Freie Fahrt für Leopard
Presse: junge Welt vom 13.10.2004
Rüstungsindustrie informiert über Panzerlieferungen in die Türkei, während SPD und Grüne sich bedeckt halten und wohlwollende Prüfung versprechen
Frank Brendle
Die Debatte um die Lieferung deutscher Kampfpanzer in die Türkei ist offenbar schon entschieden: Das Wirtschaftsblatt Financial Times Deutschland berichtete am Dienstag unter Berufung auf »Branchenkreise«, die Bundesregierung wolle einige hundert Panzer des Typs »Leopard 2« an die Türkei verkaufen. Politiker der Grünen übten sich gestern allerdings darin, einer öffentlichen Festlegung aus dem Weg zu gehen.
Offiziell gibt es noch keine Anfrage der türkischen Regierung, behauptet das deutsche Verteidigungsministerium. Also gebe es auch keinen Anlaß, jetzt schon eine Entscheidung zu treffen. Die deutsche Rüstungsindustrie ist offenbar besser informiert; bei Krauss-Maffei/Wegmann und im Rheinmetall-DeTec-Konzern freut man sich laut Financial Times bereits auf das lukrative Geschäft, die Panzer nachzurüsten und umzubauen, bevor sie auf die Reise in die Türkei gehen. Um welche Anzahl es geht, ist noch unklar. 1999 hatte die türkische Regierung schon einmal eine Anfrage wegen der Lieferung von 1 000 Panzern gestellt, diese aber zurückgezogen, nachdem sich die Grünen aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei gegen eine Lieferung ausgesprochen hatten.
In der SPD hält man Bedenken wegen der Menschenrechte für erledigt, nachdem sich die EU-Kommission für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesprochen hat. Für den stellvertretenden SPD-Fraktionschef Gernot Erler ist der »sachliche Grund« entfallen, der Türkei die deutschen Panzer vorzuenthalten. Verteidigungsminister Peter Struck forderte bereits in der vergangenen Woche mit Blick auf die Grünen, es »wird und muß und sollte« eine Meinungsänderung in der Frage der Waffenlieferungen geben. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer erklärte Dienstag folgsam, vor fünf Jahren habe es eine »andere Situation« gegeben. Wenn es jetzt wieder eine Anfrage gebe, »muß sie geprüft werden, ganz einfach«. Ebenso unkompliziert sieht das der grüne »Sicherheitsexperte« Winfried Nachtwei: Wenn die Türkei Panzer wolle, müsse die Menschenrechtslage geprüft werden. Da habe es in den letzten Jahren ganz deutliche Fortschritte gegeben. Nachtwei will »im Einzelfall« prüfen, ob die Panzer womöglich Schaden anrichten könnten. Außenminister Joseph Fischer meinte, sobald ein Antrag vorliege, müsse er »im Lichte der Realität« geprüft werden, und die habe sich in den vergangenen Jahren »zum Positiven verändert«.
»Von Menschenrechten reden, aber Waffen für die Kriegführung liefern«, kommentierte Tobias Pflüger, Abgeordneter des Europaparlaments, gegenüber junge Welt dieses »für Rot-Grün typische Verhalten«. Während die Bundesregierung versucht, die Empfehlung der EU-Kommission als »Beweis« für die tadellose Menschenrechtspolitik der Türkei zu werten, wies Pflüger auf die übergeordneten Interessen der EU hin. Diese nenne in ihrem Bericht ausdrücklich den »Zugang zu Energieressourcen«, der durch den Beitritt der Türkei erleichtert werde. »Die EU will zum weltpolitischen Akteur werden und diese Rolle militärisch absichern. Das militärische Potential der Türkei ist daher für die EU von hohem Interesse«, so Pflüger. Die Aufrüstung des Partners an der Grenze zu den nahöstlichen Ölquellen sei daher ein logisches Ergebnis der deutschen EU-Politik. Struck wird sich im November mit seinem türkischen Kollegen treffen und den Bedarf der türkischen Streitkräfte besprechen. Bis dahin haben die Grünen Zeit, ihren Meinungswechsel zu vollenden.
Rüstungsindustrie informiert über Panzerlieferungen in die Türkei, während SPD und Grüne sich bedeckt halten und wohlwollende Prüfung versprechen
Frank Brendle
Die Debatte um die Lieferung deutscher Kampfpanzer in die Türkei ist offenbar schon entschieden: Das Wirtschaftsblatt Financial Times Deutschland berichtete am Dienstag unter Berufung auf »Branchenkreise«, die Bundesregierung wolle einige hundert Panzer des Typs »Leopard 2« an die Türkei verkaufen. Politiker der Grünen übten sich gestern allerdings darin, einer öffentlichen Festlegung aus dem Weg zu gehen.
Offiziell gibt es noch keine Anfrage der türkischen Regierung, behauptet das deutsche Verteidigungsministerium. Also gebe es auch keinen Anlaß, jetzt schon eine Entscheidung zu treffen. Die deutsche Rüstungsindustrie ist offenbar besser informiert; bei Krauss-Maffei/Wegmann und im Rheinmetall-DeTec-Konzern freut man sich laut Financial Times bereits auf das lukrative Geschäft, die Panzer nachzurüsten und umzubauen, bevor sie auf die Reise in die Türkei gehen. Um welche Anzahl es geht, ist noch unklar. 1999 hatte die türkische Regierung schon einmal eine Anfrage wegen der Lieferung von 1 000 Panzern gestellt, diese aber zurückgezogen, nachdem sich die Grünen aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei gegen eine Lieferung ausgesprochen hatten.
In der SPD hält man Bedenken wegen der Menschenrechte für erledigt, nachdem sich die EU-Kommission für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesprochen hat. Für den stellvertretenden SPD-Fraktionschef Gernot Erler ist der »sachliche Grund« entfallen, der Türkei die deutschen Panzer vorzuenthalten. Verteidigungsminister Peter Struck forderte bereits in der vergangenen Woche mit Blick auf die Grünen, es »wird und muß und sollte« eine Meinungsänderung in der Frage der Waffenlieferungen geben. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer erklärte Dienstag folgsam, vor fünf Jahren habe es eine »andere Situation« gegeben. Wenn es jetzt wieder eine Anfrage gebe, »muß sie geprüft werden, ganz einfach«. Ebenso unkompliziert sieht das der grüne »Sicherheitsexperte« Winfried Nachtwei: Wenn die Türkei Panzer wolle, müsse die Menschenrechtslage geprüft werden. Da habe es in den letzten Jahren ganz deutliche Fortschritte gegeben. Nachtwei will »im Einzelfall« prüfen, ob die Panzer womöglich Schaden anrichten könnten. Außenminister Joseph Fischer meinte, sobald ein Antrag vorliege, müsse er »im Lichte der Realität« geprüft werden, und die habe sich in den vergangenen Jahren »zum Positiven verändert«.
»Von Menschenrechten reden, aber Waffen für die Kriegführung liefern«, kommentierte Tobias Pflüger, Abgeordneter des Europaparlaments, gegenüber junge Welt dieses »für Rot-Grün typische Verhalten«. Während die Bundesregierung versucht, die Empfehlung der EU-Kommission als »Beweis« für die tadellose Menschenrechtspolitik der Türkei zu werten, wies Pflüger auf die übergeordneten Interessen der EU hin. Diese nenne in ihrem Bericht ausdrücklich den »Zugang zu Energieressourcen«, der durch den Beitritt der Türkei erleichtert werde. »Die EU will zum weltpolitischen Akteur werden und diese Rolle militärisch absichern. Das militärische Potential der Türkei ist daher für die EU von hohem Interesse«, so Pflüger. Die Aufrüstung des Partners an der Grenze zu den nahöstlichen Ölquellen sei daher ein logisches Ergebnis der deutschen EU-Politik. Struck wird sich im November mit seinem türkischen Kollegen treffen und den Bedarf der türkischen Streitkräfte besprechen. Bis dahin haben die Grünen Zeit, ihren Meinungswechsel zu vollenden.
Tobias Pflüger - 2004/10/25 05:04
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