Pöbeln und provozieren
Pressebericht in: Junge Welt, 13.02.2007
NATO-»Sicherheitskonferenz«: Unabhängige Beobachter dokumentierten Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten. Proteste von Medien weitgehend ignoriert.
Claudia Wangerin
Aus den Fernsehnachrichten der letzten Tage war von den Protesten gegen das Treffen der Internationale der Kriegstreiber wenig bis nichts zu erfahren. Folgerichtig kamen auch Übergriffe der Polizei gegen die Demonstranten nicht zur Sprache. Daß es die jedoch reichlich gab, zeigt eine am Montag von unabhängigen Beobachtern präsentierte Dokumentation. Wie in den Vorjahren beobachtete während der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende eine Gruppe von Ärzten, Juristen, Journalisten, Theologen und Menschenrechtsaktivisten den Umgang der Polizei mit den Teilnehmern von Protestaktionen.
Ihre Bilanz fiel zugunsten der Konferenzgegner aus: Die Provokationen seien eindeutig, wie vielfach dokumentiert, von der Polizei ausgegangen. Daraufhin hätten Demonstranten abwehrend Plastikflaschen geworfen, die jedoch niemanden verletzten – darin stimmt die Presseerklärung der Beobachtergruppe mit dem Polizeibericht überein. Den darin hervorgehobenen Wurf einer Glasflasche gegen einen behelmten Polizisten kann sie nicht bestätigen. Es habe nur Plastikflaschenwürfe gegeben. Die Polizisten hätten ihre Helme am Gürtel getragen.
Der Darstellung der Polizei, Sachbeschädigungen an Autos rührten von Demonstranten her, widersprachen die Beobachter: »Anhand von Lackspuren oder ähnlichem müßte sich nachweisen lassen, daß es höchstwahrscheinlich die Ausrüstung und das Verhalten der Polizei waren, die Kratzer und Dellen verursachten.« Bild- und Videomaterial, das die Beobachtergruppe während der Demonstration aufnahm, soll diesen Verdacht untermauern.
Nach Beendigung der Demonstration seien vor dem Justizpalast zehn Personen auf sehr rüde Weise festgenommen und teils auch verletzt worden: »Ein Polizist sagte: ›Wer jetzt noch rumsteht, den greifen wir uns‹«, berichtete ein Zeuge. Ältere Personen, die sich einmischten, seien ebenfalls festgenommen worden. Fünf Personen seien mit Kabelbindern Rücken an Rücken gefesselt und zum Polizeipräsidium geführt worden. Ausgerechnet ein türkischer Journalist fand hier alles übertroffen, was er bislang in Sachen »Polizeistaat« erlebt hatte.
Erstmals wurde in diesem Zusammenhang auch von »sexualisierter Gewalt« gegenüber mutmaßlichen homosexuellen jungen Männern berichtet, die bei Kontrollen auf eine Art und Weise abgetastet worden seien, zu der keine Veranlassung bestand. Die Beobachtergruppe will unter anderem den bayerischen Datenschutzbeauftragten bitten, dem flächendeckenden Abfilmen von Demonstrationsteilnehmern und der beobachteten Speicherung von persönlichen Daten Minderjähriger nachzugehen.
Unterdessen haben auch der Europaabgeordnete Tobias Pflüger (Linksfraktion, GUE/NGL) und die Bundestagsabgeordnete der Linken, Heike Hänsel, das Vorgehen der Münchner Polizei gegen Demonstranten während der Proteste gegen die Sicherheitskonferenz am vergangenen Samstag scharf kritisiert. Beide Abgeordneten haben selbst an den Demonstrationen teilgenommen und massive Behinderungen des Demonstrationszuges durch Münchner Sondereinheiten der Polizei sowie willkürliche Festnahmen miterlebt. Insgesamt seien während und nach Ende der Demonstration mehr als 50 Personen verhaftet worden, heißt es in einer von Pflüger und Hänsel am Montag veröffentlichten Erklärung.
Die Abgeordneten wandten sich insbesondere gegen das »unverhältnismäßig harte Vorgehen« gegen Demonstranten in einem Bus aus Tübingen/Reutlingen, der weit vor München von der Polizei gestoppt und mehr als eine Stunde festgehalten wurde. Während der Personenkontrolle sei es zu Mißhandlungen durch die Polizei gekommen. Sieben Personen, darunter ein zehnjähriges Mädchen und der Tübinger Mitarbeiter des Abgeordneten Pflüger, Johannes Plotzki, wurden vorübergehend festgenommen und erst nach mehreren Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt. Elke Lison, Landessprecherin der Linkspartei aus Baden-Württemberg, wurde aus dem Bus heraus vorübergehend verhaftet, weil die Polizei ein Vespermesser in ihrem Rucksack fand. Plotzki wurde von der Polizei auf den Boden geworfen und an Kopf und Knie verletzt.
»Anscheinend lassen sich die Münchner Polizeibeamten von Teltschiks antidemokratischem Gebaren anstecken, wenn sie uns als Abgeordnete erst fragen, welcher Partei wir angehören, bevor sie uns über den Verbleib der Festgenommenen informieren«, sagte Heike Hänsel, die zusammen mit Pflüger in der Haftanstalt des Polizeipräsidiums auf der sofortigen Freilassung der festgenommenen Demonstranten bestanden hatte. Die beiden Tübinger Parlamentarier verlangen von der Münchner Polizei eine offizielle Erklärung für die Vorgänge und wollen die Betroffenen bei rechtlichen Schritten gegen den Polizeieinsatz unterstützen.
NATO-»Sicherheitskonferenz«: Unabhängige Beobachter dokumentierten Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten. Proteste von Medien weitgehend ignoriert.
Claudia Wangerin
Aus den Fernsehnachrichten der letzten Tage war von den Protesten gegen das Treffen der Internationale der Kriegstreiber wenig bis nichts zu erfahren. Folgerichtig kamen auch Übergriffe der Polizei gegen die Demonstranten nicht zur Sprache. Daß es die jedoch reichlich gab, zeigt eine am Montag von unabhängigen Beobachtern präsentierte Dokumentation. Wie in den Vorjahren beobachtete während der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende eine Gruppe von Ärzten, Juristen, Journalisten, Theologen und Menschenrechtsaktivisten den Umgang der Polizei mit den Teilnehmern von Protestaktionen.
Ihre Bilanz fiel zugunsten der Konferenzgegner aus: Die Provokationen seien eindeutig, wie vielfach dokumentiert, von der Polizei ausgegangen. Daraufhin hätten Demonstranten abwehrend Plastikflaschen geworfen, die jedoch niemanden verletzten – darin stimmt die Presseerklärung der Beobachtergruppe mit dem Polizeibericht überein. Den darin hervorgehobenen Wurf einer Glasflasche gegen einen behelmten Polizisten kann sie nicht bestätigen. Es habe nur Plastikflaschenwürfe gegeben. Die Polizisten hätten ihre Helme am Gürtel getragen.
Der Darstellung der Polizei, Sachbeschädigungen an Autos rührten von Demonstranten her, widersprachen die Beobachter: »Anhand von Lackspuren oder ähnlichem müßte sich nachweisen lassen, daß es höchstwahrscheinlich die Ausrüstung und das Verhalten der Polizei waren, die Kratzer und Dellen verursachten.« Bild- und Videomaterial, das die Beobachtergruppe während der Demonstration aufnahm, soll diesen Verdacht untermauern.
Nach Beendigung der Demonstration seien vor dem Justizpalast zehn Personen auf sehr rüde Weise festgenommen und teils auch verletzt worden: »Ein Polizist sagte: ›Wer jetzt noch rumsteht, den greifen wir uns‹«, berichtete ein Zeuge. Ältere Personen, die sich einmischten, seien ebenfalls festgenommen worden. Fünf Personen seien mit Kabelbindern Rücken an Rücken gefesselt und zum Polizeipräsidium geführt worden. Ausgerechnet ein türkischer Journalist fand hier alles übertroffen, was er bislang in Sachen »Polizeistaat« erlebt hatte.
Erstmals wurde in diesem Zusammenhang auch von »sexualisierter Gewalt« gegenüber mutmaßlichen homosexuellen jungen Männern berichtet, die bei Kontrollen auf eine Art und Weise abgetastet worden seien, zu der keine Veranlassung bestand. Die Beobachtergruppe will unter anderem den bayerischen Datenschutzbeauftragten bitten, dem flächendeckenden Abfilmen von Demonstrationsteilnehmern und der beobachteten Speicherung von persönlichen Daten Minderjähriger nachzugehen.
Unterdessen haben auch der Europaabgeordnete Tobias Pflüger (Linksfraktion, GUE/NGL) und die Bundestagsabgeordnete der Linken, Heike Hänsel, das Vorgehen der Münchner Polizei gegen Demonstranten während der Proteste gegen die Sicherheitskonferenz am vergangenen Samstag scharf kritisiert. Beide Abgeordneten haben selbst an den Demonstrationen teilgenommen und massive Behinderungen des Demonstrationszuges durch Münchner Sondereinheiten der Polizei sowie willkürliche Festnahmen miterlebt. Insgesamt seien während und nach Ende der Demonstration mehr als 50 Personen verhaftet worden, heißt es in einer von Pflüger und Hänsel am Montag veröffentlichten Erklärung.
Die Abgeordneten wandten sich insbesondere gegen das »unverhältnismäßig harte Vorgehen« gegen Demonstranten in einem Bus aus Tübingen/Reutlingen, der weit vor München von der Polizei gestoppt und mehr als eine Stunde festgehalten wurde. Während der Personenkontrolle sei es zu Mißhandlungen durch die Polizei gekommen. Sieben Personen, darunter ein zehnjähriges Mädchen und der Tübinger Mitarbeiter des Abgeordneten Pflüger, Johannes Plotzki, wurden vorübergehend festgenommen und erst nach mehreren Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt. Elke Lison, Landessprecherin der Linkspartei aus Baden-Württemberg, wurde aus dem Bus heraus vorübergehend verhaftet, weil die Polizei ein Vespermesser in ihrem Rucksack fand. Plotzki wurde von der Polizei auf den Boden geworfen und an Kopf und Knie verletzt.
»Anscheinend lassen sich die Münchner Polizeibeamten von Teltschiks antidemokratischem Gebaren anstecken, wenn sie uns als Abgeordnete erst fragen, welcher Partei wir angehören, bevor sie uns über den Verbleib der Festgenommenen informieren«, sagte Heike Hänsel, die zusammen mit Pflüger in der Haftanstalt des Polizeipräsidiums auf der sofortigen Freilassung der festgenommenen Demonstranten bestanden hatte. Die beiden Tübinger Parlamentarier verlangen von der Münchner Polizei eine offizielle Erklärung für die Vorgänge und wollen die Betroffenen bei rechtlichen Schritten gegen den Polizeieinsatz unterstützen.
Tobias Pflüger - 2007/02/13 09:33
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