"Jetzt keine weitere Verschärfung durch Sanktionen - Moratorium starten!"

Interview Tobias Pflüger mit dem SWR-Tübingen zur Iranreise, 11.12.07

Auf der Tagesordnung der Weltpolitik steht seit Jahren der Iran. Streitpunkt ist die Urananreicherung im Land; die USA und Europa sehen darin die Absicht Atombomben herstellen zu wollen und diskutieren über schärfere Sanktionen gegen den Iran. Die Machthaber in Teheran sagen, sie wollen die Atomenergie friedlich nutzen. Das wird auch durch aktuelle Geheimdienstberichte der USA bestätigt. Eine verfahrene Situation.

In den vergangenen Tagen hielt sich eine Delegation des europäischen Parlaments in Teheran auf. Der Tübinger EU-Abgeordnete Tobias Pflüger von der Partei DIE LINKE war mit dabei.

"Tobias Pflüger, gestern war der Tag der Menschenrechte. Sie haben mit ethnischen Minderheiten gesprochen. Wie ist deren Situation?"

"Wir haben im Iran auch mit ethnischen Minderheiten gesprochen, mit religiösen Minderheiten, mit verschiedenen Frauenorganisationen und mit Gewerkschaften, vor allem der Busfahrergewerkschaft, und hatten informelle Treffen mit Studierenden, Journalisten und linken Gruppen.

Die Situation insgesamt ist sehr angespannt, z.B. bei der Busfahrergewerkschaft ist es so, dass die drei führenden Personen im Moment im Gefängnis sind und wir mit den Ehefrauen dieser Gefangenen gesprochen haben. Hintergrund ist, dass von Seiten der iranischen Regierung gesagt wurde, der Streik sei illegal und die Busfahrer aber für bessere Bezahlung, für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, und wir ein klares Signal gesetzt haben, dass wir eine Freilassung der Gefangenen wünschen.

Das gleiche gilt für Studierende. Es wurden, als wir dort waren, mindestens 20 Studierende, die protestiert haben, festgenommen und wir haben ganz dringend darauf gedrungen, dass sie wieder frei gelassen werden. Die Situation ist, wie gesagt, dort sehr angespannt. Gleichzeitig haben uns die verschiedenen Gruppen signalisiert, dass, wenn jetzt Sanktionen verschärft würden, ihre Situation noch viel schlechter würde."

"Wie gehen denn generell die Iraner mit den Folgen der Politik ihrer Führung um? Ich hatte es angesprochen, was beispielsweise die Diskussion um schärfere Sanktionen angeht - trotz der aktuellen US-Geheimdienstberichte . die ich mal als pro-iranisch bezeichnen würde."

"Ich würde sie nicht als pro-iranisch bezeichnen. Wenn man sich diese Geheimdienstberichte der USA anschaut, dann sind ja da Nachrichten drin, die weder gut sind für die iranische Regierung, noch gut sind für die US-amerikanische, französische, britische oder deutsche Regierung. Da steht nämlich drin, dass bis zum Jahre 2003 der Iran an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet hat, ab dem Jahr 2003 diese Arbeit eingestellt hat und inzwischen daran nicht mehr gearbeitet wird. Das hat auch seine Logik, bis 2003, weil, bis dahin gab es den Nachbarn Irak unter anderer Führung.

Diese doppelte Nachricht ist eine, die eigentlich beide Seiten jetzt nutzen sollten um so etwas wie ein Moratorium zu starten und zu sagen: Wir fangen von vorne an."

"Wie gehen die Iraner selbst jetzt mit diesen Drohgebärden um?"

"Das ist in einem Gesamtzusammenhang zu sehen, weil relativ klar ist, dass sowohl von Seiten der EU-Staaten als auch des USA momentan diskutiert wird, die Sanktionen zu verschärfen. Und das, was wir als Nachricht von den oppositionellen Gruppen bekommen haben, ist, dass für sie das überhaupt nicht hilfreich ist, im Gegenteil.

Im Moment müssten eigentlich beide Seiten, sowohl die iranische Regierung als auch die US-amerikanische und die EU-Regierung, sagen: Jetzt keine weitere Verschärfung durch Sanktionen; sondern aufgrund der Geheimdienstberichte aus den USA so was wie ein Moratorium zu starten, das den Fall zurück gibt an die internationale Atomenergiebehörde in Wien.

Das würde der Bevölkerung vor Ort auch helfen, weil das Problem ist, dass das Agieren der westlichen Staaten im Moment kontraproduktiv für diejenigen ist, die vor Ort in Opposition zur Regierung des Iran stehen."

Das war der Tübinger Europaabgeordnete Tobias Pflüger von der Partei DIE LINKE

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