München stellt sich quer

Pressebericht in: Junge Welt, 06.02.2008

Aktionsbündnis erwartet 5000 Demonstranten bei Protesten gegen »Sicherheitskonferenz«. Behörden verbieten Marschroute. 420 Soldaten und 3700 Polizisten im Einsatz.

Claudia Wangerin

Die Vorbereitungen zur 44. »Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik« und der Proteste dagegen laufen auf Hochtouren. Zu der kurz »SiKo« genannten Militärtagung, die von Freitag bis Sonntag in der bayerischen Landeshauptstadt stattfindet, haben sich über 250 Politiker und Militärs angekündigt. Sie reisen größtenteils aus NATO-Staaten an– darunter der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan, der die Eröffnungsrede halten soll. An Erdogans Mitverantwortung für die türkische Bombardierung kurdischer Ziele im Nordirak stört sich Konferenzveranstalter Horst Teltschik trotz des übergeordneten Mottos »Frieden durch Dialog« nicht. Die Gegner der Münchner Sicherheitskonferenz charakterisieren die Veranstaltung als hochkarätig besetzte Kriegstagung. Obwohl die Veranstaltung mit öffentlichen Geldern finanziert wird, suche Teltschik die Teilnehmer »nach Gutsherrenart« aus und verwehre gewählten Vertretern den Eintritt, sofern sie als Kriegsgegner bekannt seien, so etwa dem Europaabgeordneten Tobias Pflüger.

Mit Ex-BMW-Manager Teltschik, der in diesem Jahr zum letzten Mal die »Sicherheitskonferenz« ausrichtet, hat die Militärtagung offiziell einen privaten Veranstalter. Nichtsdestotrotz kostet sie die bundesdeutschen Steuerzahler rund 840000 Euro. Das Hausrecht im Tagungshotel Bayerischer Hof hat die Bundeswehr, die im Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz insgesamt 420 Soldaten einsetzt. Dies ergab eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke), die auch auf der Hauptdemonstration sprechen wird. 3700 Polizisten sollen die Militärtagung zusätzlich abschirmen.

Das Aktionsbündnis gegen die Münchner Konferenz rechnet bei seinen Protestaktionen am Wochenende mit rund 5000 Demonstranten. Im Hinblick auf die Empörung türkischer und kurdischer Linker über die Teilnahme Erdogans könnten es aber auch mehr werden, sagte Claus Schreer vom Aktionsbündnis am Dienstag vor Medienvertretern.

Auf der Hauptkundgebung der Kriegs­gegner am Samstag auf dem Marienplatz soll daher auch ein Vertreter der Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland (YEK-KOM) sprechen. Ebenso die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen für die türkische Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF). Als Gegenaktion zur Verleihung von Teltschiks »Friedensmedaille« an einen kanadischen NATO-Soldaten will das »Munich American Peace Commitee« den US-Deserteur Chris Capps ehren, der 2007 nach einjährigem Einsatz im Irak desertierte und heute als Friedensaktivist in Hanau lebt.

Über die Demonstrationsroute müssen die Protestorganisatoren nach wie vor mit dem Kreisverwaltungsreferat streiten. Die Behörde hat dem Aktionsbündnis die angemeldete Strecke rund um die Münchner Residenz verboten, nachdem es Anfang Januar über die Medien die »Belagerung« des Gebäudes angekündigt hatte, wo am Samstag abend ein Galadiner für die Konferenzgäste stattfindet. Zur Begriffsklärung sagte Claus Schreer, das Bündnis habe nie zu einer Blockade aufgerufen – und eine Belagerung sei eine friedliche Aktion. Sollte man sich mit der Stadt nicht auf eine Alternativroute in angemessener Nähe zum Tagungsort einigen könne, werde man vor Gericht ziehen, kündigte Schreer an. Ein Kooperationsangebot der SiKo-Gegner über eine Ausweichroute vom Marienplatz über die Wein- und Theatinerstraße liegt dem Kreisverwaltungsreferat bereits vor.

Falls darauf nicht eingegangen wird und die Protestorganisatoren auch vor Gericht unterliegen, wollen sie auf einen angemeldeten Demonstrationszug verzichten. Dann wird es lediglich zwei Veranstaltungen an den beiden Enden der bisher beantragten Route geben. Wie die Demonstranten von einer Veranstaltung zur anderen kämen, sei dann nicht mehr das Problem des Aktionsbündnisses, sagte Claus Schreer.

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