„Manchmal ist es schlimmer wie im Kindergarten“
Bericht über die Besucherfahrt zum Europaparlament nach Straßburg vom 11.-13.11.2007
Als PDF-Dokument mit Photos hier: http://static.twoday.net/tobiaspflueger/files/Bericht-Besuchsfahrt-Strasbourg.pdf
Von Judith Benda
20 Jahre
European- Studies Studentin in Enschede, Niederlande
Für viele ist die Europäische Union ein abstraktes Gebilde- etwas schwer zu begreifendes.
Eine Besucherfahrt zum Europaparlament nach Straßburg bot den TeilnehmerInnen einen kleinen Einblick in die Europapolitik und Funktionsweisen dieser komplexen Institution.
Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe
Etwa vierzig Personen im Alter von 14- 74 Jahren, aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands, folgten der Einladung von Tobias Pflüger, Abgeordneter des Europäischen Parlaments, an einer Besucherfahrt zum Europaparlament nach Straßburg teilzunehmen. Maßgeblich organisiert wurde diese Bildungsreise von Katharina Dahme (Linksjugend [´solid] Brandenburg), Felix Pithan (BundessprecherInnenrat der Linksjugend ['solid]) und Johannes Plotzki (Mitarbeiter von Tobias Pflüger).
Wir machten uns in Berlin auf den Weg und sammelten nach etlichen Stunden im Reisebus weitere MitfahrerInnen in Stuttgart ein. Abends erreichten wir Kehl- Kork, die deutsche Grenzstadt, in der wir unser Hotel bezogen. Nach einem ausgiebigen Abendessen beim Griechen des Ortes, saßen wir noch gemütlich im Hotel beisammen.
Historische Hauptstadt des Elsass
Am nächsten Tag hatten wir Zeit Straßburg zu erkunden. In Kleingruppen liefen wir durch die „historische Hauptstadt des Elsass“, saßen in netten französischen Cafes und schlenderten durch Geschäfte. Neben dem historischen Teil der Stadt, wie schönen alten Fachwerkhäusern und dem bekannten Münster, prägen moderne Gebäude, wie z.B. das Europarlament, die Stadt.
Am Nachmittag trafen wir Tobias im Hotel. Er nahm sich ausgiebig Zeit für uns. In einer Gesprächsrunde hatten wir die Möglichkeit mit ihm über politische Themen zu sprechen und von seiner Arbeit und seinen Erlebnissen als Politiker zu erfahren.
Tobias ist seit den 80er Jahren in der Friedens- und Anti- Atombewegung aktiv und gründete Ende der 90er Jahre die Informationsstelle Militarisierung e.V. Des Weiteren ist er u.a. im wissenschaftlichen Beirat von Attac und der Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen aktiv. Bei der Europawahl 2004 kandidierte er als Parteiloser für die damalige PDS und zog ins Parlament ein.
Zunächst berichtete Tobias von seiner Arbeit als Parlamentarier. Er ist Mitglied der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/ Nordische Grüne Linke (GUE/NGL). Es ist die fünftgrößte Fraktion im Europäischen Parlament und setzt sich derzeit aus 41 Mitgliedern des Europäischen Parlaments (MdEP) aus 16 politischen Parteien in 13 europäischen Ländern zusammen. Die Zusammensetzung der Fraktion macht die Vielfalt und auch Verschiedenheit der Fraktionsmitglieder deutlich. Tobias sprach von inneren Konflikten und Interessenkoalitionen innerhalb der Fraktion, die des Öfteren auftreten und sich formieren. Der jeweilige Koalitionspartner sei immer abhängig von der vorliegenden Fragestellung. Persönlich sieht er in den portugiesischen Kommunisten einen der engsten Koalitionspartner.
Anschließend erläuterte Tobias seine Arbeitsschwerpunkte, die sich selbstverständlich in seiner alltäglichen Parlamentstätigkeit wiederfinden. Besonders interessiert ist er an Fragen zur Außen- und Militärpolitik der Europäischen Union, Friedenspolitik, EU-Vertrag, Antifaschismus und europäische Asyl- und Anti-Atompolitik. Tobias ist gewähltes Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung und Stellvertreter im Entwicklungsausschuss. Gemeinsam mit einer Britischen Abgeordneten ist er Präsident der Intergroup „Peace- Initiatives“.
Lockere Gesprächsrunde
In der Gesprächsrunde wurden eine Vielzahl von Themen angesprochen, jedoch dominierten Tobias „Favoriten“. Die Frage nach Krieg und Frieden sei laut ihm die Grundfrage der Linken und von enormer Bedeutung. Auslandseinsätze der Bundeswehr wurden diskutiert und in Frage gestellt. Es sei eine Illusion, dass Militär zur Lösung von Problemen und Verbesserung bestehender Situationen beiträgt.
Eine weitere Rolle spielte die innere Sicherheit, insbesondere das brandaktuelle Thema der Vorratsdatenspeicherung („Gesetz zur Neureglung der Telekommunikationsüberwachung (TKÜG)“), welches nur zwei Tage zuvor mit den Stimmen der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD verabschiedet wurde. Diese Entwicklungen seien laut Tobias „hochproblematisch“.
Auf Nachfrage eines Teilnehmers äußerte sich Tobias zu den Stärken und Schwächen der EU. Der Austausch zwischen den Menschen innerhalb der Europäischen Union sei von großer Bedeutung. Negativ bewertet Tobias die interne Organisation und die Komplexität der EU. Insbesondere bezog er sich dann auf das Parlament und vertrat die Meinung, dass es dort manchmal „schlimmer wie im Kindergarten“ zugeht.
Am nächsten Tag unserer Reise besuchten wir das Parlament und konnten unsere Beobachtungen mit Tobias’ Empfinden vergleichen.
Zunächst stand ein Gespräch mit dem spanischen MdEP Willy Meyer Pleite über den Widerstand gegen den Franco Faschismus auf dem Programm. Meyer Pleite ist Abgeordneter der spanischen Partei Vereinigte Linke im Europäischen Parlament. Er ist zudem Vizepräsident der »Freundschafts- und Solidaritätsgruppe mit den kubanischen Volk« im EU-Parlament und Vizepräsident der europäisch-lateinamerikanischen Parlamentarierdelegation EUROLAT. Sein deutscher Nachname stammt von seinem antifaschistischen spanienkämpfenden Großvater.
Anschließend nahmen wir an einer Plenarsitzung teil. Ein gängiges Klischee wurde voll und ganz bedient- die Anzahl anwesender Abgeordneter konnten wir an einer Hand abzählen. Nichts ähnelte dem Gewusel, Getöse und der Lebendigkeit eines Kindergartens.
Thema an diesem Vormittag war das Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2008, welches im Dezember abgestimmt wird. Die MdEPs hatten bereits die Möglichkeit diesbezüglich in einer einminütigen Rede Stellung zu nehmen- so tat es Tobias auch. Laut ihm sei „Europa als Partner der Welt“ ein „schöner Titel“ für das Arbeitsprogramm, jedoch nicht mehr als eine Anmaßung- denn Europa ist natürlich sehr viel größer als die EU. Darüber hinaus kritisierte Tobias die stetig zunehmende Militarisierung der EU, welche durch den Reformvertrag ermöglicht wird.
In der Zwischenzeit hatte sich der Saal auch rasant gefüllt und erst jetzt wirkte es ein wenig hektisch, unruhig und wuselig. Nach noch nicht einmal einer Stunde, die uns auf der Besuchertribüne zustanden, wurden wir aus dem Saal gelotst. Grund war der Besuch des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Wenn solch ein Staatsmann im Parlament spricht, muss äußerste Ruhe gewahrt werden. Tobias schien nicht sehr interessiert an dessen Besuch, denn er verließ extra den Plenarsaal um uns zu verabschieden.
Ein spannendes Erlebnis
Anschließend ging es über Stuttgart wieder zurück nach Berlin.
Sicherlich ist es in solch kurzer Zeit nicht möglich ein umfassenden Einblick in die „Festung Europas“ zu erhalten. Nichtsdestotrotz waren es spannende und lehrreiche Tage, die uns gezeigt haben, dass die „Herren Politiker“, die sonst immer ganz weit weg zu sein scheinen, eigentlich näher sind als man denkt.
Vielen Dank an die OrganisatorInnen und Tobias für diese tollen Tage!
Als PDF-Dokument mit Photos hier: http://static.twoday.net/tobiaspflueger/files/Bericht-Besuchsfahrt-Strasbourg.pdf
Von Judith Benda
20 Jahre
European- Studies Studentin in Enschede, Niederlande
Für viele ist die Europäische Union ein abstraktes Gebilde- etwas schwer zu begreifendes.
Eine Besucherfahrt zum Europaparlament nach Straßburg bot den TeilnehmerInnen einen kleinen Einblick in die Europapolitik und Funktionsweisen dieser komplexen Institution.
Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe
Etwa vierzig Personen im Alter von 14- 74 Jahren, aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands, folgten der Einladung von Tobias Pflüger, Abgeordneter des Europäischen Parlaments, an einer Besucherfahrt zum Europaparlament nach Straßburg teilzunehmen. Maßgeblich organisiert wurde diese Bildungsreise von Katharina Dahme (Linksjugend [´solid] Brandenburg), Felix Pithan (BundessprecherInnenrat der Linksjugend ['solid]) und Johannes Plotzki (Mitarbeiter von Tobias Pflüger).
Wir machten uns in Berlin auf den Weg und sammelten nach etlichen Stunden im Reisebus weitere MitfahrerInnen in Stuttgart ein. Abends erreichten wir Kehl- Kork, die deutsche Grenzstadt, in der wir unser Hotel bezogen. Nach einem ausgiebigen Abendessen beim Griechen des Ortes, saßen wir noch gemütlich im Hotel beisammen.
Historische Hauptstadt des Elsass
Am nächsten Tag hatten wir Zeit Straßburg zu erkunden. In Kleingruppen liefen wir durch die „historische Hauptstadt des Elsass“, saßen in netten französischen Cafes und schlenderten durch Geschäfte. Neben dem historischen Teil der Stadt, wie schönen alten Fachwerkhäusern und dem bekannten Münster, prägen moderne Gebäude, wie z.B. das Europarlament, die Stadt.
Am Nachmittag trafen wir Tobias im Hotel. Er nahm sich ausgiebig Zeit für uns. In einer Gesprächsrunde hatten wir die Möglichkeit mit ihm über politische Themen zu sprechen und von seiner Arbeit und seinen Erlebnissen als Politiker zu erfahren.
Tobias ist seit den 80er Jahren in der Friedens- und Anti- Atombewegung aktiv und gründete Ende der 90er Jahre die Informationsstelle Militarisierung e.V. Des Weiteren ist er u.a. im wissenschaftlichen Beirat von Attac und der Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen aktiv. Bei der Europawahl 2004 kandidierte er als Parteiloser für die damalige PDS und zog ins Parlament ein.
Zunächst berichtete Tobias von seiner Arbeit als Parlamentarier. Er ist Mitglied der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/ Nordische Grüne Linke (GUE/NGL). Es ist die fünftgrößte Fraktion im Europäischen Parlament und setzt sich derzeit aus 41 Mitgliedern des Europäischen Parlaments (MdEP) aus 16 politischen Parteien in 13 europäischen Ländern zusammen. Die Zusammensetzung der Fraktion macht die Vielfalt und auch Verschiedenheit der Fraktionsmitglieder deutlich. Tobias sprach von inneren Konflikten und Interessenkoalitionen innerhalb der Fraktion, die des Öfteren auftreten und sich formieren. Der jeweilige Koalitionspartner sei immer abhängig von der vorliegenden Fragestellung. Persönlich sieht er in den portugiesischen Kommunisten einen der engsten Koalitionspartner.
Anschließend erläuterte Tobias seine Arbeitsschwerpunkte, die sich selbstverständlich in seiner alltäglichen Parlamentstätigkeit wiederfinden. Besonders interessiert ist er an Fragen zur Außen- und Militärpolitik der Europäischen Union, Friedenspolitik, EU-Vertrag, Antifaschismus und europäische Asyl- und Anti-Atompolitik. Tobias ist gewähltes Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung und Stellvertreter im Entwicklungsausschuss. Gemeinsam mit einer Britischen Abgeordneten ist er Präsident der Intergroup „Peace- Initiatives“.
Lockere Gesprächsrunde
In der Gesprächsrunde wurden eine Vielzahl von Themen angesprochen, jedoch dominierten Tobias „Favoriten“. Die Frage nach Krieg und Frieden sei laut ihm die Grundfrage der Linken und von enormer Bedeutung. Auslandseinsätze der Bundeswehr wurden diskutiert und in Frage gestellt. Es sei eine Illusion, dass Militär zur Lösung von Problemen und Verbesserung bestehender Situationen beiträgt.
Eine weitere Rolle spielte die innere Sicherheit, insbesondere das brandaktuelle Thema der Vorratsdatenspeicherung („Gesetz zur Neureglung der Telekommunikationsüberwachung (TKÜG)“), welches nur zwei Tage zuvor mit den Stimmen der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD verabschiedet wurde. Diese Entwicklungen seien laut Tobias „hochproblematisch“.
Auf Nachfrage eines Teilnehmers äußerte sich Tobias zu den Stärken und Schwächen der EU. Der Austausch zwischen den Menschen innerhalb der Europäischen Union sei von großer Bedeutung. Negativ bewertet Tobias die interne Organisation und die Komplexität der EU. Insbesondere bezog er sich dann auf das Parlament und vertrat die Meinung, dass es dort manchmal „schlimmer wie im Kindergarten“ zugeht.
Am nächsten Tag unserer Reise besuchten wir das Parlament und konnten unsere Beobachtungen mit Tobias’ Empfinden vergleichen.
Zunächst stand ein Gespräch mit dem spanischen MdEP Willy Meyer Pleite über den Widerstand gegen den Franco Faschismus auf dem Programm. Meyer Pleite ist Abgeordneter der spanischen Partei Vereinigte Linke im Europäischen Parlament. Er ist zudem Vizepräsident der »Freundschafts- und Solidaritätsgruppe mit den kubanischen Volk« im EU-Parlament und Vizepräsident der europäisch-lateinamerikanischen Parlamentarierdelegation EUROLAT. Sein deutscher Nachname stammt von seinem antifaschistischen spanienkämpfenden Großvater.
Anschließend nahmen wir an einer Plenarsitzung teil. Ein gängiges Klischee wurde voll und ganz bedient- die Anzahl anwesender Abgeordneter konnten wir an einer Hand abzählen. Nichts ähnelte dem Gewusel, Getöse und der Lebendigkeit eines Kindergartens.
Thema an diesem Vormittag war das Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2008, welches im Dezember abgestimmt wird. Die MdEPs hatten bereits die Möglichkeit diesbezüglich in einer einminütigen Rede Stellung zu nehmen- so tat es Tobias auch. Laut ihm sei „Europa als Partner der Welt“ ein „schöner Titel“ für das Arbeitsprogramm, jedoch nicht mehr als eine Anmaßung- denn Europa ist natürlich sehr viel größer als die EU. Darüber hinaus kritisierte Tobias die stetig zunehmende Militarisierung der EU, welche durch den Reformvertrag ermöglicht wird.
In der Zwischenzeit hatte sich der Saal auch rasant gefüllt und erst jetzt wirkte es ein wenig hektisch, unruhig und wuselig. Nach noch nicht einmal einer Stunde, die uns auf der Besuchertribüne zustanden, wurden wir aus dem Saal gelotst. Grund war der Besuch des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Wenn solch ein Staatsmann im Parlament spricht, muss äußerste Ruhe gewahrt werden. Tobias schien nicht sehr interessiert an dessen Besuch, denn er verließ extra den Plenarsaal um uns zu verabschieden.
Ein spannendes Erlebnis
Anschließend ging es über Stuttgart wieder zurück nach Berlin.
Sicherlich ist es in solch kurzer Zeit nicht möglich ein umfassenden Einblick in die „Festung Europas“ zu erhalten. Nichtsdestotrotz waren es spannende und lehrreiche Tage, die uns gezeigt haben, dass die „Herren Politiker“, die sonst immer ganz weit weg zu sein scheinen, eigentlich näher sind als man denkt.
Vielen Dank an die OrganisatorInnen und Tobias für diese tollen Tage!
Tobias Pflüger - 2007/12/05 16:04
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