Tiefe Kluft zur Basis

Pressebericht in: Junge Welt, 20.02.2006

In Berlin diskutierten Mitglieder der Linkspartei.PDS mit dem Europaparlamentarier Helmuth Markov über Kuba, parlamentarische Zwänge und ihr Verhältnis zum Sozialismus

Von Harald Neuber

Gut zwei Wochen, nachdem die EU-Parlamentarier André Brie, Helmuth Markov und Gabriele Zimmer in Brüssel für eine antikubanische Resolution gestimmt hatten, stellte sich Markov am Samstag im Berliner Karl-Liebknecht-Haus der Basis. Rund achtzig Personen waren zu der Debatte gekommen, und schnell wurde klar: Es geht bei den Protesten und Diskussionen, die seit der Skandalabstimmung die Partei im Atem halten, um weit mehr als die Haltung zum sozialistischen Kuba. »Es geht um das Verhältnis zu unserem eigenen Leben«, sagte Ellen Brombacher, die als Bundessprecherin der Kommunistischen Plattform auf dem Podium saß. Und darum, wie man zu den »vergangenen und bestehenden Versuchen, ein System jenseits der der kapitalistischen Profitlogik zu etablieren«, stehe.

Allein darin bestand Konsens zwischen Markov und den anderen beiden Diskutanten Brombacher und Horst Schäfer, der als Buchautor (»Im Fadenkreuz: Kuba«) eingeladen war. Zu wütenden Zwischenrufen kam es, als Markov, seit 1973 Mitglied der SED, sein Abstimmungsverhalten mit dem Gründungskonsens der PDS 1989 begründete. »Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus«, sei damals festgestellt worden. Und die Kritik an solchen Verhaltensweisen, sagte er, dürfe eben nicht »vor Freunden« halt machen. Im übrigen vertrete er die These der Unteilbarkeit der Menschenrechte.

Harri Grünberg, Mitarbeiter der Bundestagsfraktion der Linkspartei.PDS, widersprach. Kuba als Wurmfortsatz des Stalinismus zu bezeichnen, sei historisch schlichtweg falsch. Kuba sei zudem Teil einer länderübergreifenden Linksentwicklung in Lateinamerika: »Die Brüssler Resolution ist in dieser Situation Teil einer Gegenoffensive«. In Gremien der Bundestagsfraktion habe man sich daher gefragt, weshalb die Linke keinen eigenen Entwurf vorgelegt habe. Es war nicht die einzige Frage, die Markov in die Defensive brachte. Bevor eine eigene Erklärung zur Abstimmung kam, sei die antikubanische Resolution angenommen worden, rechtfertigte er sich. Unklar blieb, weshalb dann für die antikubanische Resolution gestimmt wurde.

Zweifelhaft bleibt nach diesem Abend, ob eine weitere inhaltliche Debatte stattfinden wird, wie sie von Brombacher, Grünberg und anderen als Konsequenz aus der Abstimmung gefordert wurde. Daß daran im Parteiapparat kein Interesse besteht, war im Vorfeld der Veranstaltung deutlich geworden. Dominic Heilig, der die Diskussion als Vorsitzender der Gruppe »Junge Linke.PDS Berlin-Brandenburg« moderierte, hatte den EU-Abgeordneten Tobias Pflüger wenige Tage zuvor öffentlich aufgefordert, sein Mandat niederzulegen. Pflüger hatte das Abstimmungsverhalten der drei Parlamentskollegen in einem jW-Interview scharf kritisiert. Daß er sich damit auf einer Linie mit der Parteibasis befindet, wurde inzwischen deutlich. Einen offenen Brief von Ellen Brombacher und Thomas Hecker von der Kommunistischen Plattform haben bereits 860 Parteimitglieder unterschrieben. Titel: »Dem sozialistischen Kuba gehört unsere Solidarität.«

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