Bundeswehr-Einsatz im Kongo: Testfall für militärischen Zugriff der EU auf Rohstoffressourcen

Pressebeericht in: Rote Fahne-News, 21.03.06

Wenn auch verschiedene bürgerliche Politiker wie etwa Unions-Verteidigungsexperte Bernd Siebert noch "große Bauchschmerzen" gegenüber dem geplanten Bundeswehr-Einsatz im Kongo haben - spätestens seit gestern sind zumindest auf militärischer Ebene die Weichen dafür gestellt. Auf Einladung des Berliner Verteidigungsministeriums trafen sich am Montag Vertreter der militärischen Führungsstäbe aus acht EU-Staaten, um die gemeinsame Militärintervention unter deutscher Führung festzuklopfen. Deutschland und Frankreich stellen mit jeweils 500 Soldaten die größten Kontingente. Der erstmals nur unter EU-Kommando - also nicht mehr der Nato - stehende Einsatz wird vom Einsatzführungskommando in Potsdam koordiniert und ist damit auch ein Test für weitere Einsätze der im Aufbau befindlichen EU-Eingreiftruppe.

Musste für bisherige Auslandseinsätze der Bundeswehr noch angeblicher "Völkermord" wie in Jugoslawien oder der "Kampf gegen den Terror" wie in Afghanistan herhalten, reicht jetzt als Rechtfertigung schon die "Bitte" der UNO, die "ersten demokratischen Wahlen seit 45 Jahren" im Kongo am 18. Juni 2006 abzusichern. Die Durchsetzung demokratischer Verhältnisse im Kongo interessiert die selbst ernannten "Heilsbringer" der Menschheit in den europäischen Regierungszentralen jedoch am allerwenigsten. So erfolgt auch der jetzige Militäreinsatz mit dem offiziellem Einverständnis des mit diktatorischen Methoden regierenden kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila.

Abgesichert werden soll dadurch in erster Linie die Ausplünderung des Landes durch internationale Konzerne wie Bayer und Siemens. So konstatierte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Schockenhoff, denn auch erst vor wenigen Tagen, der Kongo verfüge "vor allem über strategische Rohstoffe (...), die für Europa wichtig sind". Das Auswärtige Amt preist in einem Strategiepapier wichtige Rohstoffe des Gebietes an wie "Erdöl, Kobalt, Coltan". 80 Prozent der weltweiten Coltan-Reserven, das vor allem für die Handy-Produktion benötigt wird, lagern im Kongo. Das deutsche Unternehmen H.C. Starck, eine Tochtergesellschaft von Bayer, war jahrelang einer der Hauptabnehmer kongolesischen Coltans.

Bereits seit 1994 nahmen staatliche Stellen der Bundesrepublik Teilhaberfunktionen unter anderem an der Mine Lueshe im Osten des Kongo wahr, in der Rohstoffe für die Herstellung von Düsenmotoren und Raketenteilen gefördert werden. In einem weiteren Positionspapier des Auswärtigen Amtes heißt es, die Demokratische Republik Kongo werde in Zukunft "aufgrund ihrer Größe, des Rohstoffreichtums und der zentralen Lage an politischem und wirtschaftlichem Gewicht erheblich gewinnen". Gemessen daran stagniert aufgrund der instabilen politischen Verhältnisse jedoch die Förderung und der Export dieser Rohstoffe. Das ist auch gemeint, wenn Verteidigungsminister Franz Josef Jung am 17.3. gegenüber der "Bild"-Zeitung von der Förderung der "Stabilität in der rohstoffreichen Region" sprach, die "auch der deutschen Wirtschaft nutzt".

Tatsächlich war der Kampf um die Beherrschung dieser Rohstoffe ein wesentlicher Hintergrund für den jahrelangen Bürgerkrieg im Kongo, der mehrere Millionen Menschen das Leben kostete. Deutsche Geheimdienste sowie obskure Geschäftsleute wie der Finanzier der Mine Lueshe und verschiedener Rebellenmilizen, Karl-Heinz Albers, waren maßgeblich darin verstrickt. Es ist an Heuchelei kaum zu überbieten, wenn sich nun die Bundesregierung an der Seite der anderen EU-Mächte ausgerechnet als Garant der "Stabilität" und "Demokratie" im Kongo aufspielt. Gemeint ist damit allenfalls die "stabile" Durchsetzung ihrer Profitinteressen, für die sie auch über Leichen zu gehen bereit sind.

So enthüllte Tobias Pflüger, auf der Liste der PDS ins Europaparlament gewählter parteiloser Europaabgeordneter, dass im Gegensatz zu allen offiziellen Verlautbarungen ein umfangreicher, zeitlich und räumlich unbeschränkter Militäreinsatz unter Führung der Bundeswehr im Kongo geplant ist. EU-Truppen sollen auch in den benachbarten Staaten wie Gabun und Kongo-Brazzaville stationiert werden. Weiterhin ist geplant, die neu gegründete EU-Gendarmerie, die aus paramilitärischen Verbänden der EU-Staaten besteht, in Kinshasa-Stadt einzusetzen. Vermutlich weil die EU-Strategen alles andere als stabile Verhältnisse unter der Masse der Bevölkerung erwarten.

Angesichts der Erfahrungen im Irak und in Afghanistan sind auch die Bedenken etwa des stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden Werner Hoyer durchaus nachvollziehbar, der fragt: "Wie kann man sicher sein, nach vier Monaten wieder herauszukommen?" Dass dies gar nicht geplant ist, weiß Außenminister Steinmeier am besten, der verharmlosend von einer "nicht ganz risikofreien" Angelegenheit spricht. Es ist aber gerade das unlösbare Dilemma der imperialistischen Großmächte, dass sie sich mit jedem neuen militärischen "Kriseneinsatz" in neue Kämpfe, Aufstände und bewaffnete Gegenwehr verstricken, durch die ihr Militärapparat zunehmend geschwächt wird.

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