Spanien will Flüchtlinge nach Marokko zurückschicken

Pressebericht in: LinksZeitung, 06.10.2005

Sechs Tote bei neuem Massenansturm auf spanische Exklave Melilla

Bei einem neuen Massensturm auf die spanischen Exklave Melilla in Nordafrika sind am Donnerstag abermals mehrere Flüchtlinge ums Leben gekommen. Mindestens sechs Afrikaner seien bei dem Versuch, illegal von Marokko aus die Grenze zu spanischem Staatsgebiet zu überwinden, erschossen oder zu Tode getrampelt worden, teilte das marokkanische Innenministeriums in Rabat mit. Angesichts des Dramas an seiner Grenze kündigte Spanien an, hunderte illegale Einwanderer nach Marokko zurückschicken. Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero strebt nach eigenen Worten an, mit Staaten wie Mali und Ghana "dringlich" Rückführungsabkommen auszuhandeln.

Mit den Opfern vom Donnerstag stieg die Zahl der in den vergangenen Tagen an den Grenzen der Exklaven Melilla und Ceuta getöteten Flüchtlinge auf 14. Zu den Schüssen der Grenztruppen sagte der marokkanische Ministeriumssprecher, die marrokanische Polizei habe nur ihre Posten vor dem Sperrzaun verteidigt. Etwa dreißig weitere Flüchtlinge seien verletzt, rund 290 festgenommen worden.

Die spanischen und marokkanischen Behörden teilten übereinstimmend mit, dass knapp 500 Afrikaner zurückgedrängt wurden. Ein hochrangiger marokkanischer Polizeivertreter sagte, nach Hinweisen auf einen erneuten Massenansturm in der Nacht zum Donnerstag sei unter dem Decknamen "Spontane Intervention" der Einsatz am Grenzabschnitt Pinares de Rostrogordo eingeleitet worden. Dort ist der Grenzzaun um Melilla nur drei Meter hoch. Nach den Schilderungen eines spanischen Fotografen wurden bei dem Einsatz Tränengaspatronen und Schlagstöcke gegen die Flüchtlinge eingesetzt. 65 von ihnen erreichten dennoch ihr Ziel.

Spaniens Vize-Ministerpräsidentin Maria Teresa Fernandez de la Vega traf in Melilla mit Vertretern von Menschenrechtsorganisationen zusammen. Die Bedingungen für die Rückführung der Flüchtlinge ließ sie zunächst im Unklaren. Vor Journalisten bestätigte die Ministerin im Grundsatz das Ziel, die Afrikaner aus den spanischen Territorien abzuschieben. Allerdings konnte sie keine Einzelheiten zur Form der Rückführung, zu den Daten und zum betroffenen Personenkreis machen.

Zuvor hatte Fernandez de la Vega gesagt, die Rücksiedlung solle "in den kommenden Tagen" erfolgen und möglicherweise noch am Donnerstag beginnen. Als Grundlage nannte sie ein Abkommen von 1992. Marokko weigert sich bislang, Flüchtlinge ohne marokkanische Staatsbürgerschaft wieder aufzunehmen.

Zapatero erläuterte in Madrid ein Maßnahmenbündel zur Überwindung der Flüchtlingskrise. Die Grenzanlagen würden weiter ausgebaut, kündigte der spanische Regierungschef an. "Wir erhöhen den Grenzzaun, wir werden einen weiteren errichten", sagte Zapatero. Darüber hinaus sei seine Regierung dabei, Rückführungsabkommen mit Mali und Ghana fertigzustellen, wie sie etwa bereits mit Algerien, Mauretanien und Nigeria bestehen. Zapatero zeigte zugleich Verständnis dafür, dass die Flüchtlinge etwa einer Dürre im Süden Marokkos oder anderer materieller Not entgehen wollten. Die EU müsse "eine gesonderte Hilfsanstrengung" unternehmen, um dieses Problem grundsätzlich zu lösen.

Eine Delegation der linken GUE/NGL-Fraktion im Europäischen Parlament will sich am Montag, 10. Oktober, vor Ort in Melilla ein Bild von der dramatischen Situation der Flüchtlinge machen.

Der GUE/NGL-Delegation gehören Sylvia-Yvonne Kaufmann (DE), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Luisa Morgantini (IT), Vorsitzende des Entwicklungsausschusses, Giusto Catania (IT), GUE/NGL-Koordinator im Menschenrechtsausschuss, Willy Meyer (ES), Miguel Portas (PT) und Tobias Pflüger (DE) an. Sie wollen mit Flüchtlingen und Vertretern von Menschenrechtsorganisationen sprechen sowie in Gesprächen mit Kommunalpolitikern angesichts der Flüchtlingswelle auf die Einhaltung internationaler und insbesondere europäischer Menschenrechtsstandarts dringen.

Trackback URL:
https://tobiaspflueger.twoday.net/stories/1044791/modTrackback

logo
tobias pflueger DieLinke_RGB


Startseite
Über mich
Kontakt

Suche

 

RSS-Feed: Informationsstelle Militarisierung

IMI bei den Ostermärschen
Kommendes Wochenende finden wieder in vielen Städten...
IMI - 2025/04/15 13:58
Beispiel „Drohnenwall“
In parallelen und abgestimmten Prozessen haben die...
IMI - 2025/04/11 16:24
Koalitionsvertrag der Aufrüster – Auf dem Weg in die Militärrepublik
Die Spitzen von Union und SPD stellten am 9. April...
IMI - 2025/04/10 17:12
Wissenschaftsfreiheit als Prämisse von Friedens- und Konfliktforschung
Wie in anderen disziplinären Feldern, so gilt auch...
IMI - 2025/04/10 16:07
Kampf um Grönland
Mit der Wahl von Donald Trump zum 47. Präsidenten der...
IMI - 2025/04/09 11:14

Archiv

Status

Online seit 7523 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 2013/01/26 00:43

User Status

Du bist nicht angemeldet.