Braucht Europa Raketenabwehr?

Pressebericht in: Junge Welt, 29.06.2007

USA und NATO können EU-Parlamentarier von Militärprojekt nicht überzeugen

Rainer Rupp

In zwei Wochen sollen sich Polen und Tschechien entschieden haben, ob sie auf ihrem Territorium sogenannte Abwehranlagen der USA errichten. Am Mittwoch diskutierten in Brüssel der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und der Unterausschuß für Sicherheit und Verteidigung des Europaparlaments die Problematik. Motto der gemeinsamen Veranstaltung: »Braucht Europa ein Raketenabwehrschild?« Die Anhörung war hochkarätig besetzt. Neben der Direktorin der US-Raketenabwehrbehörde, Dr. Patricia Sanders, waren der beisitzende NATO-Generalsekretär für Rüstungsfragen, Peter Flory, früher einmal »Special Assistant« von US-Hardliner Paul Wolfowitz, sowie der Direktor der Stiftung für strategische Forschung in Paris, Professor Francois Heisbourg, und Professor Dave Webb von der britischen Universität Leeds eingeladen.

Daß es trotz der Übermacht der Militaristen kein klares Votum für den US-Raketenschild gab, war teils der Inkompetenz der beiden Amerikaner zu verdanken, aber auch dem europäi­schen »Nationalismus« des Franzosen Heisbourg und der Überzeugungskraft Webbs. Vor allem der machte deutlich, daß »der Schild auch ein Schwert sein kann«, russische Sorgen über das Raketenabwehrprogramm Washingtons also nicht von der Hand zu weisen seien.

Sanders malte – in gewohnter US-amerikanischer Übertreibung – die Bedrohung Europas durch iranische Atomraketen an die Wand. Sie sah sich im Laufe der Anhörung allerdings gezwungen, ihr Schreckensszenario, auch unter den bohrenden Fragen des Linksparlamentariers Tobias Pflüger, zu relativieren. Schließlich flüchtete sich Sanders in die Erklärung: »Wir wissen ganz sicher, daß wir nichts ganz sicher wissen.« Auch NATO-Vertreter Flory gelang es mit steten Verweisen auf »nachrichtendienstliche Erkenntnisse« der USA nicht, die Abgeordneten von der unmittelbaren Gefährlichkeit Teherans zu überzeugen.

Die Tatsache, daß Washington bereits in 14 Tagen Polen und Tschechien eine Entscheidung in der Frage des Raketenabwehrschildes abverlangt, sorgte bei den Parlamentariern für Unruhe. Heisbourg warnte vor einem bilateralen Vorgehen an der EU vorbei, und selbst der konservative Vorsitzende des Sicherheitsausschusses, Karl von Wogau (CDU), forderte Prag und Warschau auf, keinen endgültigen Entschluß zu fassen ohne vorherige Abstimmung mit der Europäischen Union und tiefgehenden Gesprächen mit Rußland.

Siehe auch: Erklärung der Internationalen Konferenz gegen die Militarisierung Europas vom 5. Mai 2007 - http://www.prague-declaration.org/

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