ÜBRIGENS: Es ist Krieg – und die Grünen tauchen ab

Pressebericht in: Schwäbisches Tagblatt, 05.08.2006

Sitzblockaden gegen Pershings in Mutlangen, Menschenketten auf der Alb. Der Pazifismus gehört zum Ursprung der Grünen wie der Aufkleber "Atomkraft – nein danke!" oder das Rotationsprinzip. Die Friedens- und die Anti-AKW-Bewegung – das waren die beiden wichtigsten Wurzeln der Partei.

Friedenspolitische Debatten hatten bei den Grünen noch lange einen hohen Stellenwert. Als sich nach dem Ende des Kalten Kriegs Machtblöcke und Konfliktlinien verschoben, machten sie es sich nicht leicht. Vorstands-Mitglied Christian Vogt-Moykopf forderte im Golfkrieg Bundeswehrtruppen zum Schutz Israels und bekam von seinen Tübinger Parteifreunden den Ausschluss angedroht. 1994 kehrte der heutige Europa-Abgeordnete der Linksfraktion Tobias Pflüger den Grünen den Rücken, weil er den Pazifismus bei ihnen nicht mehr genügend verankert sah. Nach den Bundeswehreinsätzen im Kosovo oder in Afghanistan folgten ihm viele weitere Mitglieder, aus deren Sicht die Partei ihre friedenspolitische Glaubwürdigkeit verloren hatte.

Jetzt ist wieder Krieg. Der Verein Flüchtlingskinder im Libanon oder arabische Studenten und Akademiker rufen zu Kundgebungen auf. Die Menschenrechts-Anwältin Felicia Langer klagt die israelische Militärpolitik an, die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel fordert den sofortigen Waffenstillstand. Doch die Grünen tauchen bei diesen Demonstrationen nicht auf, und auch sonst ist von ihnen zu Raketen und Bomben nichts zu hören.

Man wolle sich nicht vereinnahmen lassen, sagt Claudia Patzwahl vom Tübinger Kreisvorstand auf Nachfrage. Man fühle sich "sehr hilflos" gegenüber dem Nahost-Konflikt, "einem der schwierigsten überhaupt". Interne Gesprächsrunden in der Sommerpause sollen helfen, eine Position zu entwickeln.

"Es ist für jeden Grünen klar, dass es unerträglich ist, was Israel macht. Aber auch, was die Hisbollah macht. Da gibt es keine einfachen Klarheiten, um auf die Straße zu gehen", findet der Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann. Der Tübinger erkennt auch eine gewisse Diskursmüdigkeit in seiner Partei.

Es gebe kaum mehr friedenspolitisch aktive Gruppen. Viele Grüne hätten sich der Steuer-, Sozial- oder Kinderpolitik zugewandt, andere sich ganz aus der Politik zurückgezogen. "Ich bin bei dem Thema viel mehr zwiegespalten als bei allen anderen", bekennt Holger Kesten, früherer Landesvorsitzender der Grünen Jugend: "Es ist ein deutsches Thema, es geht auch um das Existenzrecht Israels." Um so schlimmer, dass sich die Grünen aus der Diskussion verabschiedet haben.

Renate Angstmann-Koch

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