»Die Linke ist und bleibt Antikriegspartei«

Tageszeitung junge Welt, 11.12.2006 / Inland / Seite 2

»Die Linke ist und bleibt Antikriegspartei«

Weitere Diskussion aber nötig, um Position auch gegen angeblich humanitäre Missionen zu sichern.
Ein Gespräch mit Christine Buchholz

Christine Buchholz ist Mitglied des Bundesvorstandes der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) und nahm am Samstag an einer friedenspolitischen Konferenz der Vereinigten Europäischen Linken in München teil

Warum ist es für eine linke Partei so schwer, mit einer Stimme zu sprechen, wenn es um Auslandseinsätze der Bundeswehr geht?

Die Linke ist gegen Auslandseinsätze. Das gilt auch für UN-mandatierte Interventionen nach Kapitel VII der UN-Charta. Es gibt aber verschiedene Meinungen darüber, ob UN-Einsätze in bestimmten Fällen helfen können, Konflikte zu lösen. Ich bin der Meinung, das können sie nicht. In der Vergangenheit hat sich mehrfach gezeigt: Sie wurden eher Teil des Problems. Die neue Linke sollte das in ihrem Programm klar formulieren. Es wird auch in Zukunft einen enormen Druck auf die Bundesregierung geben, sich an weiteren Einsätzen zu beteiligen, und die Linke sollte darauf vorbereitet sein, damit sie im entscheidenden Moment geschlossen sagen kann: Wir machen da nicht mit.

Versucht die Bundesregierung nicht meistens, diesen äußeren Druck auch herbeizureden?

Es gibt beide Faktoren: einerseits den Willen in der deutschen Außenpolitik, sich auch militärisch ins Spiel zu bringen, obwohl das die Mehrheit der Bevölkerung nicht will. Schon in den verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 ist das Ziel formuliert, »nationale Interessen« weltweit zu »verteidigen«. Anderseits gibt es tatsächlich wachsenden Druck von außen. Gerade im Irak, wo die USA feststecken, brauchen sie verstärkt die Unterstützung ihrer Bündnispartner.

Wie gut ist die parlamentarische Linke darauf vorbereitet?

Ich erwarte, daß die Linke standhaft bleibt, wenn eine Situation eintritt, in der die Medien und sämtliche Kriegsparteien im Bundestag einen enormen moralischen Druck aufbauen werden. Denn Kriege werden immer mit Lügen gerechtfertigt. Das Perfide ist, daß es den Menschen in bestimmten Ländern dreckig geht, daß es Massenmorde und Vergewaltigungen gibt und man glaubt, man könne die Situation nur noch militärisch verbessern.

Aber den Regierungen geht es bei Auslandseinsätzen nicht primär darum, den Menschen zu helfen. Im Kongo ist es unter anderem der Rohstoff Coltan, der das Interesse der Deutschen geweckt hat. Im Sudan ließ man den Konflikt zwei Jahre lang laufen, weil der Westen ein Interesse an der Stabilisierung des Regimes hatte. Jetzt hat die Debatte um den Sudan vor allem die Funktion, Auslandseinsätze zu legitimieren. Dort die ehemaligen Kolonialmächte einzusetzen hieße, den Bock zum Gärtner zu machen. Wie kann man glauben, sie würden dort die Probleme lösen?

Inwieweit ist es in Ihrer Partei Allgemeingut, daß hinter moralischer Argumentation meist andere Interessen stehen?

Die Parteitagsbeschlüsse beider Parteien, sowohl der Linkspartei.PDS als auch der WASG, zeigen eine deutliche Mehrheit dafür, hier eine klare Position zu formulieren. Das schließt aber nicht aus, daß manche Leute im Einzelfall unsicher in der Beurteilung von Konflikten sind.

Tobias Pflüger hat kürzlich gesagt: »Eine Linke, die nicht gegen Krieg ist, ist keine Linke«. Könnte das jeder in Ihrer Partei unterschreiben?

Ja, mit Sicherheit.

Nun gab es beispielsweise im Jugoslawien-Krieg die Sprachregelung, es handele sich um eine humanitäre Mission. Wie würde Ihre Partei mit einer emotionalen Mobilmachung wie der von 1999 umgehen?

Ich würde erwarten und alles dafür tun, daß sie standhält. Aber wie sie sich in einer konkreten Situation verhalten wird, das kann man nicht allein durch Parteitagsbeschlüsse regeln. Man muß am Einzelfall klarmachen, daß ein Militäreinsatz der falsche Weg ist. Deshalb ist es um so wichtiger, daß vorher in der Partei ausführlich diskutiert wurde. Debatten wie die auf der friedenspolitischen Konferenz in München müssen in allen Gliederungen geführt werden. Nur so ist im Ernstfall jedes Mitglied und jeder Sympathisant vor Kriegspropaganda gefeit.

Interview: Claudia Wangerin

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