Schilys Rolle beschämt - Pflüger fordert Asyl für Cap-Anamur-Flüchtlinge

Presse-Bericht in: Schwäbisches Tagblatt, Dienstag, 20. Juli 2004

TÜBINGEN (ran). „Das Mittelmeer wie die Außengrenzen der europäischen Union insgesamt dürfen nicht länger zur tödlichen Falle für Flüchtlinge werden.“ Der Tübinger Europa-Abgeordnete Tobias Pflüger forderte nach seiner Rückkehr aus Sizilien eine neue Asylpolitik.

„Wir müssen uns an den Menschenrechtsanforderungen messen lassen, die wir anderen immer vorhalten“, verwies Tobias Pflüger darauf, dass nach Angaben der Organisation Pro Asyl in den vergangenen Jahren etwa 5000 Menschen auf der Flucht zwischen Südeuropa und Afrika ertrunken sind.

Der über die PDS-Liste gewählte parteilose Abgeordnete war am Freitag im Auftrag seiner Fraktion nach Sizilien gereist, um sich zusammen mit seiner ebenfalls parteilosen italienischen Kollegin Luisa Morgantini von der kommunistischen Rifondazione für die Mitarbeiter der Flüchtlingsorganisation Cap Anamur einzusetzen, die in Agrigento inhaftiert waren (wir berichteten).

Die beiden Abgeordneten wandten sich zunächst an den Oberstaatsanwalt, von dem sie erfuhren, dass die drei Verhafteten gerade vor der Richterentscheidung abschließend befragt würden. Als Europa-Abgeordnete konnten sie die Inhaftierten anschließend im Gefängnis besuchen und ihnen die Nachricht überbringen, ihre Freilassung stehe bevor – ein Bescheid, den sich Tobias Pflüger und Morgantini noch einmal schriftlich geben ließen.

In dem italienischen Gefängnis fiel dem Tübinger Abgeordneten „eine Mischung aus Laisser-faire und ziemlicher Härte“ auf. Einerseits sei es bei dem Besuch der Abgeordneten in Agrigento „relativ locker“ zugegangen, doch es sei auch
sehr schwer gewesen, verbindliche Aussagen über das weitere Vorgehen
der Behörden zu bekommen.

Die Cap-Anamur-Mitarbeiter wurden schließlich erst um 21 statt wie angekündigt um 17 Uhr frei gelassen. Nach Pflügers Eindruck verzögerten die italienischen Behörden
den gesamten Ablauf auch mit dem Ziel, ihn und seine Abgeordneten-Kollegin daran zu hindern, die in Caltanissetta inhaftierten Bootsflüchtlinge von der Cap Anamur zu
besuchen. Die Abgeordneten standen unter Zeitdruck, den gebuchten Rückflug von Parlermo aus zu erreichen. Da klar gewesen sei, dass sich am nächsten Tag örtliche Vertreter der Rifondazione um die Flüchtlinge kümmern würden, flogen sie
schließlich zurück, ohne die Bootsflüchtlinge gesehen zu haben.

Pflüger fuhr gestern nach Straßburg, wo sich heute das neue EU-Parlament konstituiert. Er zeigte sich erleichtert über die Freilassung der Cap-Anamur-Mitarbeiter, kritisierte aber SPD-Innenminister Otto Schily. Dessen Rolle in der Auseinandersetzung um die Cap Anamur sei für ihn „als Deutschen“ beschämend gewesen. Statt für den Einsatz bei der Rettung der Flüchtlinge zu
danken, habe er sich in Diffamierungen ergangen. Der Versuch, die drei Mitarbeiter als Schleußer zu kriminalisieren, habe aber nicht verfangen. Nun frage es sich, ob Schily als Innenminister noch tragbar sei.

Da er zum Zeitpunkt der Freilassung der Cap-Anamur-Mitarbeiter an Ort und Stelle war, fand der neue Abgeordnete am Freitag auch einiges an Medienecho, wurde etwa in der „Tagesschau“ zitiert. Das nicht unumstrittene Vorgehen von Cap Anamur – der Organisation wurde unter anderem vorgeworfen, eher auf eine PR-Aktion denn auf die Rettung von Flüchtlingen aus gewesen zu sein – mochte Pflüger nicht kritisieren. Das wichtigste sei für ihn das Schicksal der Flüchtlinge.

Die europäische, italienische und deutsche Asylpolitik müsse „auf die Agenda gesetzt werden“. Daher sei gut, dass das Thema Aufmerksamkeit fand. Es sei gängige Praxis, Flüchtlinge „brutal von den EU-Außengrenzen“ abzuhalten. Das politische Hauptproblem bestehe in der von Deutschland beeinflussten Regelung der so genannten sicheren Drittstaaten. Statt der Fluchtgründe werde der Einreiseweg von Flüchtlingen überprüft, die schließlich „in einer Art Kettenabschiebung“ abgeschoben würden.

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