"Sorgen zerstreuen" Merkel will trotz Ablehnung durch Bevölkerung EU-Verfassung durchsetzen
Pressebericht in: Internetzeitung ngo-online, 21.12.2005
(ngo) In Deutschland ratifizierten Bundestag und Bundesrat im Mai 2005 den Verfassungsvertrag der EU, die Bevölkerung durfte nicht direkt darüber abstimmen. In Frankreich und in den Niederlanden wurde die geplante Verfassung von der Bevölkerung in Referenden abgelehnt. Da die Verfassung erst nach Ratifizierung in allen 25 EU-Staaten hätte in Kraft treten können, war sie damit an zwei Voten förmlich gescheitert. Trotz dieser demokratischen Entscheidung sprach sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür aus, den EU-Verfassungsvertrag nicht einfach aufzugeben. Nach der Ablehnung des Vertrags durch die Wähler in Frankreich und den Niederlanden könne man den Text zwar nicht einfach noch einmal zur Abstimmung stellen, sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Doch müsse die "Reflexionsphase" genutzt werden, um "die Sorgen der Bürger" über das ungeklärte Verhältnis von Erweiterung und Vertiefung der Union "zu zerstreuen". Dazu seien Änderungen am institutionellen Gefüge notwendig. "Diese Verfassung hat so viele positive Elemente, dass sie durchgesetzt werden sollte", so Merkel. Schon im Jahr 2002 wurde den Iren der derzeit gültige, so genannte Nizza-Vertrag der EU zur nochmaligen Abstimmung vorgelegt, nachdem er zunächst in einem Referendum abgelehnt worden war.
Nach der Einigung über den zukünftigen Finanzrahmen im Europäischen Rat habe sie "wieder Hoffnung, dass wir auch andere schwierige Probleme" in der EU lösen können, so Merkel. "Das ist ein wichtiger Schritt dahin, dass Europa wieder handlungsfähig wird." Gerade auch der britische Premier Tony Blair habe "Mut" gezeigt.
Der Europaabgeordnete Tobias Pflüger verwies hingegen darauf, dass der Ratifizierungsprozess des im Oktober 2004 unterzeichneten EU-Verfassungsvertrags gescheitert sei. Das "NON" beim Referendum in Frankreich und das "NEE" in den Niederlanden belegten, dass dieser Vertrag in der europäischen Bevölkerung auf große Ablehnung stoße. In Deutschland sei ein Referendum nicht zugelassen worden. Eine breite gesellschaftliche Debatte über die Inhalte des 500-Seiten Vertrages sei so verhindert worden.
"Auf Biegen und Brechen soll durchgesetzt werden, dass die fortschreitende Militarisierung der Europäischen Union verfassungsrechtlichen Rang bekommt", so Pflüger. In Artikel I-41, Absatz 3 sei eine Aufrüstungsverpflichtung festgelegt: "Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichten sich ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern." Statt einer Abrüstungsagentur sei eine Aufrüstungsagentur vorgesehen.
Neoliberale Politik solle mit einer Verpflichtung der EU-Wirtschaftspolitik auf eine "offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" (III-177) Verfassungsrang erhalten. "Dies ist die offene Absage an ein soziales Europa", meint der Europaabgeordnete.
Selbst einer der 'Väter' der Grundrechtecharta, der französische Verfassungsexperte Guy Braibant, spreche sich inzwischen gegen den EU-Verfassungsvertrag aus, "weil die Grundrechte in der Charta durch einschränkende Erläuterungen im sozialen Teil faktisch entwertet werden".
Bundeskanzlerin Merkel wolle den EU-Verfassungsvertrag nun mit einer unverbindlichen Zusatzerklärung zur "Sozialen Dimension Europas" retten. Der Vertragstext selbst solle jedoch unverändert bleiben.
Dieser "Mogelpackung" müsse eine Absage erteilt werden, so Pflüger. "Wir brauchen eine europäische Debatte über soziale, zivile und demokratische Verfassungsinhalte." Die europaweite Demonstration gegen die Dienstleistungs-Richtlinie am 11. Februar in Straßburg sei dafür ein wichtiger Anlass.
(ngo) In Deutschland ratifizierten Bundestag und Bundesrat im Mai 2005 den Verfassungsvertrag der EU, die Bevölkerung durfte nicht direkt darüber abstimmen. In Frankreich und in den Niederlanden wurde die geplante Verfassung von der Bevölkerung in Referenden abgelehnt. Da die Verfassung erst nach Ratifizierung in allen 25 EU-Staaten hätte in Kraft treten können, war sie damit an zwei Voten förmlich gescheitert. Trotz dieser demokratischen Entscheidung sprach sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür aus, den EU-Verfassungsvertrag nicht einfach aufzugeben. Nach der Ablehnung des Vertrags durch die Wähler in Frankreich und den Niederlanden könne man den Text zwar nicht einfach noch einmal zur Abstimmung stellen, sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Doch müsse die "Reflexionsphase" genutzt werden, um "die Sorgen der Bürger" über das ungeklärte Verhältnis von Erweiterung und Vertiefung der Union "zu zerstreuen". Dazu seien Änderungen am institutionellen Gefüge notwendig. "Diese Verfassung hat so viele positive Elemente, dass sie durchgesetzt werden sollte", so Merkel. Schon im Jahr 2002 wurde den Iren der derzeit gültige, so genannte Nizza-Vertrag der EU zur nochmaligen Abstimmung vorgelegt, nachdem er zunächst in einem Referendum abgelehnt worden war.
Nach der Einigung über den zukünftigen Finanzrahmen im Europäischen Rat habe sie "wieder Hoffnung, dass wir auch andere schwierige Probleme" in der EU lösen können, so Merkel. "Das ist ein wichtiger Schritt dahin, dass Europa wieder handlungsfähig wird." Gerade auch der britische Premier Tony Blair habe "Mut" gezeigt.
Der Europaabgeordnete Tobias Pflüger verwies hingegen darauf, dass der Ratifizierungsprozess des im Oktober 2004 unterzeichneten EU-Verfassungsvertrags gescheitert sei. Das "NON" beim Referendum in Frankreich und das "NEE" in den Niederlanden belegten, dass dieser Vertrag in der europäischen Bevölkerung auf große Ablehnung stoße. In Deutschland sei ein Referendum nicht zugelassen worden. Eine breite gesellschaftliche Debatte über die Inhalte des 500-Seiten Vertrages sei so verhindert worden.
"Auf Biegen und Brechen soll durchgesetzt werden, dass die fortschreitende Militarisierung der Europäischen Union verfassungsrechtlichen Rang bekommt", so Pflüger. In Artikel I-41, Absatz 3 sei eine Aufrüstungsverpflichtung festgelegt: "Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichten sich ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern." Statt einer Abrüstungsagentur sei eine Aufrüstungsagentur vorgesehen.
Neoliberale Politik solle mit einer Verpflichtung der EU-Wirtschaftspolitik auf eine "offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" (III-177) Verfassungsrang erhalten. "Dies ist die offene Absage an ein soziales Europa", meint der Europaabgeordnete.
Selbst einer der 'Väter' der Grundrechtecharta, der französische Verfassungsexperte Guy Braibant, spreche sich inzwischen gegen den EU-Verfassungsvertrag aus, "weil die Grundrechte in der Charta durch einschränkende Erläuterungen im sozialen Teil faktisch entwertet werden".
Bundeskanzlerin Merkel wolle den EU-Verfassungsvertrag nun mit einer unverbindlichen Zusatzerklärung zur "Sozialen Dimension Europas" retten. Der Vertragstext selbst solle jedoch unverändert bleiben.
Dieser "Mogelpackung" müsse eine Absage erteilt werden, so Pflüger. "Wir brauchen eine europäische Debatte über soziale, zivile und demokratische Verfassungsinhalte." Die europaweite Demonstration gegen die Dienstleistungs-Richtlinie am 11. Februar in Straßburg sei dafür ein wichtiger Anlass.
Tobias Pflüger - 2005/12/22 01:19
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