Etappenziel erreicht - Linkspartei für Fusion
Pressebericht in: Stuttgarter Zeitung 12.12.2005, S.2:
Die Linkspartei/PDS hat auf ihrem Parteitag die Weichen für die Vereinigung mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) gestellt. Mancherorts ist man schon weiter.
Von Harald Lachmann, Dresden
Für Baden-Württembergs Delegierte reichte ein alter Volvo zur Anreise. Am Steuer saß Landessprecher Bernhard Strasdeit, der darüber sauer war, dass die Bundeszentrale jedem Westverband nur pauschal vier Mandate zugestand; einzig Nordrhein-Westfalen bekam fünf. "Jeder Kreisverband Ost durfte dagegen wenigstens zwei Leute delegieren", sagte der Tübinger Kreisrat verärgert. Um das Ländle dennoch angemessen zu repräsentieren, reiste mancher aus dem knapp 600-köpfigen Landesverband privat an.
Doch Ost-West-Frust dominierte nicht im Dresdner Kongresszentrum. Im Gegenteil, hier fühlten sich die schwäbischen Linksparteiler als Teil einer zukunftsträchtigen Truppe. Das sagte der Soziologiestudent Frederico Elwing aus Tübingen. Nicht nur die neue Bundestagsfraktion aus PDS und WASG habe "für neuen Wind und neues Selbstbewusstsein" gesorgt, meinte der 23-Jährige. "Erstmals fanden auch Gewerkschaftsgrößen wie Verdi-Chef Frank Bsirske zu einem PDS-Parteitag. Man nimmt uns nun für voll!" Dabei begann der Parteitag eher dröge. Parteichef Lothar Bisky verkündete den 418 Delegierten zwar das "Ende des linken Dornröschenschlafes", doch munter wurde es erst, als in seine Rede der zu spät kommende Oskar Lafontaine platzte. Bisky hatte die Lacher erst richtig auf seiner Seite, als er sarkastisch kundtat: "Da mir ja der Bundestag kürzlich mehrheitlich riet, ich solle mich mehr um meine Partei kümmern, und ich natürlich Mehrheitsbeschlüsse sehr ernst nehme, kandidiere ich im April 2006 erneut um den Parteivorsitz."
Vor allem ging es in Dresden aber um die Fusion mit der WASG. Gleichberechtigt erfolgten dann auch die Auftritte der beiden Chefs der gemeinsamen Bundestagsfraktion - Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Wie selten legte sich Gysi ins Zeug, attackierte scharf, zuweilen aber auffallend pathetisch die große Koalition in Berlin. Diese habe keine Reform beschlossen, weder bei der Rente noch in der Gesundheitspolitik. Weniger emotional, dafür "argumentativ klarer und kämpferischer" empfanden die baden-württembergischen Delegierten Lafontaine. Das Wort Lohnnebenkosten sei ein "Kampfbegriff des Neoliberalismus", meinte der einstige SPD-Chef. Denn dies bezeichne vor allem die Ausgaben für Alte, Kranke, Arbeitslose und Rentner. Wer Lohnnebenkosten senke, kürze also vor allem hier. Der Saarländer kündigte an, "Sand ins Getriebe der neoliberalen Mehrheit" im Bundestag streuen zu wollen. Natürlich warb das Tandem auch für die gemeinsame Partei.
Scheitere man daran, versage Deutschlands Linke "vor der Geschichte", warnte Lafontaine. Auch WASG-Chef Klaus Ernst mahnte vor allem in Richtung der stark vertretenen eigenen Mitglieder: "Wir haben als Linke nichts zu verlieren - außer unsere eigenen Vorurteile." Auch PDS-Jungmitglied Elwing hat noch Bauchschmerzen: "Da treffen zwei verschiedene Kulturen aufeinander, das braucht schon ein bissel Überwindung auf beiden Seiten." Den Delegierten lag eine Rahmenvereinbarung vor, die eine Verschmelzung beider Parteien bis zum 30. Juni 2007 vorsieht. Dass diese bereits vor dem am Ende deutlichen Votum des Dresdener Kongresses von den Parteispitzen signiert worden war, rief kaum Widerspruch hervor. Das Papier richtet nun vor allem den zerstrittenen Landesverbänden in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Schranken auf. Denn nunmehr darf die WASG auch hier nicht mehr, wie angekündigt, bei Wahlen gegen die auf Landesebene mitregierende PDS antreten.
Zudem ermöglicht ein Paragraf jetzt die Doppelmitgliedschaft interessierter WASGler in der PDS. Einer, der das bereits nutzte, ist Ulrich Maurer. "Ich bin eben die Zukunft", meinte der Exsozialdemokrat zufrieden. Mit Blick auf PDS-Mann Strasdeit fügte der Stuttgarter hinzu: "Wir sind hier schon gut vernetzt." In Baden-Württemberg scheitere die Vereinigung nicht. Allerdings ist die WASG hier mit rund 1200 Mitgliedern auch der klar stärkere Partner. So tritt nur sie zur Landtagswahl an - für Maurer immerhin "ein wichtiges Etappenziel" zur gemeinsamen Partei. "In Stuttgart, Lörrach und Heilbronn kandidieren aber unsere Leute auf WASG-Listen", so Strasdeit, der seine Brötchen im Büro des Tübinger PDS-Europaabgeordneten Tobias Pflüger verdient.
Die Linkspartei/PDS hat auf ihrem Parteitag die Weichen für die Vereinigung mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) gestellt. Mancherorts ist man schon weiter.
Von Harald Lachmann, Dresden
Für Baden-Württembergs Delegierte reichte ein alter Volvo zur Anreise. Am Steuer saß Landessprecher Bernhard Strasdeit, der darüber sauer war, dass die Bundeszentrale jedem Westverband nur pauschal vier Mandate zugestand; einzig Nordrhein-Westfalen bekam fünf. "Jeder Kreisverband Ost durfte dagegen wenigstens zwei Leute delegieren", sagte der Tübinger Kreisrat verärgert. Um das Ländle dennoch angemessen zu repräsentieren, reiste mancher aus dem knapp 600-köpfigen Landesverband privat an.
Doch Ost-West-Frust dominierte nicht im Dresdner Kongresszentrum. Im Gegenteil, hier fühlten sich die schwäbischen Linksparteiler als Teil einer zukunftsträchtigen Truppe. Das sagte der Soziologiestudent Frederico Elwing aus Tübingen. Nicht nur die neue Bundestagsfraktion aus PDS und WASG habe "für neuen Wind und neues Selbstbewusstsein" gesorgt, meinte der 23-Jährige. "Erstmals fanden auch Gewerkschaftsgrößen wie Verdi-Chef Frank Bsirske zu einem PDS-Parteitag. Man nimmt uns nun für voll!" Dabei begann der Parteitag eher dröge. Parteichef Lothar Bisky verkündete den 418 Delegierten zwar das "Ende des linken Dornröschenschlafes", doch munter wurde es erst, als in seine Rede der zu spät kommende Oskar Lafontaine platzte. Bisky hatte die Lacher erst richtig auf seiner Seite, als er sarkastisch kundtat: "Da mir ja der Bundestag kürzlich mehrheitlich riet, ich solle mich mehr um meine Partei kümmern, und ich natürlich Mehrheitsbeschlüsse sehr ernst nehme, kandidiere ich im April 2006 erneut um den Parteivorsitz."
Vor allem ging es in Dresden aber um die Fusion mit der WASG. Gleichberechtigt erfolgten dann auch die Auftritte der beiden Chefs der gemeinsamen Bundestagsfraktion - Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. Wie selten legte sich Gysi ins Zeug, attackierte scharf, zuweilen aber auffallend pathetisch die große Koalition in Berlin. Diese habe keine Reform beschlossen, weder bei der Rente noch in der Gesundheitspolitik. Weniger emotional, dafür "argumentativ klarer und kämpferischer" empfanden die baden-württembergischen Delegierten Lafontaine. Das Wort Lohnnebenkosten sei ein "Kampfbegriff des Neoliberalismus", meinte der einstige SPD-Chef. Denn dies bezeichne vor allem die Ausgaben für Alte, Kranke, Arbeitslose und Rentner. Wer Lohnnebenkosten senke, kürze also vor allem hier. Der Saarländer kündigte an, "Sand ins Getriebe der neoliberalen Mehrheit" im Bundestag streuen zu wollen. Natürlich warb das Tandem auch für die gemeinsame Partei.
Scheitere man daran, versage Deutschlands Linke "vor der Geschichte", warnte Lafontaine. Auch WASG-Chef Klaus Ernst mahnte vor allem in Richtung der stark vertretenen eigenen Mitglieder: "Wir haben als Linke nichts zu verlieren - außer unsere eigenen Vorurteile." Auch PDS-Jungmitglied Elwing hat noch Bauchschmerzen: "Da treffen zwei verschiedene Kulturen aufeinander, das braucht schon ein bissel Überwindung auf beiden Seiten." Den Delegierten lag eine Rahmenvereinbarung vor, die eine Verschmelzung beider Parteien bis zum 30. Juni 2007 vorsieht. Dass diese bereits vor dem am Ende deutlichen Votum des Dresdener Kongresses von den Parteispitzen signiert worden war, rief kaum Widerspruch hervor. Das Papier richtet nun vor allem den zerstrittenen Landesverbänden in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Schranken auf. Denn nunmehr darf die WASG auch hier nicht mehr, wie angekündigt, bei Wahlen gegen die auf Landesebene mitregierende PDS antreten.
Zudem ermöglicht ein Paragraf jetzt die Doppelmitgliedschaft interessierter WASGler in der PDS. Einer, der das bereits nutzte, ist Ulrich Maurer. "Ich bin eben die Zukunft", meinte der Exsozialdemokrat zufrieden. Mit Blick auf PDS-Mann Strasdeit fügte der Stuttgarter hinzu: "Wir sind hier schon gut vernetzt." In Baden-Württemberg scheitere die Vereinigung nicht. Allerdings ist die WASG hier mit rund 1200 Mitgliedern auch der klar stärkere Partner. So tritt nur sie zur Landtagswahl an - für Maurer immerhin "ein wichtiges Etappenziel" zur gemeinsamen Partei. "In Stuttgart, Lörrach und Heilbronn kandidieren aber unsere Leute auf WASG-Listen", so Strasdeit, der seine Brötchen im Büro des Tübinger PDS-Europaabgeordneten Tobias Pflüger verdient.
Tobias Pflüger - 2005/12/23 01:10
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