Mörder und Kriegsverbrecher

Pressebericht in: junge Welt, 03.02.2006


»Sicherheitskonferenz« in München ruft heftige Proteste hervor. Staatsanwaltschaft fordert Aufhebung der Immunitiät eines militärkritischen Europaabgeordneten

Nick Brauns

»Rumsfeld – Massenmörder« und »Kriegsverbrecher hinter Gitter« – mit diesen Plakatlosungen über Bildern des US-Kriegsministers Donald Rumsfeld und der Außenministerin Condoleezza Rice wollen Kriegsgegner ab Freitag die zur Münchner »Sicherheitskonferenz« anreisenden Militärstrategen empfangen.

Schon vor dem Protest auf der Straße diskutierten Aktivisten der Friedensbewegung am Mittwoch abend auf einer vom Bundesausschuß Friedensratschlag und anderen Gruppen veranstalteten Konferenz über Alternativen zur NATO- und EU-Kriegspolitik. Auf dem Podium saß auch eine Reihe aktiver und ehemaliger Soldaten. »Massiven Druck« auf all diejenigen, die sich weigerten, »Mord und Totschlag« zu unterstützen, beklagte Bundeswehrmajor Florian Pfaff. Weil er fürchtete, seine Arbeit unterstütze den Irak-Krieg, hatte er den Gehorsam verweigert. In einem vielbeachteten Urteil bekam Pfaff im Juni 2005 vor dem Bundesverwaltungsgericht recht. Da er als anerkannter Gewissensverweigerer nicht mehr uneingeschränkt verwendungstauglich sei, wurde jetzt eine Beförderungssperre über den 57jährigen verhängt, er wurde außerdem zum Sanitätsamt versetzt. Gerade aktive und ehemalige Offiziere müßten den Friedenskampf anführen, forderte im Sinne Pfaffs auch der griechische Vize Admiral a. D. Ioannis Douniadakis. »Keine Armee sollte jenseits der nationalen Grenzen eingesetzt werden.«

Er habe jedesmal zur Sicherheitskonferenz das Gefühl, in ein Umfeld zu kommen, wo bestimmte Grundrechte außer Kraft gesetzt seien, kritisierte der Europaabgeordnete Tobias Pflüger (parteilos) strenge Demoauflagen, die es so in kaum einem europäischen Land gebe. So sind neben Seitentransparenten auch sogenannte »Venezianische Masken« verboten, die wie Plakate an Stäben vors Gesicht gehalten werden. Rechtzeitig zur »Sicherheitskonferenz« 2006 hat die Münchner Staatsanwaltschaft jetzt die Aufhebung der parlamentarischen Immunität Pflügers beantragt. Der Vorwurf lautet auf »vorsätzliche Körperverletzung« und Beleidigung von Polizeibeamten während der Proteste gegen die Veranstaltung im vergangenen Jahr. Zudem habe er sich nicht ausgewiesen. »Das Gegenteil ist zutreffend. Ich hatte als Abgeordneter Zugang erbeten zu einem brutal und willkürlich festgenommenen Demonstranten«, schilderte Pflüger den Vorfall. Dabei habe er selbstverständlich seinen Parlamentarierausweis gezeigt. Da er in Ausübung seines Mandats gehandelt habe, sei er zuversichtlich, daß das Europaparlament dem Ansinnen der Münchner Justiz auf Immunitätsaufhebung nicht stattgeben wird.

Bereits 2003 war Pflüger anläßlich der Proteste gegen die jährlich stattfindende Konferenz von der Polizei eine Nacht inhaftiert worden, weil er Bundeswehrsoldaten in AWACS-Flugzeugen aufgerufen hatte, im Falle der Beteiligung am völkerrechtswidrigen Irak-Krieg zu desertieren. Auch im folgenden Jahr wurde Pflüger nach seiner Rede kurzfristig festgenommen und dabei am Hals verletzt. »Mit den Strafverfahren gegen mich soll von der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Kriegspolitik abgelenkt werden«, erklärte Pflüger am Donnerstag vor Journalisten.

Auch auf der Konferenz selbst ist der militärkritische Abgeordnete unerwünscht. Nachdem er zuerst eine mündliche Zusage erhalten hatte, wurde Pflüger überraschend wieder ausgeladen. »Nach Rücksprache mit dem Veranstalter, Herrn Professor Dr. h. c. Horst Teltschik, muß ich Ihnen mitteilen, daß leider keine Plätze mehr frei sind und er keine weiteren Teilnehmer oder Beobachter mehr einladen kann«, ließ das Büro des Rüstungslobbyisten Teltschik ausrichten. Eine persönliche Einladung erhielt dagegen die Grünen-Europaabgeordnete Angelika Beer, die wie Pflüger dem Verteidigungspolitischen Ausschuß angehört.

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