Vollständige Abrüstung notwendig

Pressebericht in: Junge Welt, 06. 08. 2008

Friedensbewegung fordert Abzug der US-Atombomben aus Fliegerhorst Büchel
Von Ralf Wurzbacher
Mit vielfältigen Veranstaltungen im ganzen Bundesgebiet erinnert die deutsche Friedenbewegung vom heutigen Mittwoch bis zum Wochenende an die Opfer der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki vor 63 Jahren. Angesichts der aktuellen Bedrohung durch weltweit Tausende einsatzbereiter Atomwaffen fordern der Bundessausschuß Friedenratschlag sowie die Kampagne »unsere zukunft – atomwaffenfrei« die vollständige Abrüstung und als ersten Schritt den Abzug aller auf deutschem Boden lagernden Atomwaffen. In diesem Zusammenhang mobilisieren Aktivisten seit Monaten zu einer Großdemonstration am 30. August nach Büchel in der Eifel. Auf dem nahegelegenen Fliegerhorst der Bundeswehr verwahrt die US Airforce vermutlich noch 20 Atombomben.

Nach neuesten Erhebungen umfassen die Arsenale der Atommächte heute rund 26000 nukleare Sprengköpfe, so Peter Strutynski vom Kasseler Friedenratschlag. Dies stelle einen »eklatanten Verstoß« gegen den vor 40 Jahren unterzeichneten Atomwaffensperrvertrag dar, erklärte er gegenüber jW. Man wolle den runden Jahrestag bei den anstehenden Gedenkveranstaltungen deshalb zum Anlaß nehmen, die Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit herauszustreichen. Das 1968 von den damals fünf Atommächten unterzeichnete und heute von knapp 190 Staaten anerkannte Abkommen verpflichtet die Beteiligten zur schrittweisen Reduzierung der Bestände und zur Nichtverbreitung der Technologie.

Der Vereinbarung zum Trotz sind die Kontingente größer, die Atommächte mehr und die Techniken zerstörerischer geworden. Der Friedenratschlag verweist insbesondere auf die Entwicklung sogenannter Mini-Nukes und bunkerbrechender Atomwaffen, wie sie die USArmy im »Kampf gegen den Terror« einsetzen will. Die kleinsten dieser Waffen hätten »immer noch etwa so viel Sprengkraft wie die Hiroshima-Bombe«, heißt es in einer Erklärung. Die Bombenabwürfe über Hiroshima am 6. und über Nagasaki am 9. August 1945 löschten in kurzer Zeit 200000 Menschenleben aus, Unzählige erlitten grausame Verletzungen und noch heute sterben Betroffene an den Spätfolgen der nuklearen Strahlung.

Strutynski warnte im jW-Gespräch vor einer »neuen atomaren Aufrüstungsspirale«. Angesichts immer kleinerer, vermeintlich hochpräzise wirkender Sprengkörper sinke die Hemmschwelle, die Waffen einzusetzen. Außerdem strebten »atomare Habenichtse« verstärkt nach der Bombe, je mehr vor allem die USA mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen liebäugeln. »Die Großmächte müssen endlich mit ernsthaften Abrüstungsschritten beginnen, dann nehmen auch die Begehrlichkeiten der Kleinen ab«, mahnte Strutynski.

Mit großer Sorge beobachtet Tobias Pflüger, Mitglied der Linksfraktion im Europaparlament, die Renaissance der »zivilen« Atomenergie, »nicht nur wegen der Unmengen an strahlendem Atommüll«. Damit wachse immer auch die Gefahr einer militärischen Nutzung, äußerte er am Dienstag. Atomwaffen seien zu einem »integralen Bestandteil der Militärplanung insbesondere westlicher Staaten geworden«. Pflüger verwies auf Äußerungen fünf hoher ­NATO-Generäle sowie des Briten Robert Cooper, der den EU-Außenbeauftragten Javier Solana berät. Sie alle hätten den Ersteinsatz von Atomwaffen auch gegen atomwaffenfreie Länder entweder gefordert oder immerhin erwogen. Auch auf wiederholtes Nachfragen im Auswärtigen Ausschuß und im EU-Plenum habe sich Solana nicht von dieser Haltung distanziert.

Deutschland selbst mischt über die sogenannte »nukleare Teilhabe« in der Atomwaffenpolitik der USA mit. Mit Einverständnis der Bundesregierung bunkert die US-Armee im rheinland-pfälzischen Büchel wahrscheinlich 20 Atomsprengköpfe. Erst kürzlich waren Ergebnisse einer internen Studie der US-Luftwaffe an die Öffentlichkeit gedrungen, wonach ihre europäischen Atomwaffenlager nicht den minimalen Sicherheitsanforderungen des Pentagon entsprechen.

Die von knapp 50 Initiativen und Verbänden unterstützte Kampagne »unsere zukunft – atomwaffenfrei« warnt entsprechend auch vor einem »Atomkrieg aus Versehen« und ruft für den 30. August unter dem Motto »Vor der eigenen Türe kehren« zur Großdemo nach Büchel. Das Bündnis verlangt den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland bis 2010. Abgesehen von der Union unterstützen alle der noch im Bundestag vertretenen Parteien diese Forderung.

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