Abschied vom EU-»Friedensblock«

Pressebericht in: Neues Deutschland, 04./05. 02. 2006

Alternativkonferenz am Rande des NATO-Treffens in München

Zahlreiche Initiativen beraten anlässlich der NATO-Sicherheitskonferenz in München auf einer
Friedenskonferenz Alternativen zur herrschenden Politik.

Es war Tobias Pflüger, der den Rahmen für die Debatte absteckte. Der Abgeordnete der Linkspartei im Europaparlament setzte die trügerische rotgrüne »Friedenspolitik« ins rechte Licht. Die deutsche Beteiligung am Irak-Krieg lieferte auch den Titel zur Auftaktveranstaltung der Konferenz.
Pflüger bezeichnete die Phase unmittelbar nach dem Irak-Krieg als »Durchlauferhitzer für die EUMilitarisierung«. Die derzeitige österreichische Ratspräsidentschaft habe verlauten lassen, dass sie die Militärpolitik als Motor der europäischen Einigung ansehe. Auch In der (abgelehnten) Verfassung spielt sie eine prominente Rolle. Unabhängig von der geplanten schnellen EU-Eingreiftruppe werden derzeit neun »Battlegroups« aufgestellt, deren erste im Kongo zum Einsatz kommen soll. Ein »European Headquarter« steuere die weltweiten Einsätze.

Wer noch Zweifel an der neuen kriegerischen Rolle der EU hege, werde mit der aktuellen Eskalationsstrategie gegenüber dem Iran endgültig eines Besseren belehrt, so Pflüger. Die großen Drei der EU – Großbritannien, Frankreich und Deutschland – wollten »ganz vorn mitmischen« und schürten die Kriegsgefahr. Da heißt es, von der auch in der Antikriegs-Szene verbreiteten Vorstellung eines europäischen »Friedensblocks« gegen die militärische USA-Außenpoliitk Abschied zu nehmen.

Claudia Haydt von der Informationsstelle Militarisierung Tübingen unterstrich noch einmal den Wandel der deutschen Außen- und Militärpolitik, der in der Öffentlichkeit (noch) nicht so recht wahrgenommen werde. Im Namen der »deutschen Interessen« an Handels- und Rohstoffströmen würde, so Haydt, die Verteidigungs- zugunsten einer globalisierten Eingreifarmee aufgegeben – und damit auch das Führungsideal des »Staatsbürgers in Uniform«. Zivile und militärische Kompetenzen werden zu einer Haltung »zivilisatorischer Überheblichkeit« verschmolzen. Die humanitären Hilfsorganisationen gerieten damit in die Defensive.

Unter der Überschrift »Handel mit dem Tod« spielte auch die deutsche Dominanz im Waffenexport auf der Alternativ-Konferenz eine Rolle. 17 der 50 führenden transnationalen Rüstungskonzerne kommen aus Europa. Für die Bundeswehr allein rechne man für die nächsten zehn Jahre mit einem Zusatzbedarf von 70 Milliarden Euro für die Umrüstung der Streitkräfte. Die rund eine Milliarden Euro schwere Waffenausfuhr pro Jahr gehe keineswegs nur in EU-Staaten, sondern zum erheblichen Teil in »Drittländer« (häufig in Spannungsgebieten), so Haydt.

Zeitweise verlief die Konferenz in stiller Arbeitsamkeit. Es steht jedoch zu befürchten, dass dies die Bevölkerung weder erreicht noch beeindruckt und die zum Wochenende eintreffenden »Kriegstreiber« des offiziellen NATO-Treffens erst recht nicht. Um das öffentliche Bewusstsein mochte man sich denn auch wenig Gedanken machen.

Zunächst hat man seit gestern auch auf der Straße die Initiative übernommen. Auf zentralen Plätzen der Stadt kamen mehrere tausend Demonstranten zusammen.

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