»Arschkopf« wird teuer

Pressebericht in: Junge Welt, 16.November 2006

Der Europaabgeordnete Tobias Pflüger bekam einen Strafbefehl wegen Beleidigung von Polizisten. Er soll 6000 Euro bezahlen

Wegen angeblicher Beleidigung zweier Polizeibeamter soll der Europaabgeordnete Tobias Pflüger 6000 Euro Strafe zahlen. Bei den Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz Anfang Februar in München hatte der parteilose Politiker Zugang zu einem aus seiner Sicht willkürlich festgenommenen Demonstranten gefordert. Nachdem ihn die Beamten nicht durch die Absperrung gelassen hätten, habe Pflüger zwei Beamte »Arschloch« und »Arschkopf« genannt, heißt es in einem am Mittwoch bekanntgewordenen Strafbefehl des Amtsgerichts München. Das seien »zwei tateinheitliche Fälle der Beleidigung«, für die Pflüger 40 Tagessätze zu jeweils 150 Euro zahlen müsse. Innerhalb von zwei Wochen kann Pflüger Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen.

Ursprünglich hatten Polizei und Staatsanwaltschaft noch behauptet, Pflüger habe sich nicht ausgewiesen. Diesen Vorwurf ließ die Staatsanwaltschaft nun völlig fallen. Pflüger gab an, damals selbstverständlich seinen Parlamentarierausweis gezeigt zu haben. Auch vom anfangs zentralen Vorwurf der »versuchten Körperverletzung« rückt die Staatsanwaltschaft offensichtlich ab. Von einer Verfolgung würde abgesehen, da die hierfür zu erwartende Strafe nicht wesentlich ins Gewicht fiele, so Richter Dingerdissen. »Ich weiß von einer Reihe von Kollegen, daß die Zustimmung zur Aufhebung der Immunität nicht unwesentlich vom Vorwurf der Körperverletzung beeinflußt wurde«, meinte Pflüger gegenüber junge Welt. »Insofern bleibt die Frage, ob die Staatsanwaltschaft München hier nicht Falsches vorgetäuscht hat, um ihr Ziel zu erreichen.« Auf Antrag der Staatsanwaltschaft München war Pflügers Immunität als Abgeordneter des Europaparlaments von einer Mehrheit der EU-Abgeordneten am 18. Mai 2006 aufgehoben worden.

Für Polizei und Justiz in München ist der engagierte Antimilitarist Pflüger ein rotes Tuch. Bereits während der Sicherheitskonferenz 2003 war Pflüger eine Nacht lang inhaftiert worden, weil er in einer Rede Bundeswehrsoldaten zur Desertion im Falle einer Beteiligung am völkerrechtswidrigen Irak-Krieg aufgerufen hatte. Im folgenden Jahr nahm die Polizei Pflüger erneut fest und verletzte ihn dabei am Hals.

Nick Brauns

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