Es ist Krieg – die EU hat Urlaub?

Interview in: Neues Deutschland 13.08.2008

Tobias Pflüger über Bemühungen europäischer Parlamentarier / Tobias Pflüger ist für die LINKE im Europaparlament. Er arbeitet im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung mit


ND: Nachrichten im Krieg sind Kampfinstrumente. Wie bildet man sich in Brüssel eine Meinung über den Krieg im Kaukasus?

Pflüger: Man kann keiner Nachricht mehr unbesehen Glauben schenken. Also muss es zuerst darum gehen, sich einen halbwegs objektiven Überblick zu verschaffen. Klar dürfte sein, dass Georgiens Regierung einen Angriffsbefehl gegeben hat. Doch schon die Frage, wer da womöglich ein Zeichen der Unterstützung gab, ist wichtig. Offensichtlich hat Georgiens Präsident nicht auf eigene Faust gehandelt. Nun will Russland mit seiner ganzen Macht die Situation in seinem Interesse nutzen. Moskau wendet völlig unverhältnismäßige Mittel an. Der Konflikt eskaliert.

Er besteht seit Jahren. Die EU und auch Deutschland haben versucht, zu vermitteln. Erfolglos. Lag das womöglich am falschen Ansatz, an falschen Mitteln?

Ich lobe EU-Verantwortliche – aus guten Gründen – selten. Doch in dem Fall glaube ich, dass die Vermittlungsversuche korrekt waren. Sowohl die EU wie Deutschland haben zu beiden Seiten gute Kontakte. Das Problem scheint mir: Solche Verhandlungen funktionieren in der Regel dann, wenn man politische oder wirtschaftliche Druckmittel in der Hand hat, worunter ich durchaus auch Anreize für ein friedliches Verhalten verstehe. In dem Falle war das nicht gegeben. Also konnte man sich nur als Mediator anbieten. Daran hatten weder Georgien noch Russland ein Interesse.

Wie also kann man jetzt zum Stopp des Krieges beitragen?

Von Seiten der EU muss das eindeutige Zeichen kommen: Wenn nicht sofort ein tragfähiger Waffenstillstand erzielt wird, stellen wir jegliche Zusammenarbeit mit den Kriegsparteien ein.

Kann die EU nicht auch die guten transatlantischen Beziehungen ins Spiel bringen, um den USA zu sagen: Wir sind gegen den Unterstützungskurs für Georgien? Derart deutlich hat man ja auch Bushs Wunsch nach der NATO-Mitgliedschaft Georgiens abgeschmettert.

Richtig, die EU muss deutlich signalisieren, dass die Gemeinschaft jegliche Kriegsunterstützung ablehnt, sich also auch in keiner Weise im Sinne der USA engagiert. Die beiden sogenannten Schutzmächte, also die USA und Russland, müssen rasch zu einer soliden Vereinbarung kommen.

Wie können Parlamentarier dabei helfen? Schließlich hat auch das EU-Parlament Sommerferien.

Stimmt, ich bin gerade auf Malta, doch deswegen nicht untätig. Es gibt vermutlich eine Sondersitzung des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung. Am Montag gab es eine erste Telefonkonferenz, gestern die zweite. Diese Methode lehrte uns der Libanon-Krieg, bei dem wir »auf dem falschen Fuß erwischt« wurden. In drei Punkten haben wir bereits Konsens erreicht. Erstens: Forderung an beide Seiten nach sofortigem Waffenstillstand. Zweitens: Sofortige Öffnung der sogenannten humanitären Korridore. Drittens: Akzeptanz der EU als Vermittler. Ein vierter Punkt ist strittig. Dabei geht es um die Implementierung einer europäischen Militärmission. Im Gegensatz zu Vertretern anderer Fraktionen halte ich diesen Vorschlag für absurd.

Noch aber ist das nicht die artikulierte Position des Parlaments.

Vereinbart ist, dass die Mitglieder des Unterausschusses nun mit ihren Fraktionsspitzen Kontakt aufnehmen, um auszuloten, ob das Vereinbarte gemeinsam vertreten werden kann. Dann kann es eine gemeinsame Erklärung der Fraktionsvorsitzenden geben. Ich hoffe, dass dies schnell geschieht.

Fragen: René Heilig

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