker, Marburg, Vorsitzender der International
Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA), Deutsche Sektion
Ich äußere mich insbesondere zu den Fragen 1, 4 und 7 des Antrags und den Auskünften
des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 13.03.2009.
Zur Frage 1:
Hier geht es insbesondere um die Nutzung des Flughafens Leipzig-Halle durch USStreitkräfte
für Truppentransporte aus den USA. Die Landesregierung sagt dazu, es fänden
ausschließlich Flüge „ziviler amerikanischer Fluggesellschaften statt, die Soldaten beim Hinflug
zu Einsatzgebieten und Rückflügen in die USA nutzen“.
Das Bundesverwaltungsgericht teilt in seinem Urteil vom 24.07.2008 zum Planfeststellungsbeschluss
für den Nachtflugbetrieb mit, dass der Planfeststellungsbeschluss Regelungen
trifft für
• „Flüge aufgrund polizeilicher oder militärischer Anforderungen zur
Erfüllung innerstaatlicher Aufgaben oder zur Erfüllung von Bündnisverpflichtungen
der Bundesrepublik Deutschland (4.7.3.6)
• Flüge aufgrund militärischer Anforderung zur Erfüllung internationaler
Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland oder von
Aufgaben aufgrund von Initiativen oder Mandaten der Europäischen
Union, der Vereinten Nationen oder der NATO (4.7.3.7)
• Sonstige Flüge aufgrund militärischer Anforderung, für die eine
Einflugerlaubnis der jeweils zuständigen deutschen Behörde vorliegt.“
„Aufgrund militärischer Anforderung …“! In den Gründen wird ergänzend mitgeteilt, dass der
Flughafen Leipzig-Halle besonders geeignet sei, derartige Verkehre abzuwickeln. Er sei sicher,
die Start- und Landebahnen seien für Flugzeuge von der Größe der MD11 ausreichend
lang. Es bestehe ein Nachtflugbedarf:
„Seit dem 23. Mai 2006 finden An- und Abflüge ziviler USamerikanischer
Fluggesellschaften statt, die US-Militärpersonal
hauptsächlich zwischen verschiedenen zivilen und militärischen Flughäfen
der USA und dem Nahen bzw. Mittleren Osten befördern.
Hauptdestination in Asien ist der Verkehrsflughafen Kuwait. Der Flughafen
Leipzig/Halle wird für technische Zwischenlandungen genutzt.“
Die Regelungen im Planfeststellungsbeschluss und die Ausführungen in den Gründen legen
nahe, dass jeweils in großem Umfang Soldaten über Leipzig/Halle befördert werden.
Aus alledem ergibt sich die Frage, welche Kenntnisse das zuständige Luftfahrtbundesamt
über diese Flüge hat; welche konkreten Anträge gestellt und welche Erlaubnisse erteilt wurden.
Im Urteil heißt es, es seien
„Einflugerlaubnisse nach § 2 Abs. 7 LuftVG erforderlich, die laut Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss
jeweils vom Luftfahrtbundesamt
als zuständiger Behörde erteilt werden“ (ETFB S. 74, Urteil Rz. 81).
Es kommt also darauf an, in welchem Umfang dem Sächsischen Innenministerium konkrete
Auskünfte erteilt wurden. Ich bin überdies der Auffassung, dass ein Abgeordneter des Sächsischen
Landtags einen eigenständigen Auskunftsanspruch gegenüber dem Luftfahrt-
Bundesamt hat.
Zur Frage 4:
Die Fragesteller problematisieren die Vereinbarkeit der Flugbewegungen aufgrund militärischer
Anforderung mit den Vorschriften des Zwei-Plus-Vier-Vertrages von 1990. Das ist sicher
richtig. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht insbesondere
das völkergewohnheitsrechtliche Gewaltverbot, das nach Art. 25 GG als innerstaatliches
Recht gilt, als maßgebliche Rechtsgrundlage sieht:
„Die Erlaubnis ist jedenfalls zu versagen, wenn die Benutzung des
deutschen Luftraums die öffentliche Sicherheit, zu der auch die allgemeinen
Regeln des Völkerrechts gehören, gefährden würde. Gemäß
§ 96a Abs. 1 S. 1 LuftVZO kann die Erlaubnisbehörde auch bei
erlaubnisfreien Flügen den Einflug in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik
Deutschland untersagen, u. a. wenn der Verdacht besteht,
dass der Verkehr die öffentliche Sicherheit stört oder geeignet ist,
Handlungen zu dienen, die verfassungswidrig i. S. d. Art. 26 Abs. 1
GG sind. Luftfahrzeuge, die an einem gegen das völkergewohnheitsrechtliche
Gewaltverbot verstoßenden militärischen Einsatz bestimmend
mitwirken, darf die Benutzung des deutschen Luftraums nicht
gestattet werden.“ (Rz. 86)
Das Bundesverwaltungsgericht hält es für nötig, die Nutzung des deutschen Flugraums zu
untersagen, wenn „Luftfahrzeuge bestimmend mitwirken“ in einem rechtswidrigen Angriffskrieg.
Gilt das für Militärflugzeuge oder auch für zivile Flugzeuge entsprechend ihrem bestimmungsgemäßen
Zweck? Ich würde eher zu einer weiteren Auslegung neigen, weil unter
dem Blickwinkel des Gewaltverbots die logistische Bewegung maßgeblich ist. Es kommt
nicht darauf an, ob es sich um ein Zivil- oder ein Militärflugzeug handelt. Gerade wenn ein
Krieg wie vom Umfang des Irak-Kriegs geführt wird, ergeben sich sehr hohe Transportanforderungen,
die die US-Luftwaffe, um die es hier geht, sicherlich nicht mit eigenem Gerät befriedigen
kann.
Mithin sind auch zivile Flüge grundsätzlich erfasst. Das Luftfahrt-Bundesamt muss also bei
solchen Flügen zusätzlich fragen, für welche Zwecke die Flugbewegungen benötigt werden.
Zur Frage 7:
Die nächste Frage ist, welche Flugbewegungen des US-Militärs in der Vergangenheit und
aktuell betroffen sind.
In der Vergangenheit waren es sicherlich Flüge im Zusammenhang mit der Kriegführung im
Irak, die das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 21. Juni 2005 (NJW 2006, 77 ff.) als
völkerrechtswidrig eingestuft hat. Aktuell muss man diese und die Flüge im Rahmen der
Operation Enduring Freedom (OEF) näher betrachten:
Der Irak-Krieg ist zwar nach Auffassung der Amerikaner beendet. Jedoch hält sich die USArmee
als Besatzungsmacht im Lande weiter auf. Dieses Besatzungsregime nimmt m. E. an
der rechtswidrigen Kriegführung teil. Ob es eine völkerrechtlich bindende Ablösung des Besatzungsregimes
durch die Regierung Maliki und eine Art „Legalisierung“ gibt, müsste m. E.
weiter untersucht werden.
Die völkerrechtliche Legitimation der Kriegführung nach dem 11. September 2001 in Afghanistan
kann sich allein aus dem Selbstverteidigungsrecht gemäß Art. 51 der UN-Charta ergeben.
Zwar hat auch die NATO festgestellt, dass der Bündnisfall vorliegt. Die USA haben
sich aber entschlossen, den Krieg alleine zu führen. Festzuhalten bleibt, dass es auch keine
Ermächtigung des Sicherheitsrats gab.
Sehr fraglich war von Anfang an, ob ein Angriff gegen die USA vom Staat Afghanistan ausging.
Außerdem setzt die Inanspruchnahme des Selbstverteidigungsrechts voraus, dass der
Angriff gegenwärtig sein muss. Wenn keine weiteren Angriffe drohen, braucht man auch keine
Selbstverteidigung. Jedenfalls ist das Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 ausdrücklich
auf die Zeit beschränkt, „bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und
der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat“. Derartige
Schritte hat der Sicherheitsrat in seiner Sitzung vom 28. September mit der Resolution 1373
beschlossen und konkrete Maßnahmen gegen die finanzielle Basis und logistische Unterstützung
von Terroristen eingeleitet. Damit war das Selbstverteidigungsrecht erloschen. Die
alleinige Kompetenz für militärische Maßnahmen lag beim Sicherheitsrat. Also war OEF in
Afghanistan rechtswidrig.
Die Kriegführung im Rahmen von OEF der USA hält allerdings an. Geprüft werden müsste,
inwieweit die Staaten Afghanistan und Pakistan, auf deren Territorium die Kriegführung stattfindet,
diese völkerrechtlich bindend genehmigt hat. Bezüglich Afghanistan bestehen insoweit
Zweifel, weil die Regierung erst Jahre nach dem Beginn der Kriegführung an die Macht
kam und den Krieg seither wohl einfach hinnimmt.
Für die deutschen Behörden bedeutet diese Unsicherheit, dass die völkerrechtliche Zulässigkeit
der Kriegführung im Rahmen von OEF in Afghanistan belastbar festgestellt sein
muss. Mir ist eine solche Feststellung nicht bekannt.
Damit stellt sich die Frage nach dem weiteren Vorgehen:
Sicherlich richtig ist es, dass zunächst der Sachverhalt aufgeklärt wird. Dafür kommen Auskunftsansprüche
von Abgeordneten im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit in Betracht. Fraglich
ist darüber hinaus, ob nicht auch Bürger einen Anspruch gegen die Bundesrepublik
Deutschland haben, jegliche logistische Unterstützung für eine fragwürdige Kriegführung zu
unterlassen.
Als Rechtsgrundlage für einen solchen Unterlassungsanspruch kommen insbesondere Art.
25 GG in Betracht, wo geregelt ist, dass die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts bindendes
innerstaatliches Recht sind, und Art. 26 Abs. 1 GG mit seinem Verbot, einen Angriffskrieg
zu führen. Diese Regeln sollten sich, wie insbesondere der Abgeordnete Carlo
Schmid im Parlamentarischen Rat ausgeführt hat, „unmittelbar an den einzelnen Deutschen
wenden, ihn berechtigend und verpflichtend“. Die Einzelheiten hat Prof. Dr. Andreas Fischer-
Lescano in einem Rechtsgutachten über „Militärbasen und militärisch genutzte Flughafen in
Deutschland“ untersucht, erstattet für die Fraktion DIE LINKE im Bundestag. Das bedeutet,
dass jeder Bürger einen solchen Unterlassungsanspruch geltend machen kann.
Allerdings muss man zuvor wissen, was zu unterlassen ist. Gibt es also einen entsprechenden
Auskunftsanspruch gegen das Luftfahrt-Bundesamt? Die Frage ist zu bejahen. Im Verwaltungsrecht
bestimmt sich die Rechtsstellung des einzelnen insbesondere nach § 24
VwVfG, wonach die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln muss. Der Bürger
hat einen Auskunftsanspruch über seine Rechte im Verwaltungsverfahren (§ 25). Er hat ein
Akteneinsichtsrecht. Daraus ergibt sich, dass das Luftfahrt-Bundesamt verpflichtet ist, den
Sachverhalt umfassend zu ermitteln und dem Bürger hierüber Auskunft zu geben. Eine solche
Auskunft wäre zu erstrecken auf die völkerrechtliche Qualifizierung der Flugbewegungen
in der Vergangenheit und die aktuellen sowie darüber, wie die Behörde vorzugehen gedenkt.
Tobias Pflüger - 2009/04/29 16:07
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