EU-Parlament hebt Immunität Pflügers auf

Pressebericht in: Schwäbisches Tagblatt, tagblatt-online, 16.05.2006

(tol). Wie das Büro des Tübinger Europa-Abgeordneten Tobias Pflüger mitteilt, hat am Dienstag eine "deutliche Mehrheit" des Europäischen Parlaments die Immunität von Pflüger aufgehoben. Sie wurde vom Abgeordneten der Lega Nord, Francesco Speroni, gefordert, eine breite Koalition von Konservativen, Liberalen, Sozialdemokraten, Grünen und Rechtsextremen habe diesem Ansinnen die Mehrheit verschafft. Die Aufhebung der Immunität sei "politisch motiviert", so Pflüger, der für die Linksfraktion im Europa-Parlament sitzt.

Grund der Aufhebung sei ein explizit politischer Fall gewesen, so Pflüger. Ihm wird von der Staatsanwaltschaft München vorgeworfen, während einer Demonstration Straftaten begangen zu haben, als er Polizeibeamte um Auskunft über die Personalien eines festgenommenen Demonstrationsteilnehmers gebeten habe. Er habe sich ihnen gegenüber als Europaabgeordneter ausgewiesen. Von zwei Polizeibeamten sei er ein halbes Jahr nach der angeblichen Tat angezeigt worden.

Es ist das vierte Ermittlungsverfahren (1999, 2003, 2004, 2005) "einer bestimmten Staatsanwaltschaft in Bayern" ("Staatsanwaltschaft München I") gegen Pflüger anlässlich seiner Beteiligung an Protesten gegen die Münchener Sicherheitskonferenz. Ein Gericht in Tübingen sprach ihn wegen der Anzeige 1999 frei. Das Verfahren 2003 wurde eingestellt, und für die "brutale Festnahme" im Jahr 2004 habe sich die Polizei später bei ihm entschuldigt.

War es bislang bisherige Praxis des Europäischen Parlaments, in der Grundtendenz die Immunität von Mitgliedern des Europäischen Parlaments in politischen Angelegenheiten nicht aufzuheben, so sei mit der heutigen Entscheidung diese Grundtendenz umgekehrt und die Immunitätsaufhebung zum Spielball gegen missliebige Auffassungen gemacht worden, heißt es in der Pressemitteilung aus Brüssel.

Der EU-Abgeordnete sieht in der Entscheidung vom Dienstag grünes Licht für eine politische Verfolgung durch die Mehrheit des Europäischen Parlaments. Würde gegen einen Parlamentsabgeordneten in Weißrussland von einer bestimmten Staatsanwaltschaft wegen dessen Beteiligung an Protesten ständig ermittelt, würde das Europäische Parlament sicherlich diese Art der politischen Verfolgung gegeißelt haben, sagt Pflüger. Doppelte Standards gehörten inzwischen zum ganz gewöhnlichen Handwerkszeug der Mehrheit im Europäischen Parlament.

Das Verhalten von Sozialdemokraten und Grünen sei ein Armutszeugnis, schimpft der Tübinger. Die Aushöhlung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Deutschland und in der EU gehe immer weiter, da sei dieser Fall nur einer unter vielen.

Selbstverständlich werde er im Februar kommenden Jahres wieder an den Protesten gegen die Münchner NATO-Sicherheitskonferenz teilnehmen, kündigt Pflüger an. Dem Gerichtsverfahren sehe er gelassen entgegen, schließlich habe er sich nichts "vorzuwerfen". Er habe sich nur für einen "brutal festgenommenen Demonstranten" eingesetzt.

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