Kriegsrhetorik ist kein Wortgeklapper

Pressebericht in: Neues Deutschland, 20.10.2007

Beim Cottbuser Sozialforum ging es gestern unter anderem um Frieden und EU-Vertrag

Von Tom Strohschneider, Cottbus

Mit zahlreichen Veranstaltungen ist gestern das zweite deutsche Sozialforum fortgesetzt worden. Gestern war in Cottbus die Friedensarbeit einer der Schwerpunkte.

Angesichts der laufenden Kriege in Afghanistan, Irak und anderswo auf der Welt, bedarf es eigentlich keines Beweises für die gestern in Cottbus von Erhard Crome vorgetragene These, die Friedensfrage spitze sich weiter zu. Der Mann von der Rosa-Luxemburg-Stiftung kam allerdings auf an einem ebenso prominenten wie schlecht gelittenen Stichwortgeber nicht vorbei: Erst vor einigen Tagen hatte US-Präsident George W. Bush mit seiner Warnung vor einem dritten Weltkrieg die Sorge um einen offenen militärischen Konflikt mit dem Iran neu entfacht.

Welche Aufgaben stellen sich angesichts dessen der Friedensbewegung? Die Frage wird nicht zum ersten Mal bei einem deutschen Sozialforum aufgeworfen. Dieses Jahr kommt ihr aber ein größeres Gewicht als noch vor zwei Jahren beim Vorgängertreffen in Erfurt zu, meint Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag. Bushs Weltkriegsrhetorik sei keineswegs nur leeres Wortgeklapper, weltweit würden sich die »Hauptakteure auf neue Kriege vorbereiten«, so Strutynski. Ablesen lasse sich dies, so der Hochschullehrer, unter anderem am Stand der Rüstung: Heute werde weltweit wieder genauso viel Geld für Waffen und Interventionen ausgegeben, wie zu den Hochzeiten des Kalten Krieges Ende der 80er Jahre – nämlich 1,3 Billionen Dollar im Jahr.

Strutynski wirbt angesichts solcher Zahlen für eine Verknüpfung von sozialpolitischen Forderungen und dem Widerstand gegen immer neue Rüstungsprojekte. Klarzumachen, dass Bomben nicht gegessen werden können, werde angesichts fortschreitender Verarmung der Glaubwürdigkeit der Friedensbewegung zugute kommen. Einen anderen Vorschlag machte in der eher mäßig besetzten Stadthalle der Mitbegründer der Weltsozialforen Chico Whitaker. Der Brasilianer schlug vor, eine weltweite Kampagne zur Kriegsdienstverweigerung zu initiieren. Ohne Soldaten, so das Motto, keine Kriege.

Noch sind die Weichen aber in eine ganz andere Richtung gestellt. Erst vor gut einer Woche waren in Berlin zwei Afghanistan-Mandate mit großer Mehrheit verlängert worden. Immerhin aber, so die linke Bundestagsabgeordnete Inge Höger, gibt es inzwischen auch in SPD und bei den Grünen wieder verstärkt Debatten um die Zulässigkeit solcher Militäraktionen. Das geschlossene Nein der Linksfraktion habe dazu beigetragen.

Der parteilose Europaabgeordnete Tobias Pflüger verwies gestern auf den EU-Reformvertrag, der in Lissabon von den europäischen Mitgliedsstaaten verabschiedet wurde. Die »militaristische Grundaussage« des alten Verfassungsvertrages, der in den Niederlanden und Frankreich in Referenden nicht zuletzt deshalb abgelehnt wurde, bestehe im neuen Papier unverändert fort, so Pflüger. Von altem Wein in neuen Schläuchen könne man indes nicht reden – die sprichwörtliche Sprengkraft der entsprechenden Passagen mache es vielmehr erforderlich, von einer »hochexplosiven Mischung in neuem Gewand« zu sprechen.

Konkrete Vorhaben in Sachen Friedensarbeit wurden am Freitag noch nicht verabschiedet. Dazu ist das Sozialforum auch gar nicht autorisiert. Eine Versammlung der sozialen Bewegungen, die am Sonntag stattfinden wird, unterliegt einer solchen Beschränkung nicht. Und auch die Teilnehmer der Konferenz am Freitagmittag wollten nicht ohne Signal auseinander gehen. In einer Erklärung drückten sie ihre entschiedene Ablehnung des neuen, alten EU-Vertrages aus.

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