»Das ist schlicht und einfach reaktionär« Die Zustimmung zur kubafeindlichen Resolution widerspricht den Aussagen der Linkspartei.PDS. Ein Gespräch mit Tobias Pflüger

Junge Welt / 10.02.2006 / Interview / Seite 02

* Tobias Pflüger (parteilos) wurde auf der Liste der PDS in das Europaparlament gewählt.

F: Die Zustimmung von drei Abgeordneten der Linksfraktion im Europaparlament zu einer kubafeindlichen Resolution hat einigen Wirbel ausgelöst. Zwei Ihrer Kolleginnen haben sich enthalten, Sahra Wagenknecht hat als einzige dagegen gestimmt. Wie hätten Sie sich verhalten, wenn Sie anwesend gewesen wären?

Auch ich hätte dagegen gestimmt, wenn ich nicht in München an den Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz teilgenommen hätte. Vor allem deswegen, weil sich mit dieser Resolution das Grunddenken durchsetzt, man könne mit einem sehr spezifischen selektiven Verständnis von Menschenrechten Kuba politisch isolieren. Das ist schlicht und einfach reaktionär.

F: Der Antrag wurde von einem erzkonservativen spanischen Abgeordneten eingebracht. Hätte man nicht besser eine Resolution über Folter an baskischen Gefangenen in Spanien abstimmen sollen?

Die Konservativen haben im Europaparlament enormen Druck gemacht, um diese Resolution gegen Kuba durchzubekommen. Das Thema der Menschenrechte in Spanien interessiert die Abgeordneten kaum, am allerwenigsten die Konservativen – siehe die Situation der Flüchtlinge in Melilla.

F: Können Sie als Linker noch mit Fraktionskollegen zusammenarbeiten, die sich in eine kubafeindliche Kampagne einspannen lassen?

Wir stehen hier vor einem grundsätzlichen Problem. Diese Abstimmung war symptomatisch für die Mehrheit meiner Kollegen aus der Linkspartei.PDS hier in Brüssel. In vielen Punkten weichen sie nicht nur von den Grundsätzen ihrer Partei, sondern auch von ihren eigenen Versprechungen ab. Beim Thema EU-Verfassung z. B. hat Sylvia-Yvonne Kaufmann ganz klar betrogen: Vor der Wahl war sie entsprechend der Parteilinie dagegen. Danach war sie dafür. Und das, obwohl der Entwurf die Militarisierung der EU und den Neoliberalismus festschreibt.

André Brie hat in bezug auf Afghanistan erklärt, die dort stationierten Bundeswehrsoldaten machten eine »sehr gute und verantwortungsvolle Arbeit«. Die Linkspartei.PDS fordert aber den Rückzug dieser Einheiten. Für den Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag Oskar Lafontaine ist der Truppenabzug eine der wichtigsten Forderungen.In punkto Iran arbeiten Helmuth Markov und André Brie mit dem »iranischen Widerstandsrat« zusammen. Eine Organisation, die enge Kontakte mit den heftigsten NATO-Leuten pflegt. Für Linke sind das keine Bündnispartner. Hier zeigen sich Positionen, die nicht nur ich für unakzeptabel halte.

F: Sollten sich diese Abgeordneten etwa eine Partei suchen, deren Programm besser zu ihren politischen Vorstellungen paßt?

Da ist die Linkspartei. PDS selbst gefragt. Ich meine, daß allmählich aus Berlin Reaktionen kommen sollten. Zum Thema Kuba-Resolution hat sich der außenpolitische Sprecher der Linkspartei.PDS, Wolfgang Gehrcke, in der jW am Donnerstag unmißverständlich geäußert, was ich ausdrücklich begrüße. Ansonsten kenne ich keine Reaktionen der Parteispitze. So weit ich mitbekomme, ist jedenfalls die Parteibasis ziemlich entrüstet.

F: Würden Sie ein solches Abstimmungsverhalten als opportunistisch bezeichnen?

Es ist Wahlbetrug. Ich jedenfalls bin mit der Aussage gewählt worden, daß ich mich gegen die Militarisierung der EU und gegen den Verfassungsvertrag wenden will. Dieses Versprechen habe ich bisher gehalten, deswegen war ich während der Abstimmung auch in München und nicht in Brüssel.

F: Wie ist die Zusammenarbeit in der Fraktion? Grüßen Sie sich noch?

Grüßen ja. Aber die Positionen von linken Abgeordneten anderer Länder sind mir oftmals viel näher. Diese haben auch mehrheitlich die Kuba-Resolution abgelehnt, und bei ihnen muß ich auch keine Befürchtungen haben, daß in puncto Militäreinsätze gewackelt wird. Die Obstruktion geht so weit, daß z.B. verhindert wurde, daß Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine gemeinsam auf einer Pressekonferenz in Strasbourg zur Dienstleistungsrichtlinie auftreten konnten. Ich finde, man muß seinen Wählern noch ins Gesicht schauen können – ich jedenfalls habe keine Scheu davor.

Interview: Peter Wolter

Stellungnahme zur Abstimmung:
http://tobiaspflueger.twoday.net/stories/1536813/

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