Behörden-Siesta - Weil das Verfahren stockt, kann sichTobias Pflüger nicht verteidigen
Pressebericht in: Schwäbisches Tagblatt, 12.08.2006
Die Staatsanwaltschaft München I hat den Tübinger Europaabgeordneten Tobias Pflüger im Visier. Sie wirft ihm Straftaten bei Protesten gegen die Münchener Sicherheitskonferenz 2005 vor – konkret: Beleidigung und Körperverletzung. Zwei Polizeibeamte sollen die Opfer gewesen sein. Pflüger, der sich als Pazifist versteht, bestreitet den Sachverhalt. Er habe sich als Europaabgeordneter ausgewiesen, als er die Polizisten um Auskunft über die Festnahme eines Demonstranten bat. Sie hätten ihn erst ein halbes Jahr später angezeigt – „eine erfundene Geschichte“.
Pflüger führt an, dass besagte Staatsanwaltschaft bereits zum vierten Mal gegen ihn in Zusammenhang mit der Münchner Sicherheitskonferenz ermittle – stets ohne Erfolg. 1999 habe ihn das Gericht frei gesprochen, 2003 wurde das Verfahren eingestellt, und 2004 habe sich die Polizei später für seine brutale Festnahme entschuldigt.
Über all das berichteten wir am 17. Mai. Am Vortag hatte das Europäische Parlament die Immunität des 41-jährigen Tübingers aufgehoben. Der Beschluss fiel auf Grundlage eines Berichts des italienischen Abgeordneten Francesco Speroni von der rechtslastigen Lega Nord, der dem Kollegen von der Linksfraktion gewiss nicht wohlgesinnt ist. Pflüger hatte gehofft, das Parlament werde die Sache mit den Stimmen von Sozialdemokraten und Grünen in den Rechtsausschuss verweisen. Dann hätte er die Chance gehabt, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Doch dem war nicht so: Der Parlamentsbeschluss mitten in einem Abstimmungs-Marathon fiel in einer breiten Koalition, nur die Linksfraktion stimmte geschlossen mit Nein. Erst nach der Entscheidung gab es bei Sozialdemokraten und Grünen Debatten. Um eine Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten Martin Schulz bemühten wir uns bisher vergeblich. Der Abgeordnete macht gerade Urlaub.
Seit der Entscheidung muss sich Pflüger bei jeder Gelegenheit fragen lassen, was er bitteschön angestellt, warum er seine Immunität verloren hat. Deshalb liegt ihm daran, dass die Vorwürfe rasch geklärt und die Ermittlungen eingestellt werden – oder Anklage erhoben wird, damit er sich verteidigen kann.
Darauf kann der Kriegsgegner lange warten. Denn bis Freitag vergangener Woche lag bei der Staatsanwaltschaft München I noch nicht einmal die offizielle Mitteilung über die Aufhebung der Immunität vor. Das erfuhren wir am Dienstag durch einen Anruf beim für Presseauskünfte zuständigen Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Die Übermittlung laufe über den offiziellen behördlichen Rechtshilfe-Verkehr. Da seien auch Ministerien involviert, das könne länger dauern.
Bis die Mitteilung eingeht, ruhe das Verfahren. Und solange es ruhe, gebe die Staatsanwaltschaft keine Auskünfte, was sie Pflüger vorwirft. So können wir uns nur auf die Angaben des Abgeordneten selbst und auf ein Schreiben seiner Anwältin Angelika Lex an die Staatsanwaltschaft stützen. Demnach sei die Behauptung eines Beamten, Pflüger habe seinen ihm „auf die Schulter“ gelegten Arm zur Seite geschlagen (die vorgeworfene Körperverletzung) unzutreffend. Und dass der Tübinger die Beamten als „Arschloch“ und „Arschkopf“ beleidigt habe, sei frei erfunden.
Im übrigen seien die Behauptungen auch „völlig abwegig“: „Weshalb sollte mein Mandant die Vorlage seines Abgeordnetenausweises verweigern, wenn er gerade wegen seiner Stellung als Abgeordneter Rechte geltend machen wollte?“ Pflüger behalte sich vor, gegen die Beamten Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung zu stellen, schreibt die Rechtsanwältin. Die Polizei habe ihn in der Ausübung seiner Rechte als Parlamentarier behindert.
Pflüger war sprachlos, als er vom Stocken des Verfahrens erfuhr. Er weiß, dass es „von außen“, etwa aus dem Umfeld der „Informationsstelle Militarisierung“, der WASG und der Linkspartei Protest-Mails gegen die Aufhebung seiner Immunität an Martin Schulz und Monica Frassoni gegeben hat, die Fraktions-Verantwortlichen von Sozialdemokraten und Grünen. Er weiß, dass der Wernauer WASG-Aktivist Thomas Mitsch auf seiner Homepage 1571 Protest-Einträge gesammelt hat. Doch er wird wohl erst im September der Frage nachgehen können, warum das Verfahren gegen ihn so schleppend verläuft. Das Europäische Parlament macht gerade Sommerpause – bis Ende August. Renate Angstmann-Koch
Text: Renate Angstmann-Koch
Quelle: http://www.tagblatt.de/?artikel_id=1358704
Die Staatsanwaltschaft München I hat den Tübinger Europaabgeordneten Tobias Pflüger im Visier. Sie wirft ihm Straftaten bei Protesten gegen die Münchener Sicherheitskonferenz 2005 vor – konkret: Beleidigung und Körperverletzung. Zwei Polizeibeamte sollen die Opfer gewesen sein. Pflüger, der sich als Pazifist versteht, bestreitet den Sachverhalt. Er habe sich als Europaabgeordneter ausgewiesen, als er die Polizisten um Auskunft über die Festnahme eines Demonstranten bat. Sie hätten ihn erst ein halbes Jahr später angezeigt – „eine erfundene Geschichte“.
Pflüger führt an, dass besagte Staatsanwaltschaft bereits zum vierten Mal gegen ihn in Zusammenhang mit der Münchner Sicherheitskonferenz ermittle – stets ohne Erfolg. 1999 habe ihn das Gericht frei gesprochen, 2003 wurde das Verfahren eingestellt, und 2004 habe sich die Polizei später für seine brutale Festnahme entschuldigt.
Über all das berichteten wir am 17. Mai. Am Vortag hatte das Europäische Parlament die Immunität des 41-jährigen Tübingers aufgehoben. Der Beschluss fiel auf Grundlage eines Berichts des italienischen Abgeordneten Francesco Speroni von der rechtslastigen Lega Nord, der dem Kollegen von der Linksfraktion gewiss nicht wohlgesinnt ist. Pflüger hatte gehofft, das Parlament werde die Sache mit den Stimmen von Sozialdemokraten und Grünen in den Rechtsausschuss verweisen. Dann hätte er die Chance gehabt, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Doch dem war nicht so: Der Parlamentsbeschluss mitten in einem Abstimmungs-Marathon fiel in einer breiten Koalition, nur die Linksfraktion stimmte geschlossen mit Nein. Erst nach der Entscheidung gab es bei Sozialdemokraten und Grünen Debatten. Um eine Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten Martin Schulz bemühten wir uns bisher vergeblich. Der Abgeordnete macht gerade Urlaub.
Seit der Entscheidung muss sich Pflüger bei jeder Gelegenheit fragen lassen, was er bitteschön angestellt, warum er seine Immunität verloren hat. Deshalb liegt ihm daran, dass die Vorwürfe rasch geklärt und die Ermittlungen eingestellt werden – oder Anklage erhoben wird, damit er sich verteidigen kann.
Darauf kann der Kriegsgegner lange warten. Denn bis Freitag vergangener Woche lag bei der Staatsanwaltschaft München I noch nicht einmal die offizielle Mitteilung über die Aufhebung der Immunität vor. Das erfuhren wir am Dienstag durch einen Anruf beim für Presseauskünfte zuständigen Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Die Übermittlung laufe über den offiziellen behördlichen Rechtshilfe-Verkehr. Da seien auch Ministerien involviert, das könne länger dauern.
Bis die Mitteilung eingeht, ruhe das Verfahren. Und solange es ruhe, gebe die Staatsanwaltschaft keine Auskünfte, was sie Pflüger vorwirft. So können wir uns nur auf die Angaben des Abgeordneten selbst und auf ein Schreiben seiner Anwältin Angelika Lex an die Staatsanwaltschaft stützen. Demnach sei die Behauptung eines Beamten, Pflüger habe seinen ihm „auf die Schulter“ gelegten Arm zur Seite geschlagen (die vorgeworfene Körperverletzung) unzutreffend. Und dass der Tübinger die Beamten als „Arschloch“ und „Arschkopf“ beleidigt habe, sei frei erfunden.
Im übrigen seien die Behauptungen auch „völlig abwegig“: „Weshalb sollte mein Mandant die Vorlage seines Abgeordnetenausweises verweigern, wenn er gerade wegen seiner Stellung als Abgeordneter Rechte geltend machen wollte?“ Pflüger behalte sich vor, gegen die Beamten Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung zu stellen, schreibt die Rechtsanwältin. Die Polizei habe ihn in der Ausübung seiner Rechte als Parlamentarier behindert.
Pflüger war sprachlos, als er vom Stocken des Verfahrens erfuhr. Er weiß, dass es „von außen“, etwa aus dem Umfeld der „Informationsstelle Militarisierung“, der WASG und der Linkspartei Protest-Mails gegen die Aufhebung seiner Immunität an Martin Schulz und Monica Frassoni gegeben hat, die Fraktions-Verantwortlichen von Sozialdemokraten und Grünen. Er weiß, dass der Wernauer WASG-Aktivist Thomas Mitsch auf seiner Homepage 1571 Protest-Einträge gesammelt hat. Doch er wird wohl erst im September der Frage nachgehen können, warum das Verfahren gegen ihn so schleppend verläuft. Das Europäische Parlament macht gerade Sommerpause – bis Ende August. Renate Angstmann-Koch
Text: Renate Angstmann-Koch
Quelle: http://www.tagblatt.de/?artikel_id=1358704
Tobias Pflüger - 2006/08/24 11:15
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