Europaabgeordnete fordern Friedenstruppen in Georgien
Artikel in EurActiv, 21.8.2008
Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben Georgiens Außenministerin während ihres Besuchs in Brüssel gestern (20. August) stark unterstützt. Sie kritisierten Russland scharf und drängten die EU, eine Friedenstruppe zu senden, um die russische Truppe ersetzen zu können. Unterdessen kündigte Russland an, als Antwort auf die scharfe Kritik an Russlands Vorgehen in Georgien alle Kontakte zur NATO auf Eis zu legen.
Bei einem Gespräch mit dem parlamentarischen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, der sich für eine außerordentliche Sitzung bereit erklärt hatte, beschuldigte Georgiens Außenministerin Eka Tkeschelaschwili Russland, falsch zu spielen, denn es gebe keine wirklichen Anzeichen für einen Rückzug seiner Truppen, wie es in dem Waffenstillstandsabkommen von Sarkozy abgemacht gewesen sei. Die Frist für einen vollständigen Rückzug ist für morgen (22. August) angesetzt.
Berichte von Beobachtern bestätigten ihre Bemerkung mit der Aussage, die russischen Truppen zögen sich nur teilweise zurück, während sie gleichzeitig andere strategische Punkte belagerten und die georgischen Häfen weiterhin vollständig blockierten.
Den Tränen nah berichtete Tkeschelaschwili außerdem von anhaltenden Hinrichtungen und Verfolgungen durch die russischen Streitkräfte, die sie der „ethnischen Säuberung“ bezichtigte. Russland verfolge klar eine imperialistische Politik mit dem Ziel, Georgien zu destabilisieren und Russlands Einflussbereich in Europa wieder zu vergrößern.
Partnergespräche zwischen EU und Russland wieder auf Eis gelegt?
Eine klare Mehrheit der Europaabgeordneten, darunter vor allem Abgeordnete aus osteuropäischen Ländern, die mehr als 40 Jahre unter sowjetischer Besatzung gelebt hatten, teilte diese Ansicht und forderte volle Solidarität mit Georgien und einer klaren Antwort Russland gegenüber. Es sei an der Zeit, die Gespräche über ein neues bilaterales Partnerschaftsabkommen mit Russland zu unterbrechen, sollte letzteres seinen Verpflichtungen nicht nachkommen und seine Truppen bis zum festgesetzten Termin am 22. August nicht abgezogen haben.
Nur wenige Parlamentarier, darunter der deutsche Sozialist Klaus Hänsch, sprachen sich für eine ausgewogenere Sichtweise aus. Er erinnerte seine Kollegen daran, dass ungeachtet der unverhältnismäßigen Reaktion Russlands der ursprüngliche Angriff von Georgien ausgegangen war.
Werden EU-Friedenstruppen russische Truppen ablösen?
Nichtsdestotrotz haben die meisten Europaabgeordneten Tkeschelaschwilis Wunsch nach einer Ablösung der russischen Truppen durch eine EU-Friedenstruppe in Südossetien befürwortet. Denn obwohl die russischen Truppen nach außen wie Friedenstruppen aussähen, hätten sie zweifelsohne andere Intentionen, meint Tkeschelaschwili.
Auf die Frage hin, ob sie sich vorstellen könne, dass Russland eine solche europäische Truppe anerkennen würde, entgegnete sie, Russland habe kein rechtliches oder moralisches Argument, eine Friedenstruppe auf georgischem Grund zu behindern. Nach dem Treffen erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten Jacek Saryusz-Wolski, der Ausschuss arbeite an einer Resolution, die bei der nächsten Plenarsitzung am 1. September vorgelegt werden und sich mit diesem Thema beschäftigen solle.
Unterdessen kündigte Russland an, alle Kontakte zur NATO zu unterbrechen. Dies sei die Antwort auf den gestern gefassten Entschluss der Allianz, alle politischen Gespräche auszusetzen (EurActiv 20/08/08).
Dem UNO-Sicherheitsrat legte Russland außerdem eine eigene Resolution für die Situation in Georgien vor, um auf die am Tag zuvor von Frankreich vorgelegte Resolution zu antworten. Die amerikanischen und europäischen Mitglieder des Rates wiesen den Entwurf umgehend zurück, da er keinen Bezug auf Georgiens territoriale Integrität nehme.
Positionen:
Georgiens Außenministerin Eka Tkeschelaschwili meinte, das Schicksal Europas entscheide sich nun in Georgien. Sie warf Russland eine imperialistische Politik vor, die darauf abziele, seinen Einflussbereich zu vergrößern.
In dem Versuch, ihrer Aussage Nachdruck zu verleihen, erinnerte sie die Europaabgeordneten an den so genannten Prager Frühling vor vierzig Jahren. Am 21. August 1968 waren sowjetische Truppen in die ehemalige Tschechoslowakei einmarschiert, um jegliche Versuche der tschechischen Bevölkerung, ihr Land vom sowjetischen Regime zu lösen, zu unterbinden.
Auf ihrer Rückkehr von einem Delegationsbesuch beschrieben Elmar Brok, deutsches Mitglied der EVP und des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und sein österreichischer Kollege Othmar Karas, stellvertretender Vorsitzender der EVP-EP-Fraktion, Russlands Vorgehen als absolut unakzeptabel.
Die Verletzung der territorialen Integrität eines souveränen Staates und die Destabilisierung demokratischer Regierungen dürfe nicht das Markenzeichen einer russischen Außenpolitik werden, die versuche die frühere Sowjetunion wiederaufzubauen, erklärten sie. Sollte dieser Fall eintreten, wäre Georgien erst der Anfang und weitere GUS-Staaten würden folgen, fügten sie hinzu.
Karas kritisierte außerdem die mangelnde Präsenz des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana, und der Kommission. Zudem beanstandeten sie die Visumspolitik der EU, die ihrer Ansicht nach zu einer Bevorteilung Russlands gegenüber Georgien und anderen Staaten geführt habe.
Im Idealfall hätten die Prioritäten genau andersherum gesetzt werden müssen. Daher sei es nun umso wichtiger, dass die EU bald ein Freihandelsabkommen mit Georgien schließe, um Georgiens Bevölkerung eine Perspektive zu geben.
Der polnische Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und sozialistisches MdEP, Jacek Saryusz-Wolski, pflichtete der Bemerkung der Ministerin bei, Europas Schicksal werde sich in Georgien entscheiden. Er drängte die EU deshalb dazu, möglichst bald eine gemeinsame Möglichkeit zu finden, sich solidarisch mit Georgien zu zeigen.
Er sprach außerdem die Forderung vieler Europaabgeordneten aus, eine EU-Friedensmission nach Georgien zu entsenden und gleichzeitig den humanitären Einsatz zu erhöhen. Weiter sprach er sich für eine Unterbrechung aller politischer Kontakte mit Russland aus und eine Überprüfung der gesamten Beziehungen zwischen Russland und der EU, sollte Russland seine Truppen bis morgen (22. August) nicht auf die Vorkriegspositionen zurückgezogen haben, wie in dem von Frankreich ausgehandelten Waffenstillstandsabkommen vereinbart.
Vytautas Landsbergis, litauisches Mitglied der EVP-EP-Fraktion, bezeichnete Georgien als neues Tschetschenien, während sich der britische Liberale Andrew Duff wunderte, wie Saakaschwili so dumm habe sein können, geradewegs in die Falle zu laufen, die Putin ihm gestellt habe.
Andere, wie der deutsche Europaabgeordnete Tobias Pflüger der Nordischen Grünen Linken *, meinten, die Debatte sei zu einseitig, wenn man Russland alle Schuld gebe. Die Reaktion Russlands habe zweifelsohne in keinem Verhältnis gestanden, aber man scheine zu übersehen, dass der ursprüngliche Angriff von Georgiens Präsident Saakaschwili angeordnet worden war.
*Die Linksfraktion im Europaparlament heißt GUE/NGL (Vereinigte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke).
Abgeordnete des Europäischen Parlaments haben Georgiens Außenministerin während ihres Besuchs in Brüssel gestern (20. August) stark unterstützt. Sie kritisierten Russland scharf und drängten die EU, eine Friedenstruppe zu senden, um die russische Truppe ersetzen zu können. Unterdessen kündigte Russland an, als Antwort auf die scharfe Kritik an Russlands Vorgehen in Georgien alle Kontakte zur NATO auf Eis zu legen.
Bei einem Gespräch mit dem parlamentarischen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, der sich für eine außerordentliche Sitzung bereit erklärt hatte, beschuldigte Georgiens Außenministerin Eka Tkeschelaschwili Russland, falsch zu spielen, denn es gebe keine wirklichen Anzeichen für einen Rückzug seiner Truppen, wie es in dem Waffenstillstandsabkommen von Sarkozy abgemacht gewesen sei. Die Frist für einen vollständigen Rückzug ist für morgen (22. August) angesetzt.
Berichte von Beobachtern bestätigten ihre Bemerkung mit der Aussage, die russischen Truppen zögen sich nur teilweise zurück, während sie gleichzeitig andere strategische Punkte belagerten und die georgischen Häfen weiterhin vollständig blockierten.
Den Tränen nah berichtete Tkeschelaschwili außerdem von anhaltenden Hinrichtungen und Verfolgungen durch die russischen Streitkräfte, die sie der „ethnischen Säuberung“ bezichtigte. Russland verfolge klar eine imperialistische Politik mit dem Ziel, Georgien zu destabilisieren und Russlands Einflussbereich in Europa wieder zu vergrößern.
Partnergespräche zwischen EU und Russland wieder auf Eis gelegt?
Eine klare Mehrheit der Europaabgeordneten, darunter vor allem Abgeordnete aus osteuropäischen Ländern, die mehr als 40 Jahre unter sowjetischer Besatzung gelebt hatten, teilte diese Ansicht und forderte volle Solidarität mit Georgien und einer klaren Antwort Russland gegenüber. Es sei an der Zeit, die Gespräche über ein neues bilaterales Partnerschaftsabkommen mit Russland zu unterbrechen, sollte letzteres seinen Verpflichtungen nicht nachkommen und seine Truppen bis zum festgesetzten Termin am 22. August nicht abgezogen haben.
Nur wenige Parlamentarier, darunter der deutsche Sozialist Klaus Hänsch, sprachen sich für eine ausgewogenere Sichtweise aus. Er erinnerte seine Kollegen daran, dass ungeachtet der unverhältnismäßigen Reaktion Russlands der ursprüngliche Angriff von Georgien ausgegangen war.
Werden EU-Friedenstruppen russische Truppen ablösen?
Nichtsdestotrotz haben die meisten Europaabgeordneten Tkeschelaschwilis Wunsch nach einer Ablösung der russischen Truppen durch eine EU-Friedenstruppe in Südossetien befürwortet. Denn obwohl die russischen Truppen nach außen wie Friedenstruppen aussähen, hätten sie zweifelsohne andere Intentionen, meint Tkeschelaschwili.
Auf die Frage hin, ob sie sich vorstellen könne, dass Russland eine solche europäische Truppe anerkennen würde, entgegnete sie, Russland habe kein rechtliches oder moralisches Argument, eine Friedenstruppe auf georgischem Grund zu behindern. Nach dem Treffen erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten Jacek Saryusz-Wolski, der Ausschuss arbeite an einer Resolution, die bei der nächsten Plenarsitzung am 1. September vorgelegt werden und sich mit diesem Thema beschäftigen solle.
Unterdessen kündigte Russland an, alle Kontakte zur NATO zu unterbrechen. Dies sei die Antwort auf den gestern gefassten Entschluss der Allianz, alle politischen Gespräche auszusetzen (EurActiv 20/08/08).
Dem UNO-Sicherheitsrat legte Russland außerdem eine eigene Resolution für die Situation in Georgien vor, um auf die am Tag zuvor von Frankreich vorgelegte Resolution zu antworten. Die amerikanischen und europäischen Mitglieder des Rates wiesen den Entwurf umgehend zurück, da er keinen Bezug auf Georgiens territoriale Integrität nehme.
Positionen:
Georgiens Außenministerin Eka Tkeschelaschwili meinte, das Schicksal Europas entscheide sich nun in Georgien. Sie warf Russland eine imperialistische Politik vor, die darauf abziele, seinen Einflussbereich zu vergrößern.
In dem Versuch, ihrer Aussage Nachdruck zu verleihen, erinnerte sie die Europaabgeordneten an den so genannten Prager Frühling vor vierzig Jahren. Am 21. August 1968 waren sowjetische Truppen in die ehemalige Tschechoslowakei einmarschiert, um jegliche Versuche der tschechischen Bevölkerung, ihr Land vom sowjetischen Regime zu lösen, zu unterbinden.
Auf ihrer Rückkehr von einem Delegationsbesuch beschrieben Elmar Brok, deutsches Mitglied der EVP und des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und sein österreichischer Kollege Othmar Karas, stellvertretender Vorsitzender der EVP-EP-Fraktion, Russlands Vorgehen als absolut unakzeptabel.
Die Verletzung der territorialen Integrität eines souveränen Staates und die Destabilisierung demokratischer Regierungen dürfe nicht das Markenzeichen einer russischen Außenpolitik werden, die versuche die frühere Sowjetunion wiederaufzubauen, erklärten sie. Sollte dieser Fall eintreten, wäre Georgien erst der Anfang und weitere GUS-Staaten würden folgen, fügten sie hinzu.
Karas kritisierte außerdem die mangelnde Präsenz des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana, und der Kommission. Zudem beanstandeten sie die Visumspolitik der EU, die ihrer Ansicht nach zu einer Bevorteilung Russlands gegenüber Georgien und anderen Staaten geführt habe.
Im Idealfall hätten die Prioritäten genau andersherum gesetzt werden müssen. Daher sei es nun umso wichtiger, dass die EU bald ein Freihandelsabkommen mit Georgien schließe, um Georgiens Bevölkerung eine Perspektive zu geben.
Der polnische Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und sozialistisches MdEP, Jacek Saryusz-Wolski, pflichtete der Bemerkung der Ministerin bei, Europas Schicksal werde sich in Georgien entscheiden. Er drängte die EU deshalb dazu, möglichst bald eine gemeinsame Möglichkeit zu finden, sich solidarisch mit Georgien zu zeigen.
Er sprach außerdem die Forderung vieler Europaabgeordneten aus, eine EU-Friedensmission nach Georgien zu entsenden und gleichzeitig den humanitären Einsatz zu erhöhen. Weiter sprach er sich für eine Unterbrechung aller politischer Kontakte mit Russland aus und eine Überprüfung der gesamten Beziehungen zwischen Russland und der EU, sollte Russland seine Truppen bis morgen (22. August) nicht auf die Vorkriegspositionen zurückgezogen haben, wie in dem von Frankreich ausgehandelten Waffenstillstandsabkommen vereinbart.
Vytautas Landsbergis, litauisches Mitglied der EVP-EP-Fraktion, bezeichnete Georgien als neues Tschetschenien, während sich der britische Liberale Andrew Duff wunderte, wie Saakaschwili so dumm habe sein können, geradewegs in die Falle zu laufen, die Putin ihm gestellt habe.
Andere, wie der deutsche Europaabgeordnete Tobias Pflüger der Nordischen Grünen Linken *, meinten, die Debatte sei zu einseitig, wenn man Russland alle Schuld gebe. Die Reaktion Russlands habe zweifelsohne in keinem Verhältnis gestanden, aber man scheine zu übersehen, dass der ursprüngliche Angriff von Georgiens Präsident Saakaschwili angeordnet worden war.
*Die Linksfraktion im Europaparlament heißt GUE/NGL (Vereinigte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke).
Tobias Pflüger - 2008/08/26 09:53
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