Struck in die Wüste – statt Soldaten

Presse: Neues Deutschland, 14.10.04

Weist der Minister Bundeswehr Weg ins Irak-Chaos? Friedensbewegung fordert Rausschmiss

»Ich schließe den Einsatz deutscher Soldaten im Irak jetzt aus. Aber generell wird keiner die Entwicklung im Land so vorhersehen können, dass er verbindliche Aussagen machen kann.« So weichte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) am Rande der NATO-Konferenz im rumänischen Poiana Brasov die bisherige Regierungsposition auf. Missverständnis oder Versuchsballon – politische Beobachter sind uneins.

Berlin (ND-Heilig). Das seien alles Spekulationen der »Financial Times Deutschland«, der Struck diese Gedanken anvertraut hatte. »Die Bundesregierung schließt einen Einsatz deutscher Soldaten im Irak weiterhin aus«, ließ man in Berlin einen Regierungssprecher sagen. Dann berief sich die Nachrichtenagentur Reuters auf einen nicht genannten Teilnehmer der gestrigen Kabinettssitzung. Der meinte, Schröder habe mit Struck telefoniert und anschließend im Namen des Verteidigungsministers alles zurückgenommen. Abermals wird verbreitet: Es gibt keine Änderung in der Haltung der Bundesregierung in der Irak-Frage.
Genau das wird aber zunehmend fragwürdig. Es mehren sich Anzeichen, dass Deutschland sich immer stärker verstrickt in den von den USA initiierten Angriffskrieg gegen Irak. So hat Rot-Grün bereits vor Monaten mit den Vorbereitungen zur Ausbildung irakischer Militärs in den Vereinigten Arabischen Emiraten und an Einrichtungen der Bundeswehr in Deutschland begonnen.

In den Emiraten sollen ab November deutsche Soldaten irakische Kollegen an 100 Bundeswehr-Lastwagen trainieren. »Über die Ausbildung irakischer Pioniere stehen wir zurzeit noch im Gespräch«, meinte Struck. Zudem will die Bundesregierung die von den USA ausgehaltene Armee Bagdads zunächst mit 20 Fuchs-Transportpanzern ausstatten. Diese Entscheidung wird vom Bundessicherheitsrat, in dem auch die Grünen Sitz und Stimme haben, mitgetragen.

Abrüstungsexperte Tobias Pflüger, der für die PDS im Europaparlament sitzt, meint: »Rot-Grün wendet die übliche Salamie-Taktik an: Erst schickt man Waffen, dann Soldaten.« Seine pessimistische Grundaussage lautet: »Deutschland befindet sich – entgegen allen Beteuerungen – weiter im Schlepptau der USA, also auf Kriegskurs.« PDS-Außenpolitik-Experte Wolfgang Gehrcke macht darauf aufmerksam, dass SPD und Grüne mit den Lieferungen von Waffen in Krisengebiete eindeutig gegen die selbst aufgestellten Rüstungsexportrichtlinien verstoßen.

Mit seinem jüngsten Irak-Vorstoß sei Struck »zum Sicherheitsrisiko für die Bundesrepublik Deutschland« geworden, empört sich der Bundesausschuss Friedensratschlag. Wer »Fuchs«-Transportpanzer an die Interimsregierung in Bagdad liefert und wer dazu einen Einsatz deutscher Soldaten im Irak nicht mehr ausschließen will, »katapultiert Deutschland in den Rang einer Kriegspartei«. Damit breche SPD-Minister Struck nicht nur bisherige Regierungsversprechen. Er legitimiere damit auch den völkerrechtswidrigen Krieg der USA. Der Sprecher des Friedensratschlages, Peter Strutynski, betont: »Struck ist als Verteidigungsminister der Bundesrepublik nicht länger tragbar. Statt die Bundeswehr in den Irak sollte Verteidigungsminister Struck in die Wüste geschickt werden!«

Der Verteidigungsexperte und Vize-Fraktionschef der Grünen-Bundestagsfraktion, Winfried Nachtwei, formuliert umständlich: »Ich gehe weiterhin davon aus, dass Peter Struck meint, dass wirklich auf absehbare Zeit ein Engagement deutscher Soldaten im Irak auf keinen Fall in Frage kommt, dass wir uns in dieses Desaster nicht hineinziehen lassen dürfen.« Die ehemalige verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen und heutige Europaabgeordnete Angelika Beer sieht in Strucks Äußerungen keinen generellen Kurswechsel. Sie hält es allerdings auch für vollkommen unvorstellbar, »dass in einem Land, das immer weiter droht auseinander zu brechen...deutsches Militär zum Einsatz kommt«. Im Deutschlandfunk befürwortete sie mehr humanitäre und wirtschaftliche Hilfe für Irak anstatt weitere Soldaten in das Land zu schicken.

Quelle:
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=61262&IDC=16

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