Doppelte Standards

Kolumne in: Schwäbisches Tagblatt, Nr. 73 / Freitag, den 28. März 2008

von Tobias Pflüger, Europa-Abgeordneter der Linken

Die Woche vor Ostern schickte das Europäische Parlament die offizielle Delegation für die Golf-Staaten, deren stellvertretender Vorsitzender ich bin, nach Katar und Oman. Ziel der Reise waren Gespräche mit Parlamentariern und anderen offiziellen Stellen.

In Katar haben wir auch den Fernsehsender Al Jazeera besucht. Al Jazeera hat inzwischen einen arabisch-und einen englischsprachigen Nachrichtensender sowie viel besuchte arabische und englische Nachrichten-Internetseiten.
Der Direktor für Internationale Politik berichtete, dass die englischsprachigen Angebote immer, wenn Krieg ist, weltweit besonders stark nachgefragt werden. Offensichtlich nutzen auch immer mehr Menschen im Westen Al Jazeera als Alternativangebot, weil der Sender direkter von den Kriegen berichtet. Doch die Al- Jazeera-Korrespondenten im Irak sind inzwischen ausgewiesen worden.

Dies war eines von vielen Beispielen von „doppelten Standards“, das der EP-Delegation von der katarischen oder omanischen Seite vorgehalten wurde. Mit „doppelten Standards“ ist zum Beispiel gemeint, dass bei westlichen Staaten selbst oder mit dem Westen befreundeten Staaten Menschenrechtsverletzungen, kriegerische Angriffe, Atomwaffen, Zensur oder undemokratische Verhältnisse hingenommen werden, bei anderen Staaten / Gesellschaften dagegen heftig kritisiert werden.

Das waren immer die schwierigsten Situationen – auch mit der eigenen Delegation, weil ich viel von dieser Kritik teile. Katar und Oman wollen eine neutrale Rolle im Nahen Osten spielen. So unterhalten beide Länder gute nachbarschaftliche Beziehungen zum Iran. Doch auf der omanischen Insel Masirah befindet sich ein großer US-Militärstützpunkt, auf dem auch schon das Calwer Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr geübt hat, und von dem aus der Krieg gegen den Irak logistisch unterstützt wird.

Während unseres Besuches war US-Vizepräsident Dick Cheney im Oman und flog von dort nach Afghanistan und in andere Staaten der Region. Manche Beobachter werteten Cheneys Besuch als Anzeichen für einen möglichen Krieg gegen den Iran.

Alle unsere Gesprächspartner warnten eindringlich davor, den Iran anzugreifen. Dies würde eine weitere fatale Entwicklung mit Dominoeffekt in der Region auslösen. Nicht nur an diesem Punkt war die EP-Delegation sich mit den Gesprächspartnern im Oman und Katar einig.

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