Afrika liegt in Brüssel
Artikel in: ZivilCourage, 12/05
4. Oktober, Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Thema: „Kleiner Grenzverkehr“. Die Diskussion plätschert so dahin, bis der konservative spanische Kollege José Salafranca meint, im diskutierten Zusammenhang müsse auch „der Ansturm“ der Menschen aus Afrika „gegen“ die spanischen Städte Ceuta und Melilla diskutiert werden. Das europäische Parlament müsse sich gegen die „Angreifer“ solidarisch mit dem spanischen Staat erklären. Das war der Impuls für unsere Reise.
10. Oktober, morgens landet eine sechsköpfige Delegation der Linksfraktion auf dem afrikanischen Kontinent in Melilla. Auf unsere Fragen an die spanischen Offiziellen, z. B. wie viele Tote es an den Grenzanlagen gegeben hat, wer auf die Flüchtlinge geschossen hat, wie viele Flüchtlinge ausgewiesen werden, wie viele Asyl beantragen, bekommen wir keine konkreten Antworten. Immer wieder: Die Lage sei angespannt, aber die spanischen Behörden würden keine Fehler machen.
Später gehen wir dann zu den Grenzanlagen. Noch sind auch blutbeschmierte Bekleidungsfetzen zu sehen, die bei dem Versuch der Flüchtlinge, den Stacheldraht zu überwinden, hängen blieben. Der Grenzzaun von Melilla ist das Symbol des Scheiterns der EU-Asyl- und Migrationspolitik und der EU-Afrikapolitik. In den letzten beiden Wochen sind mindestens 11 an der Grenze umgekommen oder umgebracht worden. In Brüssel weist zugleich die EU-Kommission 40 Millionen Euro an, um den Abwehrwall in Zusammenarbeit mit Marokko zu verbessern. Den marokkanischen Behörden überlässt die EU die „Drecksarbeit“.
11. Oktober, morgens wieder zurück in Brüssel. Wie der Zufall es will, steht eine Stellungnahme von mir zur Entwicklungsstrategie der EU-Kommission für Afrika auf der Tagesordnung
(vgl. http://tobiaspflueger.twoday. net/stories/1051708/).
Doch eine Kritik der EU-Afrika-Politik ist bei meinen Kollegen nicht erwünscht. Die Formulierung einer „Anregung einer Debatte zu den Folgen des Kolonialismus“ in meinem Entwurf wird niedergebügelt. Der britische Konservative Charles Tannock spricht von „den Handelsüberschüssen“, die die britischen Kolonien bei Entlassung in die Unabhängigkeit gehabt hätten. Erst danach seien sie von korrupten afrikanischen Machthabern heruntergewirtschaftet worden. Die Sozialdemokratin Véronique De Keyser will keine Erwähnung der Situationan der EU-Außengrenze. Ungern möchte man hier im schönen Brüssel auf die hässlichen Realitäten „dort unten“ verwiesen werden.
4. Oktober, Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Thema: „Kleiner Grenzverkehr“. Die Diskussion plätschert so dahin, bis der konservative spanische Kollege José Salafranca meint, im diskutierten Zusammenhang müsse auch „der Ansturm“ der Menschen aus Afrika „gegen“ die spanischen Städte Ceuta und Melilla diskutiert werden. Das europäische Parlament müsse sich gegen die „Angreifer“ solidarisch mit dem spanischen Staat erklären. Das war der Impuls für unsere Reise.
10. Oktober, morgens landet eine sechsköpfige Delegation der Linksfraktion auf dem afrikanischen Kontinent in Melilla. Auf unsere Fragen an die spanischen Offiziellen, z. B. wie viele Tote es an den Grenzanlagen gegeben hat, wer auf die Flüchtlinge geschossen hat, wie viele Flüchtlinge ausgewiesen werden, wie viele Asyl beantragen, bekommen wir keine konkreten Antworten. Immer wieder: Die Lage sei angespannt, aber die spanischen Behörden würden keine Fehler machen.
Später gehen wir dann zu den Grenzanlagen. Noch sind auch blutbeschmierte Bekleidungsfetzen zu sehen, die bei dem Versuch der Flüchtlinge, den Stacheldraht zu überwinden, hängen blieben. Der Grenzzaun von Melilla ist das Symbol des Scheiterns der EU-Asyl- und Migrationspolitik und der EU-Afrikapolitik. In den letzten beiden Wochen sind mindestens 11 an der Grenze umgekommen oder umgebracht worden. In Brüssel weist zugleich die EU-Kommission 40 Millionen Euro an, um den Abwehrwall in Zusammenarbeit mit Marokko zu verbessern. Den marokkanischen Behörden überlässt die EU die „Drecksarbeit“.
11. Oktober, morgens wieder zurück in Brüssel. Wie der Zufall es will, steht eine Stellungnahme von mir zur Entwicklungsstrategie der EU-Kommission für Afrika auf der Tagesordnung
(vgl. http://tobiaspflueger.twoday. net/stories/1051708/).
Doch eine Kritik der EU-Afrika-Politik ist bei meinen Kollegen nicht erwünscht. Die Formulierung einer „Anregung einer Debatte zu den Folgen des Kolonialismus“ in meinem Entwurf wird niedergebügelt. Der britische Konservative Charles Tannock spricht von „den Handelsüberschüssen“, die die britischen Kolonien bei Entlassung in die Unabhängigkeit gehabt hätten. Erst danach seien sie von korrupten afrikanischen Machthabern heruntergewirtschaftet worden. Die Sozialdemokratin Véronique De Keyser will keine Erwähnung der Situationan der EU-Außengrenze. Ungern möchte man hier im schönen Brüssel auf die hässlichen Realitäten „dort unten“ verwiesen werden.
Tobias Pflüger - 2005/12/21 10:36
Trackback URL:
https://tobiaspflueger.twoday.net/stories/1308356/modTrackback