Was heißt Kuba-Solidarität?

Pressebericht in: Neues Deutschland, 10.02.06

Unterschiedliche Positionen in der Linksfraktion des EP

Von Olaf Standke

Eine bereits 2005 wegen der vorgezogenen Bundestagswahlen verlegte und nun für Mitte Februar 2006 geplante Delegationsreise der Linkspartei. PDS und von Abgeordneten ihrer Bundestagstagsfraktion nach Havanna wurde auf Wunsch der kubanischen Gastgeber erneut verschoben – offensichtlich unter dem Eindruck eines Votums des Europaparlaments (EP).
Hintergrund der Entscheidung ist eine Entschließung des Europaparlaments vom 2. Februar, in der »bedauert« wird, »dass seitens des kubanischen Staates nicht die wichtigen Signale abgegeben wurden, die das Europäische Parlament im Hinblick auf die uneingeschränkte Achtung der Grundfreiheiten und insbesondere der Meinungs- und Versammlungsfreiheit fordert«. Die Europaabgeordneten verurteilen in der Resolution »die Verschärfung der Repressionen sowie die Zunahme der Zahl der wegen ihrer Gesinnung Inhaftierten« und verlangen deren »unverzügliche Freilassung«. Der Rat der nationalen Regierungen der Union und die EU-Kommission werden ersucht, Druck auf Kuba zur Änderung seiner Politik auszuüben.
Anlass für die Entschließung war der Fall der so genannten »Damen in Weiß«, die im Dezember 2005 vom Europaparlament mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet wurden. Es handelt sich um Ehefrauen und Töchter jener 75 politischen Oppositionellen, die im Jahr 2003 in Kuba zu langjährigen Gefängnis-strafen verurteilt worden waren. Die Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken / Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) hatte eine andere Kandidatin für die Ehrung vorgeschlagen, doch entschied sich eine Mehrheit im Plenum anders. Die kubanischen Behörden verhinderten dann eine Ausreise zur Preisübergabe, auch eine Intervention des Parlamentspräsidenten blieb ohne Erfolg. Die kubanische Gruppe wollte deshalb, dass die Auszeichnung von einer EP-Delegation in ihrer Heimat übergeben wird.
Vor allem die EP-Fraktionen der Liberalen und der Konservativen versuchten daraufhin, diese Entwicklung zu nutzen, um die im Januar 2005 aufgehobenen Sanktionen der Europäischen Union gegen Kuba wieder einzuführen. Sie machten in parlamentarischen Verhandlungen diese und die Frage der Entsendung einer EP-Delegation zur Übergabe des Sacharow-Preises in Kuba zum Kern eines Entschließungstextes. Das, so Helmuth Markov (GUE/NGL), hätte zu einer erneuten Eskalation des Konfliktes geführt. Ein eigener Resolutionsvorschlag der Linksfraktion konnte im Parlament aber nicht durchgesetzt werden.
Gemeinsam mit Vertretern der sozialdemokratischen und der grünen Fraktion gelang es in komplizierten Kompromissverhandlungen schließlich, beide Punkte aus dem Resolutionsentwurf herauszuhalten. Die Linksfraktion hat den Text nicht gezeichnet, »weil wir eine Reduzierung der Debatte über Kuba auf die Frage der demokratischen und Menschenrechte für unzulässig halten«, und versuchte, mit Änderungsanträgen zur Wirtschaftsblockade und zur Notwendigkeit der konsequenten Weiterentwicklung der Beziehungen zu Kuba den Entwurf zu verbessern – fand damit aber kein positives Echo in den anderen Fraktionen. Der Entschließung dtimmten im Plenum schließlich sieben Mitglieder der GUE/NGL zu, darunter die Vertreter der Linkspartei.PDS André Brie, Helmuth Markov und Gabi Zimmer. Andere wie Sylvia-Yvonne Kaufmann, Feleknas Uca (beide Linkspartei) und Fraktionschef Francis Wurtz (FKP) enthielten sich der Stimme. 20 der anwesenden Fraktionsmitglieder votierten gegen die Resolution, auch Sahra Wagenknecht (Linkspartei), die sie als »einseitig« ablehnt. Sie werde nicht im geringsten der komplexen kubanischen Realität gerecht, sei in ihrer »Instrumentalisierung von Menschenrechten Ausdruck einer unerträglichen Doppelmoral« und ziele auf die Beseitigung des kubanischen Systems. Der Parteilose Tobias Pflüger, der auf der PDS-Liste ins Europäische Parlament einzog und bei der Abstimmung nicht dabei war, verweist darauf, dass die Resolution deutlich die Handschrift der Konservativen im Hause trage. Cuba si und »Vertreter deutscher Kultur und Politik« auf der 15. Internationalen Buchmesse in Havanna fühlten sich bei der Zustimmung der EU-Abgeordnten gar »an die dunkelsten Tage des deutschen Parlamentarismus« erinnert, »die Bewilligung der Kriegskredite 1914 im deutschen Reichstag und das Ermächtigungsgesetz 1933«.
Aus der Sicht jener Linksparteivertreter, die die Resolution nicht abgelehnt haben, dürfe sich die Linke dagegen nicht scheuen, Menschenrechtsverletzungen im Rahmen ihrer Solidarität mit Kuba zu kritisieren. Sie pocht auf die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte, während Konservative, Liberale, Sozialdemokraten und Grüne Verletzungen oft genug da tolerierten, wo es sich um Bündnispartner handelt oder es ihnen politisch nicht opportun scheint. Mit einer solchen Haltung »würden wir unsere Glaubwürdigkeit aber überall dort schmälern, wo es besonders wichtig ist, der Verletzung der demokratischen und Menschenrechte ein Ende zu setzen (Türkei, Irak, USA etc.)«.
Der PDS-Ehrenvorsitzende Hans Modrow, einst selbst Europaabgeordneter, mahnt die Brüsseler Parlamentarier, sich ihrer Verantwortung für einen politischen Dialog mit Kuba und der Einbeziehung des Landes in gute Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika bewusst zu sein. Pauschale Vorwürfe seien da nicht besonders hilfreich. »Ich glaube, wenn man verschiedene Meinungen hat, dann ist es in der Politik der richtige Weg, dass man miteinander redet, und nicht, dass man die Debatte aussetzt«, sagte Helmuth Markov gestern mit Blick auf die Verschiebung der Reise durch Havanna. »Unter Freunden sollten auch unterschiedliche Auffassungen möglich und normal sein und im Gefühl der Solidarität gemeinsam beredet werden.«

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