Sechs neue Einsatzziele
Portugiesische EU-Präsidentschaft präsentiert weitgehendes militärpolitisches Konzept. Rohstoffreiche Regionen Afrikas im Blick
in: junge Welt, 19.07.2007
Rainer Rupp, Brüssel
Portugals Konzept für die Anfang Juli angetretene EU-Präsidentschaft lautet: »Ein starkes Europa für eine bessere Welt«. Dabei machte Lissabons Botschafter bei der EU, Carlos Pais, am Dienstag abend in Brüssel deutlich, daß Europa als Militärmacht vor allem auf dem afrikanischen Kontinent Stärke demonstrieren will. Er setzte mit dieser Orientierung dort an, wo die deutsche Präsidentschaft aufgehört hatte: Bei der Sicherung verfügbarer Rohstoffe in einer Zeit zunehmender Ressourcenknappheit.
Seit Anfang 2007 verfüge die EU »endlich« über die Fähigkeit, im Rahmen ihrer schnellen Eingreiftruppen zwei autonome Kampfeinsätze gleichzeitig durchzuführen, so Botschafter Pais vor dem Unterausschuß für Sicherheit und Verteidigung der Europäischen Parlaments (EP). Auch die dazugehörigen Kommandostrukturen seien bei entsprechenden Manövern Anfang des Jahres zur Zufriedenheit getestet worden. Neben den derzeit laufenden neun EU-Militärmissionen, die vom Kaukasus über den Balkan und Palästina bis hin zum Kongo reichen, seien sechs weitere Einsätze geplant. Diese sollten allesamt in Afrika stattfinden: zwei im rohstoffreichen Kongo, eine in der ölreichen Darfur-Region des Sudan, eine im Tschad, das vor allem reich an Uran ist, aber auch Öl besitzt, eine in Somalia und eine im westafrikanischen Guinea-Bissau. In den beiden letztgenannten Ländern gibt es, so das CIA-»Factbook«, noch »große, unerforschte Öl- und Gasreserven«. Es deutet sich eine innerimperialistische Konkurrenz an: Bereits im vergangenen Monat hatten die USA mit ihrem neuen »Africa Command« ein spezielles Oberkommando installiert, das derzeit noch von Stuttgart aus die vielfältigen US-Militäraktivitäten in Afrika leitet und 2008 auf den schwarzen Kontinent verlegt werden soll.
Derzeit verbringt die EU, so der Botschafter, »sehr viel Zeit«, um in Afrika ein Netz »strukturierter Beziehungen« aufzubauen. Ein Dokument über eine Gesamtstrategie für den Kontinent soll noch im Dezember dieses Jahres beim EU-Gipfel in Lissabon abgesegnet werden. Zugleich kümmern sich bereits viele »Security Sector Reform«-Einsätze (SSR) der EU in afrikanischen Ländern um die Ausbildung, Ausrüstung und Beratung von Militär, Polizei und Geheimdiensten. Ähnlich wie die »Strukturanpassungsmissionen« des Internationale Währungsfonds auf ökonomischem Gebiet sollen die SSR die afrikanischen Länder militär- und sicherheitspolitisch mit Zuckerbrot und Peitsche auf westlichen Kurs bringen.
In ihrem Drang nach Afrika hat die EU inzwischen ganz offensichtlich auch von dem US-amerikanischen »Plan Kolumbien« gelernt. Denn zur Rechtfertigung ihrer geplanten »robusten« Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Guinea-Bissau führt Brüssel nicht mehr wie gewohnt »humanitäre Gründe« an: Europa sei, so Pais, durch eine Drogenflut aus Guinea-Bissau bedroht. Diese müßte militärisch bekämpft werden. Lateinamerikanische Drogenkartelle hätten sich mit westafrikanischen Gangs zusammengetan. Zur Absicherung der baldigen Intervention hätten zwei britische Teams Guinea-Bissau bereits »erkundet«.
Mit Ausnahme des Vertreters der europäischen Linken, Tobias Pflüger, der auf seine kritischen Fragen vom Vertreter der Präsidentschaft ausschließlich ausweichende Antworten bekam, wurde die interventionistische Afrika-Strategie der EU von den Entsandten aller anderen EP-Parteien begrüßt.
in: junge Welt, 19.07.2007
Rainer Rupp, Brüssel
Portugals Konzept für die Anfang Juli angetretene EU-Präsidentschaft lautet: »Ein starkes Europa für eine bessere Welt«. Dabei machte Lissabons Botschafter bei der EU, Carlos Pais, am Dienstag abend in Brüssel deutlich, daß Europa als Militärmacht vor allem auf dem afrikanischen Kontinent Stärke demonstrieren will. Er setzte mit dieser Orientierung dort an, wo die deutsche Präsidentschaft aufgehört hatte: Bei der Sicherung verfügbarer Rohstoffe in einer Zeit zunehmender Ressourcenknappheit.
Seit Anfang 2007 verfüge die EU »endlich« über die Fähigkeit, im Rahmen ihrer schnellen Eingreiftruppen zwei autonome Kampfeinsätze gleichzeitig durchzuführen, so Botschafter Pais vor dem Unterausschuß für Sicherheit und Verteidigung der Europäischen Parlaments (EP). Auch die dazugehörigen Kommandostrukturen seien bei entsprechenden Manövern Anfang des Jahres zur Zufriedenheit getestet worden. Neben den derzeit laufenden neun EU-Militärmissionen, die vom Kaukasus über den Balkan und Palästina bis hin zum Kongo reichen, seien sechs weitere Einsätze geplant. Diese sollten allesamt in Afrika stattfinden: zwei im rohstoffreichen Kongo, eine in der ölreichen Darfur-Region des Sudan, eine im Tschad, das vor allem reich an Uran ist, aber auch Öl besitzt, eine in Somalia und eine im westafrikanischen Guinea-Bissau. In den beiden letztgenannten Ländern gibt es, so das CIA-»Factbook«, noch »große, unerforschte Öl- und Gasreserven«. Es deutet sich eine innerimperialistische Konkurrenz an: Bereits im vergangenen Monat hatten die USA mit ihrem neuen »Africa Command« ein spezielles Oberkommando installiert, das derzeit noch von Stuttgart aus die vielfältigen US-Militäraktivitäten in Afrika leitet und 2008 auf den schwarzen Kontinent verlegt werden soll.
Derzeit verbringt die EU, so der Botschafter, »sehr viel Zeit«, um in Afrika ein Netz »strukturierter Beziehungen« aufzubauen. Ein Dokument über eine Gesamtstrategie für den Kontinent soll noch im Dezember dieses Jahres beim EU-Gipfel in Lissabon abgesegnet werden. Zugleich kümmern sich bereits viele »Security Sector Reform«-Einsätze (SSR) der EU in afrikanischen Ländern um die Ausbildung, Ausrüstung und Beratung von Militär, Polizei und Geheimdiensten. Ähnlich wie die »Strukturanpassungsmissionen« des Internationale Währungsfonds auf ökonomischem Gebiet sollen die SSR die afrikanischen Länder militär- und sicherheitspolitisch mit Zuckerbrot und Peitsche auf westlichen Kurs bringen.
In ihrem Drang nach Afrika hat die EU inzwischen ganz offensichtlich auch von dem US-amerikanischen »Plan Kolumbien« gelernt. Denn zur Rechtfertigung ihrer geplanten »robusten« Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Guinea-Bissau führt Brüssel nicht mehr wie gewohnt »humanitäre Gründe« an: Europa sei, so Pais, durch eine Drogenflut aus Guinea-Bissau bedroht. Diese müßte militärisch bekämpft werden. Lateinamerikanische Drogenkartelle hätten sich mit westafrikanischen Gangs zusammengetan. Zur Absicherung der baldigen Intervention hätten zwei britische Teams Guinea-Bissau bereits »erkundet«.
Mit Ausnahme des Vertreters der europäischen Linken, Tobias Pflüger, der auf seine kritischen Fragen vom Vertreter der Präsidentschaft ausschließlich ausweichende Antworten bekam, wurde die interventionistische Afrika-Strategie der EU von den Entsandten aller anderen EP-Parteien begrüßt.
Tobias Pflüger - 2007/07/27 16:33
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