Das Dürre-Jahr des Tony Blair
Pressebericht in: Neues Deutschland, 23.12.05
Viel Kritik an EU-Ratspräsidentschaft / Österreich will Probleme bürgernäher lösen
Von Olaf Standke
Das war kein gutes EU-Jahr für Tony Blair.
Kurz vor Ende der britischen EU-Ratspräsidentschaft hat London jetzt ein finanzielles Resümee gezogen. Das Ergebnis: Kleinvieh macht auch Mist. Das gilt politisch ebenso.
Insgesamt addieren sich die Ausstattungskosten des EU-Ratsvorsitzes auf über eine Million Pfund (1,47 Millionen Euro), so das Londoner Außenministerium. Allein 804 000 Euro wurden für Schreibwaren ausgegeben, weitere 375 000 Euro für Geschenkartikel wie Tassen, Schirme und Beutel. Selbst Logos in Konferenzsälen sind ein teurer Spaß und kosten 48 000 Euro. Um noch ganz andere Summen ging es beim letzten EU-Gipfel unter britischer Regie, der auch die letzte Chance für Premierminister Tony Blair war, seine viel kritisierte Präsidentschaft vor dem völligen Scheitern zu retten. Zum eigentlichen Star des Feilschens über die künftigen Finanzen der Union wählte die internatonale Presse allerdings Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich bei ihrer Gipfelpremiere als große Vermittlerin präsentierte und ganz im Kohlschen Stil die Probleme mit dem Griff in die Portokasse klärte.
Am Ende steht eine Einigung, die Blair in dieser Woche auch den Europaabgeordneten schmackhaft zu machen versuchte. In einer zum Teil überaus erregten Debatte in Brüssel verteidigte er die Vereinbarung, die in den Augen vieler Kritiker ein fauler Kompromiss ist. Parlamentarier wie der österreichische Sozialdemokrat Hannes Swoboda forderten Nachbesserungen. Ohnehin ist das überaus schwierige Thema der gemeinsamen Agrarpolitik bisher überhaupt noch nicht auf den Tisch gekommen.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erinnerte daran, dass der Finanzkompromiss unter den Zielen seiner Behörde liege, aber letztlich die befürchte Lähmung Europas vermeide. Damit scheint auch die Argumentation vorgegeben, um den kleinsten gemeinsamen Nenner für eine Mehrheit im Europaparlament, das ursprünglich ein Budget von 975 Milliarden Euro für 2007 bis 20013 verlangt hatte, zu finden. Die Mitgliedstaaten einigten sich nach zähen Verhandlungen auf einen Haushaltsrahmen von 862,4 Milliarden Euro. Blair willigte dabei ein, den bis zuletzt zum Tabu erklärten »Britenrabatt« abzuschmelzen, um 10,5 Milliarden Euro in sieben Jahren. Der Nachlass von zwei Drittel der Nettobelastung für die Agrarausgaben aber wird weiter gewährt. Erst 2008 oder 2009 soll die EU-Kommission eine endgültig klärende Bestandsaufnahme vorlegen.
Auch wenn liberale Blätter wie der »Guardian« nach dem Gipfel von einem »soliden Erfolg« schrieben, erntete Blair zu Hause vor allem Kritik für seine »Kapitulation« (»Daily Mail«). Versagen werfen Linke der Londoner Präsidentschaft aus anderen Gründen vor. »In keiner anderen Ratspräsidentschaft hat es so viele neue EU-Militärmissionen gegeben. Das hat dazu geführt, dass die EU sich in Lichtgeschwindigkeit zu einem militärischen Akteur mit globaler Reichweite entwickelt«, moniert etwa Tobias Pflüger, der auf der PDS-Liste ins Europaparlament gewählt wurde. Da wundere es nicht, dass Blair einen EU-Haushalt vorlegte, der eine exorbitante Ausgabensteigerung für eine militarisierte Außen- und Sicherheitspolitik vorsieht, so der Militärexperte der Linksfraktion (GUE/NGL). Bis 2013 sollen die Mittel von 6,2 Milliarden Euro um nahezu ein Drittel wachsen – während man im Sozialbereich kürze.
Österreich, das am 1. Januar die Präsidentschaft übernimmt, will sich laut Außenministerin Ursula Plassnik nach dem »Jahr der Dürre und der Schwierigkeiten« wieder den »großen Themen« zuwenden und versuchen, sie »für die Bürger wieder besser begreifbar, zeitgemäßer und spürbarer zu machen«. Beim Gipfel im März wolle man sich vor allem mit der Frage von Arbeitsplätzen und Wachstum befassen. Beim Juni-Gipfel soll es besonders darum gehen, ob und wie nach den beiden gescheiterten Referenden in Frankreich und in den Niederlanden die neue EU-Verfassung doch noch ins Werk gesetzt werden könne und wo bei der EU-Erweiterung »die Grenzen Europas« liegen. Doch Zauberkünstler oder europäische Kreativdirektoren im Alleingang seien auch die Österreicher nicht.
Viel Kritik an EU-Ratspräsidentschaft / Österreich will Probleme bürgernäher lösen
Von Olaf Standke
Das war kein gutes EU-Jahr für Tony Blair.
Kurz vor Ende der britischen EU-Ratspräsidentschaft hat London jetzt ein finanzielles Resümee gezogen. Das Ergebnis: Kleinvieh macht auch Mist. Das gilt politisch ebenso.
Insgesamt addieren sich die Ausstattungskosten des EU-Ratsvorsitzes auf über eine Million Pfund (1,47 Millionen Euro), so das Londoner Außenministerium. Allein 804 000 Euro wurden für Schreibwaren ausgegeben, weitere 375 000 Euro für Geschenkartikel wie Tassen, Schirme und Beutel. Selbst Logos in Konferenzsälen sind ein teurer Spaß und kosten 48 000 Euro. Um noch ganz andere Summen ging es beim letzten EU-Gipfel unter britischer Regie, der auch die letzte Chance für Premierminister Tony Blair war, seine viel kritisierte Präsidentschaft vor dem völligen Scheitern zu retten. Zum eigentlichen Star des Feilschens über die künftigen Finanzen der Union wählte die internatonale Presse allerdings Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich bei ihrer Gipfelpremiere als große Vermittlerin präsentierte und ganz im Kohlschen Stil die Probleme mit dem Griff in die Portokasse klärte.
Am Ende steht eine Einigung, die Blair in dieser Woche auch den Europaabgeordneten schmackhaft zu machen versuchte. In einer zum Teil überaus erregten Debatte in Brüssel verteidigte er die Vereinbarung, die in den Augen vieler Kritiker ein fauler Kompromiss ist. Parlamentarier wie der österreichische Sozialdemokrat Hannes Swoboda forderten Nachbesserungen. Ohnehin ist das überaus schwierige Thema der gemeinsamen Agrarpolitik bisher überhaupt noch nicht auf den Tisch gekommen.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erinnerte daran, dass der Finanzkompromiss unter den Zielen seiner Behörde liege, aber letztlich die befürchte Lähmung Europas vermeide. Damit scheint auch die Argumentation vorgegeben, um den kleinsten gemeinsamen Nenner für eine Mehrheit im Europaparlament, das ursprünglich ein Budget von 975 Milliarden Euro für 2007 bis 20013 verlangt hatte, zu finden. Die Mitgliedstaaten einigten sich nach zähen Verhandlungen auf einen Haushaltsrahmen von 862,4 Milliarden Euro. Blair willigte dabei ein, den bis zuletzt zum Tabu erklärten »Britenrabatt« abzuschmelzen, um 10,5 Milliarden Euro in sieben Jahren. Der Nachlass von zwei Drittel der Nettobelastung für die Agrarausgaben aber wird weiter gewährt. Erst 2008 oder 2009 soll die EU-Kommission eine endgültig klärende Bestandsaufnahme vorlegen.
Auch wenn liberale Blätter wie der »Guardian« nach dem Gipfel von einem »soliden Erfolg« schrieben, erntete Blair zu Hause vor allem Kritik für seine »Kapitulation« (»Daily Mail«). Versagen werfen Linke der Londoner Präsidentschaft aus anderen Gründen vor. »In keiner anderen Ratspräsidentschaft hat es so viele neue EU-Militärmissionen gegeben. Das hat dazu geführt, dass die EU sich in Lichtgeschwindigkeit zu einem militärischen Akteur mit globaler Reichweite entwickelt«, moniert etwa Tobias Pflüger, der auf der PDS-Liste ins Europaparlament gewählt wurde. Da wundere es nicht, dass Blair einen EU-Haushalt vorlegte, der eine exorbitante Ausgabensteigerung für eine militarisierte Außen- und Sicherheitspolitik vorsieht, so der Militärexperte der Linksfraktion (GUE/NGL). Bis 2013 sollen die Mittel von 6,2 Milliarden Euro um nahezu ein Drittel wachsen – während man im Sozialbereich kürze.
Österreich, das am 1. Januar die Präsidentschaft übernimmt, will sich laut Außenministerin Ursula Plassnik nach dem »Jahr der Dürre und der Schwierigkeiten« wieder den »großen Themen« zuwenden und versuchen, sie »für die Bürger wieder besser begreifbar, zeitgemäßer und spürbarer zu machen«. Beim Gipfel im März wolle man sich vor allem mit der Frage von Arbeitsplätzen und Wachstum befassen. Beim Juni-Gipfel soll es besonders darum gehen, ob und wie nach den beiden gescheiterten Referenden in Frankreich und in den Niederlanden die neue EU-Verfassung doch noch ins Werk gesetzt werden könne und wo bei der EU-Erweiterung »die Grenzen Europas« liegen. Doch Zauberkünstler oder europäische Kreativdirektoren im Alleingang seien auch die Österreicher nicht.
Tobias Pflüger - 2005/12/23 02:06
Trackback URL:
https://tobiaspflueger.twoday.net/stories/1317314/modTrackback