Notwendigkeit einer Reform des Sicherheitssektors ("Security Sector Reform") in Südosteuropa
SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-4751/06 von Erik Meijer (GUE/NGL) und Tobias Pflüger (GUE/NGL) an die Kommission, 24. Oktober 2006
Betrifft: Notwendigkeit einer Reform des Sicherheitssektors ("Security Sector Reform") in Südosteuropa und Formen des Widerstands, die die Unterstützung dieses notwendigen Prozesses aufhalten
1. Ist die Kommission sich der Tatsache bewusst, dass derzeit in einigen der EU noch nicht beigetretenen Staaten in Südosteuropa die der parlamentarischen Demokratie vorausgehende Tradition nach wie vor erheblich stärker präsent ist als in Europa insgesamt, d.h. dass der militärische Teil des Staatsapparates quasi ein Staat im Staat ist und dadurch weder der parlamentarischen Demokratie, der bürgerlichen Rechtsprechung, der Achtung der Menschenrechte noch allen übrigen Merkmalen eines Rechtsstaates unterworfen ist. Stellt eine solche Tradition nicht ein Hemmnis bei der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien dar?
2. Betrachtet die Kommission die Beiträge von Organisationen wie etwa des Genfer Zentrums für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (Geneva Centre for Democratic Control of the Armed Forces (DCAF)) und des nichtstaatlichen Netzes Safeworld zur Reform des Sicherheitssektors (SSR) für Südosteuropa, die auf die Aufklärung und Schulung von Beratern behördlicher Stellen ausgerichtet ist, als eine positive Entwicklung, die aktiv unterstützt werden sollte, zumal diese eine unterstützende Aufgabe bei einer beschleunigten Anpassung des Militärapparates an die veränderte Rolle innerhalb eines demokratischen Rechtsstaates mit einer parlamentarischen Demokratie, in der die Menschenrechte geachtet werden, leisten können?
3. Ist der Kommission bekannt, dass man den mit externer Hilfe für die SSR ausgebildeten und finanzierten Beamten in einigen dieser Länder einen kurzfristigen Vertrag anbietet, und dass diese Beamten, wenn sie ihre Aufgabe erwartungsgemäß erfüllt haben, durch andere Personen ersetzt werden, die den autoritären militärischen Traditionen weniger kritisch gegenüberstehen, aber keine entsprechende Ausbildung absolviert haben?
4. Ist der Kommission außerdem bekannt, dass diese für die SSR ausgebildeten und eingestellten Beamten in einigen dieser Länder nachdrücklich aufgefordert werden, Mitglied der Regierungspartei zu werden, und zwar nicht aus eigener, freiwilliger individueller Entscheidung oder als Anreiz, die Anhänger dieser Partei von der Notwendigkeit der SSR zu überzeugen, sondern um ihren Spielraum für eine kritische Haltung einzuschränken?
5. Wie will die Kommission - gegebenenfalls gemeinsam mit dem Europarat und der OSZE - bewirken, dass in den Staaten, die eine Assoziierung mit der EU, eine Unterstützung durch die Gemeinschaft oder eine künftige Mitgliedschaft anstreben, der Prozess der SSR weder behindert, noch unterbrochen oder beendet wird, und dass die mit externer Hilfe eingestellten Beamten ihre Aufgabe fortführen und vollenden können, damit auch in Zukunft gewährleistet wird, dass der Militärapparat einem transparenten demokratischen Rechtsstaat unterstellt ist und diesem zu Diensten steht?
E-4751/06DE
Antwort von Herrn Rehn im Namen der Kommission, 20.12.2006
1. Auch wenn es nicht die Aufgabe der Kommission ist, sich mit Sicherheitsfragen zu befassen, ist sie sich der Tatsache bewusst, dass die Militärstrukturen in den Ländern dieser Region demokratischer werden müssen, damit sie mit den Kopenhagener Kriterien in Einklang gebracht werden können. Die Länder mit Mängeln in diesem Bereich werden daher von der Kommission dazu angehalten, ihre demokratische Kontrolle über die Verteidigungs- und Sicherheitsstrukturen zu entwickeln und zu stärken. Den erzielten Ergebnissen wird in den jährlichen Bewertungsberichten besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Außerdem ist diese Frage oft Teil der Prioritäten der Europäischen Partnerschaften.
2. Die Kommission unterstützt in der Region alle Initiativen zur Entwicklung einer transparenten und demokratischen Rolle der Verteidigungsstrukturen. Zum Beispiel unterstützt sie im Rahmen des Stabilitätspakts die Initiative RACVIAC und finanziert bestimmte Maßnahmen von SAFERWORLD in den Balkanstaaten.
3. Der Kommission liegen keine Informationen zu den geschilderten Vorkommnissen vor.
4. Allgemein lässt sich in den Verwaltungen dieser Länder häufig eine äußerst hohe Fluktuation der Führungskräfte feststellen. Die Kommission hilft allen Ländern der Region bei ihren Verwaltungsreformen damit sie eine wirksame, transparente, offene und politisch neutrale Verwaltung nach europäischen Standards aufbauen können, in der die Beamten nach eindeutigen und festgelegten Rechtsvorschriften eingestellt, versetzt oder entlassen werden; die Programme CARDS und PHARE sind zu einem großen Teil der Verbesserung der Verwaltungskapazitäten gewidmet. Die Verwaltungsreform ist eine Priorität aller Europäischen Partnerschaften mit diesen Ländern und wird bei den Bewertungsberichten ganz besonders berücksichtigt.
5. Die Kommission fördert den Reformprozess im Sicherheitssektor aktiv. Im militärischen Bereich gewährt sie eine eher politische Unterstützung im Rahmen des Dialogs mit den Ländern. Für zivile Bereiche, wie Polizei oder Justiz gibt es eine konkrete Unterstützung über die Hilfsprogramme und eine regelmäßige Fortschrittskontrolle im Rahmen der Integration in die Europäische Union.
Hinsichtlich der Beziehungen mit dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) laufen derzeit Gespräche über die Verbesserung der Zusammenarbeit mit diesen Einrichtungen. Das Ergebnis könnte ein Memorandum mit dem Europarat und eine gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit der Europäischen Union und der OSZE sein. Generell gibt es enge Kooperationsbeziehungen und einen regen Informationsaustausch mit diesen Einrichtungen.
Betrifft: Notwendigkeit einer Reform des Sicherheitssektors ("Security Sector Reform") in Südosteuropa und Formen des Widerstands, die die Unterstützung dieses notwendigen Prozesses aufhalten
1. Ist die Kommission sich der Tatsache bewusst, dass derzeit in einigen der EU noch nicht beigetretenen Staaten in Südosteuropa die der parlamentarischen Demokratie vorausgehende Tradition nach wie vor erheblich stärker präsent ist als in Europa insgesamt, d.h. dass der militärische Teil des Staatsapparates quasi ein Staat im Staat ist und dadurch weder der parlamentarischen Demokratie, der bürgerlichen Rechtsprechung, der Achtung der Menschenrechte noch allen übrigen Merkmalen eines Rechtsstaates unterworfen ist. Stellt eine solche Tradition nicht ein Hemmnis bei der Erfüllung der Kopenhagener Kriterien dar?
2. Betrachtet die Kommission die Beiträge von Organisationen wie etwa des Genfer Zentrums für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (Geneva Centre for Democratic Control of the Armed Forces (DCAF)) und des nichtstaatlichen Netzes Safeworld zur Reform des Sicherheitssektors (SSR) für Südosteuropa, die auf die Aufklärung und Schulung von Beratern behördlicher Stellen ausgerichtet ist, als eine positive Entwicklung, die aktiv unterstützt werden sollte, zumal diese eine unterstützende Aufgabe bei einer beschleunigten Anpassung des Militärapparates an die veränderte Rolle innerhalb eines demokratischen Rechtsstaates mit einer parlamentarischen Demokratie, in der die Menschenrechte geachtet werden, leisten können?
3. Ist der Kommission bekannt, dass man den mit externer Hilfe für die SSR ausgebildeten und finanzierten Beamten in einigen dieser Länder einen kurzfristigen Vertrag anbietet, und dass diese Beamten, wenn sie ihre Aufgabe erwartungsgemäß erfüllt haben, durch andere Personen ersetzt werden, die den autoritären militärischen Traditionen weniger kritisch gegenüberstehen, aber keine entsprechende Ausbildung absolviert haben?
4. Ist der Kommission außerdem bekannt, dass diese für die SSR ausgebildeten und eingestellten Beamten in einigen dieser Länder nachdrücklich aufgefordert werden, Mitglied der Regierungspartei zu werden, und zwar nicht aus eigener, freiwilliger individueller Entscheidung oder als Anreiz, die Anhänger dieser Partei von der Notwendigkeit der SSR zu überzeugen, sondern um ihren Spielraum für eine kritische Haltung einzuschränken?
5. Wie will die Kommission - gegebenenfalls gemeinsam mit dem Europarat und der OSZE - bewirken, dass in den Staaten, die eine Assoziierung mit der EU, eine Unterstützung durch die Gemeinschaft oder eine künftige Mitgliedschaft anstreben, der Prozess der SSR weder behindert, noch unterbrochen oder beendet wird, und dass die mit externer Hilfe eingestellten Beamten ihre Aufgabe fortführen und vollenden können, damit auch in Zukunft gewährleistet wird, dass der Militärapparat einem transparenten demokratischen Rechtsstaat unterstellt ist und diesem zu Diensten steht?
E-4751/06DE
Antwort von Herrn Rehn im Namen der Kommission, 20.12.2006
1. Auch wenn es nicht die Aufgabe der Kommission ist, sich mit Sicherheitsfragen zu befassen, ist sie sich der Tatsache bewusst, dass die Militärstrukturen in den Ländern dieser Region demokratischer werden müssen, damit sie mit den Kopenhagener Kriterien in Einklang gebracht werden können. Die Länder mit Mängeln in diesem Bereich werden daher von der Kommission dazu angehalten, ihre demokratische Kontrolle über die Verteidigungs- und Sicherheitsstrukturen zu entwickeln und zu stärken. Den erzielten Ergebnissen wird in den jährlichen Bewertungsberichten besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Außerdem ist diese Frage oft Teil der Prioritäten der Europäischen Partnerschaften.
2. Die Kommission unterstützt in der Region alle Initiativen zur Entwicklung einer transparenten und demokratischen Rolle der Verteidigungsstrukturen. Zum Beispiel unterstützt sie im Rahmen des Stabilitätspakts die Initiative RACVIAC und finanziert bestimmte Maßnahmen von SAFERWORLD in den Balkanstaaten.
3. Der Kommission liegen keine Informationen zu den geschilderten Vorkommnissen vor.
4. Allgemein lässt sich in den Verwaltungen dieser Länder häufig eine äußerst hohe Fluktuation der Führungskräfte feststellen. Die Kommission hilft allen Ländern der Region bei ihren Verwaltungsreformen damit sie eine wirksame, transparente, offene und politisch neutrale Verwaltung nach europäischen Standards aufbauen können, in der die Beamten nach eindeutigen und festgelegten Rechtsvorschriften eingestellt, versetzt oder entlassen werden; die Programme CARDS und PHARE sind zu einem großen Teil der Verbesserung der Verwaltungskapazitäten gewidmet. Die Verwaltungsreform ist eine Priorität aller Europäischen Partnerschaften mit diesen Ländern und wird bei den Bewertungsberichten ganz besonders berücksichtigt.
5. Die Kommission fördert den Reformprozess im Sicherheitssektor aktiv. Im militärischen Bereich gewährt sie eine eher politische Unterstützung im Rahmen des Dialogs mit den Ländern. Für zivile Bereiche, wie Polizei oder Justiz gibt es eine konkrete Unterstützung über die Hilfsprogramme und eine regelmäßige Fortschrittskontrolle im Rahmen der Integration in die Europäische Union.
Hinsichtlich der Beziehungen mit dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) laufen derzeit Gespräche über die Verbesserung der Zusammenarbeit mit diesen Einrichtungen. Das Ergebnis könnte ein Memorandum mit dem Europarat und eine gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit der Europäischen Union und der OSZE sein. Generell gibt es enge Kooperationsbeziehungen und einen regen Informationsaustausch mit diesen Einrichtungen.
Tobias Pflüger - 2006/12/20 11:20



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