Von der Altmark nach Mazar-i-Sharif

Artikel in: klartext - Magazin der Linkspartei.PDS Sachsen-Anhalt, 5/2005

Sachsen-Anhalt im Drehkreuz zentraler Militärstandorte zukünftiger Kriege

„Für das deutsche Heer öffnen wir mit diesem Schlüssel eine Tür in eine neue Welt.“ waren die Worte des damaligen Inspekteurs des Heeres, Generalleutnant Gert Gudera, anlässlich der symbolischen Schlüsselübergabe vom Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ). Dieses selbst ist der Türöffner für eine „Verteidigung“, die laut der Neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien des vorherigen Verteidigungsministers Struck „geographisch nicht mehr eingegrenzt“ ist. Auf dem Truppenübungsplatz Altmark nördlich Magdeburgs wurde im Januar 2001 das modernste Ausbildungszentrum Europas eingeweiht, nachdem hier bereits ab 1997 von der Bundeswehr das so genannte „traditionelle Gefecht mit verbundenen Waffen“, also die gemeinsamen Manöver von Artillerie, Infanterie und Luftwaffe geübt wurden.

Von der Altmark nach Mazar-i-Sharif

Alle Soldatinnen und Soldaten (zur Zeit 6.300), die sich in Auslandseinsätzen der Bundeswehr befinden, durchlaufen vorher das 15-tägige Ausbildungsprogramm im GÜZ. Es ist die letzte Station vor ihrer Ausreise nach Bosnien, Kosovo oder Afghanistan. Hier lernen sie im modernsten Ausbildungszentrum Europas alles, was sie später für die taktischen Einsätze entweder im Rahmen der EU-geführten Militäroperation (EUFOR) in Bosnien-Herzegowina, im deutschen Kontingent der Kosovo Force (KFOR) der NATO, innerhalb der sogenannten internationalen Schutztruppe (ISAF) oder der „Operation Enduring Freedom“ in Afghanistan benötigen.

Deutschland beteiligt sich gegenwärtig an der Schnellen Eingreiftruppe der NATO (NRF 5) mit 2.200 Soldaten. Auch diese bekommen, genau wie die Angehörigen des unter strengster Geheimhaltung eingesetzten Kommandos Spezialkräfte (KSK) ihren letzten Schliff in Letzlingen. Nicht nur Gefechtssituationen werden hier geübt, sondern auch Geiselbefreiung, Sanitätseinsätze und Aufstandsbekämpfung, das so genannte riot control.

Bei jeder der insgesamt zehn verschiedenen Übungssituationen sind alle teilnehmenden Soldaten und Fahrzeuge mit einem hochmodernen Korsett von Sensoren ausgestattet und per Funk mit der Leitzentrale des Übungsplatzes verbunden. Die kriegstauglichen Waffen werden dabei anstatt mit scharfer Munition, mit einem Lasersystem, dem so genannten „Ausbildungsgerät Duellsimulator“ (AGDUS) ausgerüstet, wodurch der simulierte Feuerkampf aller direktgerichteten Waffen ermöglicht, und gleichzeitig jeder gefallene Schuss in den angeschlossenen Computern
registriert und ausgewertet werden kann. Genauso wird der Funksprechverkehr aufgezeichnet und mittels Video auch das Kampfgeschehen visuell festgehalten. Es gab bereits gemeinsame Manöver im Rahmen der Zusammenarbeit im Deutsch-Niederländischen Korps mit einer Panzerkompanie aus den Niederlanden. In Zukunft wird der Anteil übender nichtdeutscher Truppen im GÜZ zunehmen, da sowohl innerhalb der NATO Response Force (NRF) als auch innerhalb der EU Battle Groups eine enge Verzahnung mit den jeweiligen Bündnistruppen vorgesehen ist, und ein alleiniges Üben der deutschen Anteile – militärisch immanent gesehen – keinen Sinn macht. So bestätigte auch Oberst Krippl im direkten Gespräch, man müsse „das multinationale Ausbildungsgeschäft drauf haben“.

Kriege üben mit Serco GmbH und SAAB

Das GÜZ dient als Paradebeispiel für die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit der Wirtschaft: Die komplette Verwaltung, den Betrieb und das Management übernimmt das Unterstützungszentrum Altmark (UZA), ein Firmenkonsortium bestehend u.a. aus der serco GmbH (zu 100% Tochterunternehmen der britischen serco group) und SAAB Training Systems AB. Äußerst bedenklich dabei ist, dass damit auch ein sensibler Bereich wie die Verwaltung kriegstauglicher Waffen in die Hände von Privaten gegeben wird.

Der Himmel über Halle

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit und im Schatten der DHL-Ansiedlung wird der Flughafen Leipzig/Halle zu einem zentralen Umschlagplatz für NATOGroßraumtransporte ausgebaut. Offenkundig stehen die Vertragsverhandlungen mit einem zivilen Anbieter für die bevorstehende Stationierung von bis zu sechs Flugzeugen des größten und zugleich eines der lautesten Transportflugzeuge der Welt vom Typ Antonow 124–100 (Traglast 120–150 Tonnen) unmittelbar vor dem Abschluss. Diese Ansiedlung der Großraumflugzeuge und ihre künftige Nutzung muss im Kontext von militärischen Lufttransportplanungen („Strategische Lufttransportkapazität“) eingeordnet werden,
die bereits im Jahr 2000 begannen. Laut Aufgabenstellung sollen dabei EU- und NATO-Truppen weltweit interventionsfähig und z.B. schwere Kriegswaffen über große Entfernungen transportiert werden. Innerhalb der EU und der NATO ist Deutschland auf eigenen Wunsch zuständig für diesen Bereich der Strategischen Lufttransportkapazität. Vor diesem Hintergrund mausert sich der Leipziger Flughafen zu einem der bedeutendsten bedeutendsten europäischen Umschlagplätze für Großwaffen und damit zur NATO-Drehscheibe für künftige Kriege. Neben dem bedrohlichen militärischen Aspekt stellt insbesondere für die Bevölkerung vor Ort die enorme Lärmbelastung durch die Antonows eine zusätzliche Belastung dar, zumal im Planfeststellungsverfahren niemals von diesem Flugzeugtyp die Rede war.

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