Warnung vor Interventionen

Pressebericht in: Junge Welt, 05.12.2006

13. Friedensratschlag in Kassel: Weitere Destabilisierung meist Folge des militärischen Eingreifens von außen in Konflikte. Appell gegen Militarisierung der EU

Reimar Paul

Militärische Interventionen bleiben nach Ansicht der Friedensbewegung ein untaugliches Mittel zur Schlichtung oder gar Lösung von Konflikten. In den meisten Fällen hätten sich die Verhältnisse in den betroffenen Ländern durch militärisches Eingreifen von außen nicht nachhaltig gebessert, konstatierte der Friedensforscher und -aktivist Peter Strutynski am vergangenen Wochenende auf dem 13. Friedenspolitischen Ratschlag in Kassel. Im Gegenteil: Vielfach habe sich die Lage danach »desaströs entwickelt«. Beispiele dafür seien Somalia, der Balkan, Haiti, Afghanistan, der Irak, der Nahe Osten sowie die Demokratische Republik Kongo.

»Ignorieren? Intervenieren? Sich engagieren!«, lautete das Motto der zweitägigen Konferenz. Knapp 400 Menschen waren zu dem Treffen gekommen, das jedes Jahr im Dezember von der AG Friedensforschung an der Universität Kassel veranstaltet wird. Der exiliranische Autor Bahman Nirumand warnte eindringlich vor einem Krieg gegen den Iran. Ein Angriff auf das Land würde die gesamte iranische Gesellschaft fester zsammenschweißen und auch die Opposition auf die Linie des autoritären Mullah-Regimes bringen. So werde es keinen politischen Wandel geben. Zudem bestehe bei einem Krieg gegen den Iran die große Gefahr, daß die ganze Region explodiere.

Daß militärische Interventionen von außen in aller Regel gegen das Völkerrecht und insbesondere das in der UN-Charta verankerte Gewaltverbot verstoßen, betonte der Völkerrechtler und Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion Norman Paech. Dies gelte vor allem für die in der US-Militärdoktrin, aber auch von der Bundesregierung propagierte Politik, unliebsame Regimes mittels Interventionen zu stürzen und auf diese Weise vorgeblich Demokratie zu exportieren.

Eine gegenseitige Anerkennung des staatlichen Existenzrechtes sowie der jeweiligen Sicherheitsprobleme mahnten die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion mit Blick auf den Nahost-Konflikt an. Nur so ließen sich die tief verwurzelten Feindbilder überwinden und ein dauerhafter Friede zwischen Israel und Palästina erreichen. Rolf Verleger, Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland, ging in Kassel auf die Frage ein, ob Juden die israelische Politik kritisieren dürfen. »Das Gebot der Nächstenliebe ist der zentrale Kern der jüdischen Religion«, erklärte er. Angesichts des Unrechts, das den Palästinensern von israelischer Seite angetan werde, sei von Nächstenliebe nicht mehr viel zu erkennen. Israel habe aber eine moralische Korrektur dringend nötig, da das gewaltsame Vorgehen im Namen der Terrorbekämpfung tiefste Erbitterung bei der arabischen Bevölkerung hervorrufe und langfristig Israels Existenz gefährde.

In einem abschließenden Podiumsgespräch diskutierten Johannes Becker (Zentrum für Konfliktforschungen der Uni Marburg), Monika Knoche (Bundestagsabgeordnete Die Linke), der linke Europaabgeordnete Tobias Pflüger sowie Thomas Roithner vom Österreichischen Studienzentrum für Konfliktlösung über die Perspektiven der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Sie forderten einen Stopp der Militarisierung der EU. Vielmehr müsse die Staatengemeinschaft auf eine zivile Außenpolitik verpflichtet werden.

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