»Die Kirchen haben sich kaum gegen Abschiebung engagiert«

Pressebericht in: junge Welt vom 15.01.2005

Initiativkreis in Wesel will Ausweisung einer kurdischen Familie verhindern. Dem Vater drohen in der Türkei Haft und erneute Folter. Ein Gespräch mit Monika Schraa
Interview: Henning von Stoltzenberg

* Monika Schraa ist Sprecherin des Initiativkreises »Bleiberecht für Familie Erkil« in Wesel (Nordrhein-Westfalen).

F: Seit Mitte Oktober ist der Initiativkreis »Bleiberecht für Familie Erkil« aktiv. Wie kam es dazu?

Mehmed Erkil hat in Wesel Demonstrationen und Diskussionsveranstaltungen gegen den Irak-Krieg, über die Rechte der Kurden oder zum Internationalen Frauentag am 8. März mitorganisiert. Nachdem die Familie aufgrund der Ablehnung des Asylfolgeantrags von Herrn Erkil im Oktober befürchten muß, abgeschoben zu werden, haben wir die Initiative für ein Bleiberecht ins Leben gerufen. Wir mußten sofort reagieren, denn Herr Erkil ist Vorsitzender des Kulturvereins Wesel e.V. und wäre im Fall der Abschiebung in der Türkei von Folter und Haft bedroht. Frau Erkil leidet aufgrund der Erlebnisse vor ihrer Flucht aus Nusaybin an einem Kriegstrauma, das psychiatrisch behandelt werden muß.

F: Was haben Sie bisher unternommen, um die Abschiebung zu verhindern?

Wir haben mehrere Informationsstände in der Weseler Fußgängerzone gehabt und über 1 500 Unterschriften für das Bleiberecht der Familie gesammelt. Darüber hinaus haben wir einen offenen Brief an die Stadt Wesel und die Ausländerbehörde des Kreises geschrieben. Nahezu alle sozialen Einrichtungen und politischen Organisationen in Wesel wurden angeschrieben und über die Notsituation der Familie informiert.

F: Gab es Unterstützung der Weseler Bevölkerung und von anderen Initiativen?

Die Resonanz in der Öffentlichkeit war meiner Meinung nach für eine so kleine und relativ konservative Stadt wie Wesel recht gut. Viele Passanten zeigten sich bei den Informationsständen in der Innenstadt interessiert und haben auch unterschrieben. Die Kirchen haben sich bis auf einige Ausnahmen leider nicht in dem Maße engagiert, wie wir es uns erhofft haben. Zahlreiche Flüchtlingsinitiativen und Einzelpersonen aus dem ganzen Bundesgebiet bis hin zum Europaparlamentarier Tobias Pflüger unterstützen ebenfalls unser Anliegen.

F: Wie reagieren die Stadt und die Ausländerbehörde auf Ihre Initiative?

Die Stadt hat sich bisher eher bedeckt gehalten. Bei der offiziellen Unterschriftenübergabe im Dezember waren die Bürgermeisterin Ulrike Westkamp von der SPD und Vertreter der Ausländerbehörde anwesend. Wir wurden zwar freundlich empfangen – Zusagen, sich um die Familie zu bemühen, gab es aber nicht. Immerhin ist die Duldung, die Anfang Januar ausgelaufen wäre, nun um drei Monate verlängert worden. Das ist aber kein Grund zur Entwarnung.

F: Wie ist die Situation der Familie?

Die Erkils stehen natürlich unter enormem Druck. Auch in der Vergangenheit hat es immer wieder Probleme mit der Ausländerbehörde gegeben. Mehrere Angehörige von Herrn Erkil sind in der Türkei von Soldaten aus politischen Gründen umgebracht worden, er selbst wurde mehrfach gefoltert. Zwei der vier Kinder sind in Deutschland geboren und sprechen kaum türkisch – sie würden in der Türkei große Probleme haben. Hier in Deutschland sind alle Kinder integriert, besuchen normal die Schule und Sportvereine. Die Familie lebt jeden Tag mit der Angst vor der Abschiebung. Hinzu kommt, daß jetzt das Gutachten der Ärztin des Gesundheitsamtes, die Frau Erkil ihr Kriegstrauma attestierte, angezweifelt wird.

F: Was sind Ihre nächsten Schritte?

Wir werden nicht lockerlassen. Die Unterschriftensammlung wird fortgesetzt, und wir planen weitere Aktionen in Wesel, um die Öffentlichkeit über die Lage der Erkils zu informieren. Wir führen auch unsere Unterschriftensammlung fort und hoffen, daß viele Initiativen und Einzelpersonen uns unterstützen, um das Bleiberecht der Familie durchzusetzen.

* Info: www.jlwesel.de


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