Maßstab ist das Völkerrecht

Brüsseler Spitzen - in: Neues Deutschland, 10.08.2007

von Tobias Pflüger. MdEP

Am Donnerstag (09.08.) trat die neu eingerichtete Kosovo-Kontaktgruppe (USA, Russland, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien) erstmals in London zusammen. Sie soll aus der Sackgasse der derzeitigen Situation führen. Der von der UNO beauftragte Finne Martti Ahtisaari hatte einen Plan vorgelegt, der die de-facto-Herauslösung Kosovos aus Serbien vorsah. Deshalb wurde er von serbischer Seite mit Unterstützung Russlands scharf abgelehnt.

Die Voraussetzung für die jetzige Situation war der völkerrechtswidrige NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Danach wurde Kosovo einer »Übergangsverwaltungsmission« der UN (UNMIK) unterstellt.

Auch auf albanischer Seite finden Ahtisaaris Vorschläge keineswegs ungeteilte Zustimmung. Der geplante EU-Sonderbeauftragte erhielte faktisch die uneingeschränkten Befugnisse eines Prokonsuls: Er könnte z.B. alle Gesetze des kosovarischen Parlaments und der Regierung annullieren und alle gewählten Vertreter und Beamte entlassen. Darüber hinaus ginge die Kontrolle über die Geld- und Wirtschaftspolitik des Landes, die in der Kosovo-Verfassung des Jahres 2001 der UNMIK übertragen wurde und die die Einführung einer »freien Marktwirtschaft« vorsieht, nun auf die EU über. Somit wäre Kosovo kein souveräner Staat, sondern ein Protektorat der Europäischen Union.

Alle wissen, der Ahtisaari-Plan ist nun gescheitert, manche sagen es offen, andere nicht. Immer wieder gibt es Äußerungen von Seiten der USA, von der EU oder aus Deutschland, die eine völkerrechtswidrige Lösung ohne den UN-Sicherheitsrat wollen. »Sollte Russland weiterhin hartnäckig auf seinem Nein beharren, wird die Europäische Union die Verantwortung übernehmen und einen Entschluss über Kosovo fassen – allerdings auch in diesem Fall die Unterstützung des UNO-Sicherheitsrates dafür beantragen«, wird Cristina Gallach vom Büro Javier Solanas in der Belgrader Tageszeitung »Vecernje novosti« zitiert. Das wäre fatal.

Auch die Begleitmusik aus der EU ist interessant: Kommissionspräsident Barroso sagt, die EU sei so etwas wie ein »Empire«. Das bestätigt so manches, aber es ist in dieser Situation nicht sehr hilfreich. Die »Wiener Zeitung« titelte am 1. August: »Kosovo ist ein Prüfstein für die EU.« Das ist zutreffend, allerdings etwas anders, als die Zeitung aus Österreich es meint.

Die portugiesische Ratspräsidentschaft will die Parlamentarier des Unterausschusses Sicherheit und Verteidigung (SEDE) über die schon konkret ausformulierten Pläne für die ESVP-Mission in Kosovo nicht offiziell informieren, so jedenfalls der Vertreter des »Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees« in der letzten Sitzung im Europäischen Parlament vor der Sommerpause am 17. Juli.

Der geplante Kosovo-Einsatz ist somit aus mehreren Gründen ein Lackmustest für die Europäische Union: Die EU will Protektoratsmacht in Kosovo werden, das wäre eine neue – fatale – Rolle für die EU. Zugleich will die EU – ohne parlamentarische Kontrolle – die größte ESVP-Mission aller Zeiten (Steinmeier) im Kosovo durchführen.

Äußerungen, dass es auch eine völkerrechtswidrige Lösung ohne die Zustimmung Serbiens oder des UN-Sicherheitsrates geben könne, sind Kriegszündelei. Alles keine guten Aussichten. Linke müssen gegen eine solche »imperiale« Politik der EU sein. Maßstab ist und bleibt das Völkerrecht.

Tobias Pflüger

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