Heike Hänsel: „Eine KSZE für den Nahen Osten“
Pressebericht in: Schwäbisches Tagblatt, 06.09.2006
Seit einem Jahr sitzt die 40-jährige Heike Hänsel für die Linkspartei im Berliner Bundestag. Die Arbeit macht ihr „Spaß“, sagt sie, „Politik ist mein Lebensinhalt.“ Ganz zufrieden ist die Tübinger Abgeordnete aber nicht. Manchmal beschleicht sie das Gefühl, nicht wirkungsvoll genug zu sein.
Die parlamentarische Sommerpause ist vorbei. Seit Montag sitzen die Abgeordneten wieder in Berlin. Doch die Sommerpause ist für sie keine Freizeit, die ist für die inhaltliche Arbeit gedacht. So tourte Heike Hänsel während des Krieges im Libanon auch zu Kundgebungen, hielt Reden, beantwortete Presseanfragen. Urlaub hatte sie etwa zehn Tage – die verbrachte sie in Griechenland.
Jetzt hat der Abgeordneten-Alltag die 40-Jährige wieder. Spätestens um 9 Uhr ist die Linkspartei-Frau im Bundestag. Kurzer Check bei ihrem Mitarbeiter Alexander King, dann folgen Sitzungen (Hänsel ist Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie im Unterausschuss Vereinte Nationen), Treffen mit ausländischen Delegationen, Botschaftern oder außerparlamentarischen Organisationen. Abends zwischen 20 und 21 Uhr legt sie noch eine „E-Mail-Schicht“ ein, beantwortet Anfragen, schickt Kommentare an Kollegen.
Freizeit? Hin und wieder geht Hänsel in ihr Lieblingslokal „Terzamondo“ (Dritte Welt). Dort trifft sie Friedensaktivisten, hört griechische Musik und unterhält sich zwanglos mit dem Wirt Costas Papanastasiou. Joggen täte sie gern, aber „zum Laufen bin ich noch nicht gekommen“, sagt sie. Obwohl sie „richtig gute Laufschuhe“ hat.
Persönlich ist die Abgeordnete mit ihrer Arbeit im Bundestag „nicht zufrieden“. Was als Ergebnis herauskommt, reicht ihr noch nicht, „zu wenig meinungsbildend“. Nicht wirkungsvoll genug seien außerparlamentarische und parlamentarische Arbeit verknüpft. Der entwicklungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion fehlt der Übergang ins Praktische – etwa hin zum zivilen Ungehorsam. So will sie „einen neuen Politikstil“ kreieren, will außerparlamentarische Gruppen (Attac, Entwicklungsorganisationen, Umweltgruppen) einladen, die sich aktiv beteiligen und Einfluss auf die Parlamentsarbeit nehmen sollen. Die Zusammenarbeit mit dem Tübinger Europaabgeordneten Tobias Pflüger funktioniere sehr gut, schließlich seien ihre Themengebiete ähnlich – Friedenspolitik oder die Soziale Frage, die sie dringend wieder ins Zentrum der Diskussion bringen will.
Kontakte zu den anderen Tübinger Bundestagsabgeordneten (Herta Däubler-Gmelin, Winfried Hermann, Annette Widmann-Mauz) gebe es kaum, sagt Hänsel, „sie haben andere Themen“. Öfter tauscht sie sich dagegen mit Timo Hoppe, Hans-Christian Ströbele (beide Grüne) oder Hermann Scheer (SPD) aus.
Überrascht war Hänsel vom intensiven Lobbyismus der Wirtschaftsverbände. „Da kommen ständig Einladungen“, sagt sie, von Arbeitgeberverbänden oder der Vereinigung Kernenergie. Sie bieten Fachvorträge an, geben ein Sommerfest oder einen Empfang. Ein Vertreter der Pharmaindustrie habe ihr kürzlich seine Entwicklungsprojekte vorgestellt, um Aids zu bekämpfen. Überzeugen konnte er sie nicht. Auf verschiedenen Ebenen gehe es sehr subtil zu. Hänsel: „Da wird man viel hofiert.“
Andersherum sitzen aber auch viele Abgeordnete im Parlament, die „knallharte Lobbyisten sind“. Friedrich Merz etwa („den sehe ich so gut wie nie im Bundestag“) sitze in einer ganzen Reihe von Aufsichtsräten. Da gebe es viele Doppel- und Dreifachverdiener, die „vom Gürtel enger schnallen“ redeten. Ihre eigene Klientel komme dagegen mit Anfragen zu Kampagnen gegen den Rüstungsexport oder zu Menschenrechtsverletzungen. Das seien ganz normale Konsultationen. Hänsel: „Da ist kein Geld im Spiel.“
Den geplanten Bundeswehr-Einsatz im Libanon hält Hänsel für falsch. Sie habe erhebliche Kritik an der zugrunde liegenden Resolution 1701. Auch sei die Präsenz deutscher Soldaten in dieser Region aufgrund der deutschen Geschichte fatal. Es gebe viele andere, wichtige Aufgaben auf zivilgesellschaftlicher Ebene, etwa die (finanzielle) Unterstützung von Friedenskräften/Projekten auf allen Seiten. Sie spricht sich für einen gerechten Friedensprozess zwischen Israel und Palästina aus und fordert eine Art „KSZE“ für den Nahen Osten.
Manfred Hantke
Seit einem Jahr sitzt die 40-jährige Heike Hänsel für die Linkspartei im Berliner Bundestag. Die Arbeit macht ihr „Spaß“, sagt sie, „Politik ist mein Lebensinhalt.“ Ganz zufrieden ist die Tübinger Abgeordnete aber nicht. Manchmal beschleicht sie das Gefühl, nicht wirkungsvoll genug zu sein.
Die parlamentarische Sommerpause ist vorbei. Seit Montag sitzen die Abgeordneten wieder in Berlin. Doch die Sommerpause ist für sie keine Freizeit, die ist für die inhaltliche Arbeit gedacht. So tourte Heike Hänsel während des Krieges im Libanon auch zu Kundgebungen, hielt Reden, beantwortete Presseanfragen. Urlaub hatte sie etwa zehn Tage – die verbrachte sie in Griechenland.
Jetzt hat der Abgeordneten-Alltag die 40-Jährige wieder. Spätestens um 9 Uhr ist die Linkspartei-Frau im Bundestag. Kurzer Check bei ihrem Mitarbeiter Alexander King, dann folgen Sitzungen (Hänsel ist Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie im Unterausschuss Vereinte Nationen), Treffen mit ausländischen Delegationen, Botschaftern oder außerparlamentarischen Organisationen. Abends zwischen 20 und 21 Uhr legt sie noch eine „E-Mail-Schicht“ ein, beantwortet Anfragen, schickt Kommentare an Kollegen.
Freizeit? Hin und wieder geht Hänsel in ihr Lieblingslokal „Terzamondo“ (Dritte Welt). Dort trifft sie Friedensaktivisten, hört griechische Musik und unterhält sich zwanglos mit dem Wirt Costas Papanastasiou. Joggen täte sie gern, aber „zum Laufen bin ich noch nicht gekommen“, sagt sie. Obwohl sie „richtig gute Laufschuhe“ hat.
Persönlich ist die Abgeordnete mit ihrer Arbeit im Bundestag „nicht zufrieden“. Was als Ergebnis herauskommt, reicht ihr noch nicht, „zu wenig meinungsbildend“. Nicht wirkungsvoll genug seien außerparlamentarische und parlamentarische Arbeit verknüpft. Der entwicklungspolitischen Sprecherin der Linksfraktion fehlt der Übergang ins Praktische – etwa hin zum zivilen Ungehorsam. So will sie „einen neuen Politikstil“ kreieren, will außerparlamentarische Gruppen (Attac, Entwicklungsorganisationen, Umweltgruppen) einladen, die sich aktiv beteiligen und Einfluss auf die Parlamentsarbeit nehmen sollen. Die Zusammenarbeit mit dem Tübinger Europaabgeordneten Tobias Pflüger funktioniere sehr gut, schließlich seien ihre Themengebiete ähnlich – Friedenspolitik oder die Soziale Frage, die sie dringend wieder ins Zentrum der Diskussion bringen will.
Kontakte zu den anderen Tübinger Bundestagsabgeordneten (Herta Däubler-Gmelin, Winfried Hermann, Annette Widmann-Mauz) gebe es kaum, sagt Hänsel, „sie haben andere Themen“. Öfter tauscht sie sich dagegen mit Timo Hoppe, Hans-Christian Ströbele (beide Grüne) oder Hermann Scheer (SPD) aus.
Überrascht war Hänsel vom intensiven Lobbyismus der Wirtschaftsverbände. „Da kommen ständig Einladungen“, sagt sie, von Arbeitgeberverbänden oder der Vereinigung Kernenergie. Sie bieten Fachvorträge an, geben ein Sommerfest oder einen Empfang. Ein Vertreter der Pharmaindustrie habe ihr kürzlich seine Entwicklungsprojekte vorgestellt, um Aids zu bekämpfen. Überzeugen konnte er sie nicht. Auf verschiedenen Ebenen gehe es sehr subtil zu. Hänsel: „Da wird man viel hofiert.“
Andersherum sitzen aber auch viele Abgeordnete im Parlament, die „knallharte Lobbyisten sind“. Friedrich Merz etwa („den sehe ich so gut wie nie im Bundestag“) sitze in einer ganzen Reihe von Aufsichtsräten. Da gebe es viele Doppel- und Dreifachverdiener, die „vom Gürtel enger schnallen“ redeten. Ihre eigene Klientel komme dagegen mit Anfragen zu Kampagnen gegen den Rüstungsexport oder zu Menschenrechtsverletzungen. Das seien ganz normale Konsultationen. Hänsel: „Da ist kein Geld im Spiel.“
Den geplanten Bundeswehr-Einsatz im Libanon hält Hänsel für falsch. Sie habe erhebliche Kritik an der zugrunde liegenden Resolution 1701. Auch sei die Präsenz deutscher Soldaten in dieser Region aufgrund der deutschen Geschichte fatal. Es gebe viele andere, wichtige Aufgaben auf zivilgesellschaftlicher Ebene, etwa die (finanzielle) Unterstützung von Friedenskräften/Projekten auf allen Seiten. Sie spricht sich für einen gerechten Friedensprozess zwischen Israel und Palästina aus und fordert eine Art „KSZE“ für den Nahen Osten.
Manfred Hantke
Tobias Pflüger - 2006/09/06 13:30
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