Gemeinnützigkeit der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. gefährdet

Der Verein Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. macht seit 1996 das, was sein Name aussagt: Er informiert über Militarisierung. Der äußere Gründungsimpuls für die Vereinsgründung war die Aufstellung der Bundeswehr-Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) 1996. Seither erweiterte sich das Themenspektrum der Informationsstelle Militarisierung immer weiter.

Von 1996 bis 2004 war ich geschäftsführendes Vorstandsmitglied von IMI. Mit der Annahme meines Mandates im Europaparlament im Juli 2004 habe ich dieses Amt an Jürgen Wagner abgegeben und bin seither einfaches Vorstandsmitglied.

Nun hat das Finanzamt Tübingen mitgeteilt, dass es beabsichtigt, der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 2001 abzuerkennen.

IMI sei vor allem tagespolitisch aktiv. Das Finanzamt ist auf diese Idee gekommen, weil eine nie näher benannte Behörde dem Finanzamt gegenüber behauptet, es gäbe Zweifel an der Verfassungstreue von IMI. Der zuständige Abteilungsleiter des Finanzamtes hat daraufhin die Homepage der Informationsstelle Militarisierung "eingesehen", und ist nun der Meinung IMI wäre vor allem tagespolitisch aktiv.

Das ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Wenn das Finanzamt seine Argumentation nicht zurücknimmt, wird ein Gericht klären müssen, wer hier Recht hat. Mein Vorstandskollege Andreas Seifert prägte das schöne Bild: das wäre, wie wenn man die Handelskette REWE nur nach deren wöchtlichen Werbeprospekten beurteilt.

"Tagespolitisch tätig sein", bedeutet sich zu allen Politikbereichen wirklich tagespolitisch, d.h. direkt im politischen Diskurs zu äußern. Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. äußert sich immer wieder auch mal tagespolitisch, allerdings erstens nur im Friedensbereich, also nicht allgemeinpolitisch (IMI hat sich noch nie z.B. zu Krippenplätzen geäußert) und zweitens äußert sich IMI insgesamt und vor allem im Verhältnis zu den sonstigen Aktivitäten eher seltener direkt tagespolitisch.

Und genau die gelegentlichen tagespolitischen Äußerungen sind rechtlich gedeckt:

"Eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung schließt jedoch die Gemeinnützigkeit nicht aus (BFH-Urteil vom 29.08.1984, BStBl 1984 II S. 844). Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach den Verhältnissen im Einzelfall zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund tritt. Eine Körperschaft fördert deshalb auch dann ausschließlich ihren steuerbegünstigten Zweck, wenn sie gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt. Entscheidend ist, dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der steuerbegünstigten Ziele der Körperschaft dient (BFH-Urteil vom 23.11.1988, BStBl 1989 II S. 391)."

Dieses Zitat ist aus dem Anwendungserlaß zur Abgabenordnung (S.22), der beim Bundesfinanzministerium heruntergeladen werden kann.

Im oben zitierten Urteil des Bundesfinanzhofes von 1988 - es ging um die Gemeinnützigkeit des - ebenfalls in Tübingen ansässigen - damaligen Vereins für Friedenspädagogik (heute Institut für Friedenspädagogik) heißt es u.a. auch:

"Das Eintreten des Klägers für den Frieden war weder unmittelbar noch allein auf das politische Geschehen und die staatliche Willensbildung gerichtet. Daß der Kläger seine Auffassung "mit praktischer Arbeit" vermittelte, "Probleme des Friedens und Unfriedens in der Öffentlichkeit bewußt machte" (§ 2 der Satzung) und sie damit auch Politikern nahebrachte, beseitigt nicht die Ausschließlichkeit seiner gemeinnützigen Bestrebungen. Eine unmittelbare Einwirkung auf politische Parteien und auf die staatliche Willensbildung tritt in solchen Fällen gegenüber der allgemeinen Förderung des Friedens weit in den Hintergrund und ist insbesondere für die steuerrechtliche Wertung nach Umfang und Erfolg kaum zu erfassen. Eine andere Beurteilung hätte wegen des weiten Begriffs der Politik (vgl. Urteil in BFHE 142, 51, 56 bis 57, BStBl II 1984, 844) zur Folge, daß gemeinnützige Zwecke bei fast jeder Körperschaft ausgeschlossen wären, die bei ihrer satzungsgemäßen Tätigkeit aktuelle politische Fragen berührt. Dies kann nach dem geltenden Gemeinnützigkeitsrecht nicht Rechtens sein (vgl. Urteil in BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844)."

Weiter: "Der Kläger konnte auch ... gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen seines Satzungszwecks Stellung nehmen. Entscheidend ist, daß die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der Ziele der Körperschaft dient. ... Die Darstellung der Friedensproblematik anhand von tagespolitischen Themen ließ den Satzungszweck des Klägers weit wirksamer werden als eine abstrakte Behandlung des Problems."

Der Bundesfinanzhof zitiert in seinem Urteil von 1988 das eigene Urteil von 1984 in dem es sehr klar heißt: "Eine andere Beurteilung, wie sie das FA für richtig zu halten scheint, hätte wegen des weiten Bereiches der Politik (vgl. oben 3. b) (1)) zur Folge, daß fast jeder Verein steuerrechtlich als ein politischer Verein i. S. des § 8 Abs. 2 KStG a. F. und des § 5 Abs. 1 Nr. 7 KStG 1977 zu behandeln und gemeinnützige Tätigkeiten fast gänzlich ausgeschlossen wären. Das kann nach dem Gemeinnützigkeitsrecht, wie es in den einschlägigen Gesetzen geregelt ist, nicht Rechtens sein. Es ist in diesem Zusammenhang vielmehr auch (vgl. oben 3. b) (2)) darauf abzustellen, welchen Zweck die Satzung der Vereinigung ausweist und welche Ziele der Verein nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung verfolgt. Nur wenn sich aus dem Vereinszweck und aus der Geschäftsführung eine alleinige oder doch andere Zwecke weit überwiegende politische Zielsetzung und deren Verwirklichung ergeben, kann von einem politischen Verein i. S. des § 8 Abs. 2 KStG a. F. und des § 5 Abs. 1 Nr. 7 KStG 1977 auszugehen sein."

Was tut nun die Informationsstelle Militarisierung?

Schwerpunkt der Arbeit ist die Informationsarbeit über die Friedensproblematik. Mit dieser Informationsarbeit sollen friedliche Konfliktlösungsmöglichkeiten gefördert werden und die Problematik kriegerischer Konfliktbearbeitung aufgezeigt werden. Es ist nicht Hauptzweck des Vereins Tagespolitik zu betreiben. IMI versucht Probleme des Friedens und des Unfriedens in der Öffentlichkeit bewußt zu machen. Meist werden IMI-Analysen, IMI-Studien, IMI-Stellungnahmen, Broschüren oder Bücher erarbeitet, die die Problematik kriegerischer Konfliktbearbeitung aufzeigen. IMI kümmert sich um die Verbreitung und Veröffentlichung von Informationen friedenspolitischer Art. Dazu führt der Verein Veranstaltungen (Vortragsveranstaltungen, Seminare, Diskussionen etc.) durch, gibt Informationsblätter heraus und führt vor allem ein Archiv, in dem Informationen im Zusammenhang mit der Friedensproblematik gesammelt werden. Zweck des Vereins ist es, aktive Beiträge zur Verbreitung des Gedankens der Völkerverständigung zu leisten.

Hiermit habe ich mit Zitaten aus der Satzung von IMI die zentralen Aufgaben des Vereins IMI e.V. beschrieben. Daran halten wir uns.

Wir werden jedenfalls für die Beibehaltung der Gemeinnützigleit von IMI kämpfen. Dafür brauchen wir Unterstützung. Hintergründe finden sich hier.

IMI hat nun eine Kampagne gestartet die heißt: "IMI - gemein aber nützlich". Alle weitere Informationen finden sich hier.

Bisherige Presseberichte gibt es hier und bisherige Solidaritätserklärungen hier.

Unterstützung ist gern gesehen. (Mail) Danke!

Tobias Pflüger, 21.07.2007

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