EP debattiert Situation in Georgien

Deutsche Pressemitteilung des Europäischen Parlamentes, Brüssel, 01.09.2008

Im Anschluss an den heutigen EU-Sondergipfel hat das Europäische Parlament über die Situation in Georgien debattiert. Der Großteil der Abgeordneten verurteilte die unverhältnismäßige Reaktion Russlands, unterstrich die Bedeutung der territorialen Integrität Georgiens und forderte eine Stärkung der EU-Nachbarschaftspolitik. Nötig sei, die Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland zu minimieren.

Der französische Außenminister Bernard KOUCHNER informierte das Plenum über die Ergebnisse des Treffens der Staats- und Regierungschefs, das heute in Brüssel stattfand. Die "Einheit hat sich durchgesetzt", sagte Kouchner und verwies auf die einstimmig verabschiedete Erklärung der EU. Der Text sei "hart in der Verurteilung", lasse aber die Tür offen. Man dürfe "nicht in den kalten Krieg zurückfallen". Die EU habe "auf höchster Ebene ihre Geschlossenheit gezeigt" und stehe "zu ihrer Verantwortung".

Die EU verurteile die militärischen Aktionen und deren Unverhältnismäßigkeit. Die Reaktion der russischen Seite sei "unverhältnismäßig" unterstrich Kouchner. Die territoriale Unversehrtheit müsse gewahrt werden. Die Unabhängigkeit der beiden abtrünnigen Republiken dürfe von anderen Ländern nicht anerkannt werden. International anerkannte Grenzen dürften nicht durch Gewalt verändert werden. Die EU sei bereit, sich im Rahmen der OSZE an "internationalen Kontrollmechanismen" zu beteiligen. Man sei nun dabei, die Modalitäten zu definieren.

Die EU werde eine internationale Konferenz vorschlagen, kündigte Kouchner an. Es müssten politische Verhandlungen eingeleitet werden. Die Flüchtlinge, bereits jene aus den 90er Jahren, müssten zurückkehren können. Die EU werde Hilfe für den Wiederaufbau leisten.

Kouchner kündigte an, dass die EU ihre Sicherheitsbemühungen auch bei der Energieversorgung überdenken werde. Russland dürfe sich nicht von Europa isolieren; dies sei im Interesse Russlands. Die Evaluierung der Beziehungen zu Russland müsse sofort erfolgen.

Falls der Truppenabzug nicht erfolge, würden die Verhandlungen über das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland vertagt, erklärte Kouchner. Die EU werde darüber hinaus die Zusammenarbeit mit der Ukraine intensivieren und verstärken, so Kouchner abschließend.

Benita FERRERO-WALDNER, für Außenbeziehungen zuständiges Kommissionsmitglied, erklärte, Europa habe eine "klare Botschaft" ausgesandt. "Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, auf Krisen zu reagieren und unsere Reihen zu schließen". Sie kündigte an, dass es eine internationale Geberkonferenz geben werde. Die EU werde die Instrumente der EU-Nachbarschaftspolitik aktivieren, um Georgien zu stabilisieren. "Die Beziehungen mit Russland können nicht so bleiben wie in der Vergangenheit", so Ferrero-Waldner. Kommunikationskanäle blieben jedoch offen. "Wir werden es nicht akzeptieren, dass es neue Trennlinien in Europa gibt".

Sprecher der Fraktionen:

Jospeh DAUL (EVP-ED, FR) sagte, die Lage sei "inakzeptabel, nicht zu tolerieren und es bedarf einer klaren Antwort". Die international anerkannten Grenzen dürften nicht verletzt werden. Russland habe "das Völkerrecht mit den Füßen getreten". Die EU müsse den Erwartungen von Millionen von Georgiern gerecht werden. Europa müsse wirtschaftlichen und politischen Druck auf Russland ausüben. Rat und Kommission müssten ihre Politik gegenüber Russland überdenken, etwa hinsichtlich des Partnerschaftsabkommens.

Trotz des georgischen Nationalismus, den es, worauf Hannes SWOBODA (SPÖ) hinwies, auch gebe, rechtfertige nichts die russische Intervention. Russland versuche immer, die inneren Konflikte seiner Nachbarn für sich auszunutzen. Russland sei derzeit stark wegen der hohen Energiepreise, aber das mag nicht so bleiben. Deshalb werde Russland viel von einer Kooperation mit Europa gewinnen. "Unseren Nachbarn müssen wir Rückhalt und Unterstützung geben." Die EU müsse ihre Nachbarschaftspolitik forcieren und ändern.

Graham WATSON (ALDE, UK) sagte, die Reaktion Russlands sei unverhältnismäßig gewesen. Durch Dialog werde die Spannung besser entschärft als durch Drohungen. Das sei die Lehre des Kalten Krieges. Watson forderte einen EU-Sonderbeauftragten, "dem beide Seiten zuhören". Auch eine Friedenskonferenz sei nötig. Zudem müsse die EU ihre Nachbarschaftspolitik stärken.

Russland könne nicht mehr als Partner der EU angesehen werden, so Konrad SZYMAŃSKI (UEN, PL). Russland müsse "unsere Entschlossenheit spüren". Die Aggression dürfe sich nicht auszahlen.

Daniel COHN-BENDIT (Grüne/FEA, FR) sagte, jetzt müssten "Grundsatzfragen" gestellt werden. "Wie sollen unsere Beziehungen zu Russland aussehen?" Das Verhalten Russlands sei "inakzeptabel". Der Ukraine und Georgien sollte eine "privilegierte Partnerschaft" angeboten werden. Nationalismus sei Krieg, ob russischer, georgischer, oder abchasischer Nationalismus.

Francis WURTZ (GUE/NGL, FR) wies auf "große traumatische Erinnerungen" aufgrund früherer Kriege hin. Man dürfe nicht politisch unverantwortlich sein, sagte er mit Blick auf den georgischen Präsidenten. Dies gelte natürlich auch für die russische Seite und deren "Brutalität". Russland könne nur "verlieren und sich isolieren".

Bernard WOJCIECHOWSKI (IND/DEM, PL) erklärte, Polen unterstütze alle, die für Frieden seien. Die EU benötige Russland. Sie dürfe nicht Teil des Konflikts sein und weder auf der russischen noch auf der georgischen Seite stehen.

Sylwester CHRUSZCZ (Fraktionslose, PL) sagte, der Krieg im Kaukasus hänge eng zusammen mit demjenigen im Kosovo.

Weitere deutschsprachige Redner:

Elmar BROK (CDU) sagte, der Gipfel habe Einheit zum Ausdruck gebracht. Der Bruch des Völkerrechts werde nicht akzeptiert. Es sei richtig, die Verhandlungen über das neue Abkommen mit Russland auszusetzen. "Wir dürfen aber nicht in eine Eskalationsschraube hineinkommen". Deshalb dürften die Kommunikationskanäle nicht geschlossen werden. Brok forderte abschließend eine wirkliche europäische Außenpolitik.

Tobias PFLÜGER (Die Linke) sagte, der eigentliche Krieg habe mit Saakaschwilis Aktionen begonnen. Die Form der Reaktion Russlands sei "klar zu verurteilen". Der Einsatz von Streubomben auf beiden Seiten sei "unerträglich". Nicht Russland allein sei für die Situation verantwortlich. Die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens sei vergleichbar mit der Anerkennung des Kosovo durch den Westen. Pflüger warnte davor, die Militarisierung der EU voranzutreiben.

Othmar KARAS (ÖVP) lobte die Erklärung des Gipfels. Die EU sei nun gefordert, ihre Glaubwürdigkeit stehe auf dem Spiel. Nun müssten Taten folgen. Die EU brauche, um Vermittler sein zu können, eine proaktive Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Dem Nationalismus müsste der Boden entzogen werden. Die EU-Russland-Politik müsse neu bewertet werden.

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