Berlin: Reichstag - Gelöbnis igelt sich ein

Indymedia 17.07.2008

Berlin: Reichstag - Gelöbnis igelt sich ein

Am 20. Juli will die deutsche Armee zum ersten mal seit Ende des 3. Reiches wieder ihr Gelöbnis vor dem Reichstag abhalten. Eine dagegen angekündigte Demonstration von KriegsgegnerInnen vom Brandenburger Tor zum Denkmal der von den Nazis ermordeten Reichstagsabgeordneten wurde jetzt verboten. Strassensperren um das Areal sollen sichtbaren Protest unterbinden. Nur der Pariser Platz am Brandenburger Tor soll für den Tourismus-Verkehr offen sein.
Statt der verbotenen Demonstration soll jetzt lediglich eine Kundgebung ab 18 Uhr Ecke H.-Arendt-Str/Ebertstraße an südlichen Ende des Holocaust-Mahnmals (Nähe U-/S-Bhf. Potsdamer Platz) genehmigt sein.

Angemeldet wurde die Demonstration unter dem Motto „Stopp den Kriegseinsätzen! – Gegen die Militarisierung des Alltags“. Ein Bündnis von Autonomen, AntifaschistInnen und KriegsgegnerInnen ruft zum Gelöbnix Protest auf, um die Armee aus dem Gleichschritt zu bringen. Es wird außerdem zu dezentralen, kreativen und spontanen Protest aufgerufen. Laut Presse und Bullenmeldungen würden bis zu 1000 Protestierende erwartet. Auf der Gegenkundgebung soll unter anderem der Europaabgeordnete und bekennende Kriegsgegner Tobias Pflüger reden, verschiedene Politiker der Bundestagsfraktion von "Die Linke/PDS" unterstützen den Protest. Anmelderin ist die Linke-Politikerin Judith Demba.

Bekannt geworden ist das Vorhaben der Bundeswehr, ihr Gelöbnis vor dem Reichstag abhalten zu wollen, durch anfängliche Querelen mit dem Grünflächenamt des Bezirks Mitte. Bundesverteidigungsminister Jung (CDU) behauptete, dass eine Baustelle im Bendlerblock (in diesem Areal wurden bis letztes Jahr die Gelöbnisse abgehalten) wegen eines geplanten Soldatendenkmals durch Baggerlärm das Gelöbnis stören könne, daher solle das Gelöbnis vor dem Reichstag abgehalten werden.

Nachfragen sowie Ortsbesichtigungen von couragierten PressevertreterInnen haben aber ergeben, dass es keine Baustelle im Bendlerblock gibt, mit den Bauarbeiten wurde nicht mal angefangen, bislang ist sogar noch zweifelhaft, ob es überhaupt bereits eine Baugenehmigung durch das Bauamt gibt. Das ganze war nur ein billiger Trick, um endlich am historischen Aufmarschplatz der deutschen Armee, am Reichstag, das Gelöbnis abhalten zu können.

Das Grünflächenamt protestierte u.a. gegen ein Gelöbnis am Reichstag, weil dann der gesamte Stadtteil abgeriegelt werden würde, wie es vom Bundesministerium geplant ist. Dies behindert nicht nur die PassantInnen, sondern kann auch Gerichtsentscheidungen von früheren Gelöbnix-Protesten widersprechen. Damals wurde durch das Gericht entschieden, dass Protest auf Hör- und Sichtweite an den Protestort herangelassen werden müsse. Laut dem Gerichtsurteil von 2006 dürfe auch die Bundeswehr kein Sondernutzungsrecht für die umliegenden Straßen und Plätze erhalten. („Auch die Bundeswehr unterliegt der Bindung durch die Grundrechte und muss daher bei Ausübung ihrer Befugnisse das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit beachten.“"

Nachdem verschiedene Politiker und Auslands-Einsatz-Fanatiker von CDU und SPD sowie die rechte Presse von Junge Freiheit bis FAZ gegen das Grünflächenamt des Bezirks Mitte mobil gemacht haben, nahmen diese ihre Bedenken gegen das Reichstag-Gelöbnis zurück. Nun erklärt die Berliner Polizei das gesamte Areal um den Reichstag herum zur Sicherheitszone, der Protest soll mit Hilfe der Polizei und von Feldjägern außerhalb der Sichtweite ausgesperrt werden.

Versammlungen sind innerhalb der Bannmeile um den Reichstag herum laut "Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes" zuzulassen, wenn sie nicht die Arbeit des Bundestages beeinträchtigen. Auch daher ist die Durchsetzung einer Bannmeile gegen die DemonstrantInnen unzulässig. Allein die Bundeswehr und die Polizei mit ihren weitläufigen Absperrungen werden die Arbeit der Abgeordneten und Beschäftigten des Bundestages behindern.
Mit den umfangreichen Absperrungen durch Bundeswehr und Polizei wird auch das Gerichtsurteil von 2006 kolportiert und über eine sog. "Sicherheitszone" der Polizei ein faktisches Strassen-Sondernutzungsrecht für die Bundeswehr geschaffen.

Wie schon im Bendlerblock ist das Gelöbnis am Reichstag nicht öffentlich. Das gesamte Areal wird weitreichend abgesperrt sein, und die Presse darf am 20. Juli lediglich nach vorheriger Anmeldung und Abfrage bei LKA, BKA und Verfassungsschutz durch eine Sicherheitsschleuse (Pressecounter) Ecke Reichstagsufer / Wilhelmstrasse in das Gelöbnisareal.

Am Sonntag, dem 20. Juli soll das gesamte Areal per Allgemeinverfügung des Polizeipräsidenten zwischen Brandenburger Tor, Hauptbahnhof, Bundeskanzleramt und Straße des 17. Juni sowie Wilhelmstraße mit Strassensperren zwischen 12h und 22h abgeriegelt sein. Angeblich soll der Pariser Platz jedoch für TouristInnen zugänglich sein. Das eigentliche Gelöbnis beginnt ab 19 Uhr mit einer Hauptansprache des Altkanzlers Helmut Schmidt. Schmitt hatte 1979 am sogenannten NATO-Doppelbeschluß mitgewirkt - d.h. bei der Stationierung von US-Atomraketen des Typs Pershing 2 und Cruise Missile in europäischen NATO-Staaten.
Für das Verteidigungsministerium sei der Reichstag der symbolisch richtige Ort, weil dort auch die Entscheidungen für die Auslandseinsätze getroffen werden.

Bereits jetzt kündigte der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD) an, dass weitere Gelöbnisse der nächsten Jahre auch vor dem Reichstag stattfinden sollen.

Sorgen wir weiterhin dafür, dass sie spüren, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegen ihre Kriege und die Militarisierung des Alltags ist, und sie ihre Gelöbnisse nicht in der gewünschten Öffentlichkeit abhalten können. Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus!

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