Stelldichein für die VVN

Pressebericht in: Junge Welt, 23.01.2008 / Antifa / Seite 15

Festempfang im Abgeordnetenhaus und Konferenz erinnerten an die Gründung der Berliner Sektion der antifaschistischen Organisation vor 60 Jahren

von Florian Osuch

Am vergangenen Wochenende wurde in der Hauptstadt an die Gründung der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) im Januar 1948 erinnert (jW berichtete). Zunächst mit einer eindrucksvollen Veranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus und dann mit einer Konferenz im ND-Gebäude.

Rund 300 geladene Gäste verfolgten die Ehrung im Abgeordnetenhaus. Die Senatorin für Arbeit und Soziales, Heidi Knake-Werner (Die Linke) erinnerte an den »Aufstand der Anständigen« gegen rechts und daran, daß noch bis vor drei Jahren die Berliner VVN im Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde. Inzwischen hätte die Politik erkannt, daß es keinen Sinn mache, Teile der Anständigen zu diskreditieren. Petra Rosenberg vom Landesverband deutscher Sinti und Roma sagte, sie wünsche sich bei Überfällen von Neonazis eine ähnliche Debatte, wie sie gerade um die Kriminalität von Jugendlichen mit Migrationshintergrund geführt werde. Der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Walter Momper (SPD) rief zu mehr Zivilcourage gegen Neonazismus und Rassismus auf, und Andreas Nachama von der Stiftung Topographie des Terrors sprach sich indirekt für ein Verbot der NPD aus, die bereits mit dem Privileg als Partei ein demokratisches Gütesiegel verpaßt bekommen habe.

Zum Stelldichein für die VVN kamen Vertreter von Gewerkschaften und Grünen, Aktivisten von Antifagruppen, der Vorsitzende vom Humanistischen Verband, Leiter von Museen und Gedenkstätten sowie aktive Schülerinnen und Schüler. Zentraler Bestandteil der Festveranstaltung waren Ehrungen für Überlebende des Faschismus. Junge Antifaschisten stellten ihre Biographien dar und dankten für das Durchhaltevermögen in Illegalität oder Konzentrationslagern.

Beispielhaft sei erwähnt wie Bewohner des ehemals besetzten Hauses K9 aus Berlin-Friedrichshain Lore Krüger ehrten, die gemeinsam mit ihrem Mann, einem Interbrigadisten, über Spanien, Frankreich, Trinidad in die USA flüchtete. Später kam sie in die DDR und knüpfte 1989/90 Kontakt zur jungen Hausbesetzerbewegung. »Seid ihr Antifaschisten?« fragte sie damals die jungen Leute, die in leerstehende Häuser zogen. Es entwickelte sich ein intensiver Austausch, und gemeinsam wurden Spaziergänge und Fahrten auf den Spuren des antifaschistischen Widerstandes und zu den Stationen von Lore Krügers Leben in Spanien und Frankreich organisiert.

Genauer beleuchtet wurde die Geschichte der Berliner VVN dann am Sonntag. Unter dem Titel »Für eine Welt des Friedens und der Freiheit – Zur Geschichte der VVN« gab es verschiedene Debatten mit Historikern und Zeitzeugen. Die Verfolgtenorganisation hat gerade in Berlin eine wechselhafte und tragische Geschichte, denn im Zuge der Ost-West-Konfrontation teilte sich mit der Stadt auch die VVN. Es folgten unterschiedliche Entwicklungen in Ost und West. Ein Zeitzeuge berichtete zum Beispiel über die Hintergründe der Auflösung der VVN in der DDR im Jahr 1953. Der Historiker Dr. Ulrich Schneider referierte über die Schwierigkeiten in der BRD. Während in der DDR die Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer einige Aufgaben der VVN übernahmen, wurden in der BRD einzelne Landesverbände mit der Begründung verboten, Ableger der SED zu sein.

Etwas hitziger wurde es anschließend bei einer Podiumsdiskussion um Gedenkpolitik im vereinten Europa im Zeichen der Totalitarismustheorie. Tobias Pflüger, Europaabgeordneter der Linken, beschrieb die Unsensibilität einiger Kollegen in Brüssel im Umgang mit dem Gedenken an die Opfer des Faschismus. Konservative und rechte Abgeordnete der mittel- und osteuropäischen Länder würden den Faschismus immer häufiger mit der Stalinzeit gleichsetzen.

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